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Merkblatt-
Beilage 11:
Geld und Geist
Da sprach der Widersacher zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so sprich zu diesem Stein, daß er sich in Brot verwandle. Jesus aber erwiderte ihm: Es heißt in der Schrift «Nicht durch Brot allein hält sich der Mensch am Leben.»
Lk.4,3-4
Aber doch auch durch Brot°, neben Wasser der Inbegriff der zur Inkarnation notwendigen Lebensgrundlage. Eine Entelechie inkarniert als Mensch, um sich auf eine bestimmte Zeit mit der Erde zu verbinden, sich an den jeweiligen irdischen Bedingungen ihrem Karma gemäß zu entwickeln.[a] Auf diese Lebensfrage ist der Christus Jesus [b] die Antwort zum Teil schuldig geblieben, [c] denn Steine müssen in Brot verwandelt, also Werte durch Arbeit° gebildet werden.
Der auf zweifache Weise gebildete volkswirtschaftliche Wert° erscheint im Spannungsfeld zwischen Natur und Geist. In der Volkswirtschaft° entsteht er nur im Austausch der Erzeugnisse, für welchen das äußere Mittel das Geld ist, der den Wert abstrahierende Träger.
[...] Das Geld ist nichts anderes als der äußerlich ausgedrückte Wert, der durch Arbeitsteilung [d] erwirtschaftet ist und der von einem auf den anderen übertragen wird.
Wir sehen also im Verfolg der Arbeitsteilung den Kapitalismus auftreten, wir sehen im Verfolg des Kapitalismus, und zwar ziemlich bald, auftreten die Geldwirtschaft. Das Geld ist gegenüber den besonderen wirtschaftlichen Geschehnissen ein vollständiges Abstraktum. [...] Für das Geld ist es irrelevant, was dafür erworben wird, gegen was es sich im volkswirtschaftlichen Prozeß austauscht. [...] Deshalb wird das Geld aber der Ausdruck, die Handhabe, das Mittel für den Geist, um einzugreifen in den volkswirtschaftlichen Organismus, der in der Arbeitsteilung steht.
Ohne daß das Geld geschaffen wird, ist es überhaupt nicht möglich, daß der Geist eingreift in den volkswirtschaftlichen Organismus, wenn wir von der Arbeitsteilung sprechen. So können wir sagen: Da wird dasjenige, was ursprünglich zusammen ist im volkswirtschaftlichen Zustand, was jeder Einzelne in seinem Egoismus erarbeitet, das wird verteilt auf die Gesamtheit. - So ist es ja in der Arbeitsteilung. Im Kapital° werden Einzelheiten wiederum zusammengefaßt zu einem Gesamtprozeß. Die Kapitalbildung ist eine Synthese, durchaus eine Synthese. So wird derjenige, der in dieser Art als Kapitalbildner aufgetreten ist, der durch die Notwendigkeit des Auftretens des Geldes eben sein Kapital in Geldkapital verwandeln kann, der wird zum Leiher für einen, der nichts anderes hat als Geist. Der empfängt das Geld. Das ist der richtige Repräsentant von durch den Geist aufgebrachten wirtschaftlichen Werten.
[...] Es mag religiös und ethisch das Geld eine noch so schlimme Sache sein; im volkswirtschaftlichen Sinn ist das Geld der in dem volkswirtschaftlichen Organismus drinnen wirksame Geist. [...] Also, es muß im volkswirtschaftlichen Prozeß das Geld geschaffen werden, damit überhaupt der Geist seinen Fortschritt findet von dem Ausgangspunkt aus, wo er sich an die Natur wendet. Er würde in primitiven Zuständen bleiben, wenn er sich nur auf die Natur anwenden würde. Er muß, um nun auch die Errungenschaft des Geistigen in den volkswirschaftlichen Prozeß wiederum hineinzugießen, als Geld sich realisieren. Geld ist realisierter Geist. [...]”[e]
Geist manifestiert sich in der Form.[f] Je abstrakter und deshalb unirdischer eine Form ist, desto zugänglicher ist sie dem Einfluß des Geistes. Arbeit läßt sich als Umsetzung von Ideen in Werte betrachten, indem aus Möglichkeiten Wirklichkeit geschaffen wird. Geld trägt diesen Prozeß.
Wird Geld auf dem Finanzmarkt° zur Ware°, so wird es konkret, dh. seiner Abstraktion entkleidet - in solchem Geld vermag sich der Geist des Menschen kaum noch zu realisieren, wohl aber anderer. In steigendem Maß geschieht dies beim Handel mit Derivaten°,[g] einem typisch geistlosen Phänomen des ausgehenden XX.Jahrhunderts. Auf den Punkt gebracht: hier hat nicht der Mensch das Geld zur Verfügung, sondern das Geld den Menschen.
„Wenn Sie versuchen wollen, einen Begriff zu schaffen von dem, was in dem Wirtschaftsleben als Ware° zirkuliert, [...] dann brauchen Sie im Grunde doch eine Imagination [h]; denn der Ware haftet etwas an, das untrennbar ist vom Menschen. [...] Und Sie brauchen eine Inspiration [k], um den Arbeits°-Begriff zu fassen, und sie brauchen eine Intuition [i], um den Begriff des Kapitals° zu fassen. Denn der Begriff des Kapitals ist ein sehr geistiger Begriff, nur ein umgekehrt geistiger Begriff. Daher bezeichnet die Bibel dasjenige, was mit dem Kapitalismus zusammenhängt, ganz richtig als Mammon°, als etwas, was mit dem Geistigen zu tun hat; nur ist es nicht gerade der allerbeste Geist, der damit zu tun hat.”[l]
Jedes Werk, das vom Menschen ausgeht,
wird von seinem Geist, seiner inkarnierten Entelechie [m] berührt,
sodaß das Schimmern ihres Leuchtens das von ihm Geschaffene durchglänzt.
Dieser Glanz bildet den geistigen Wert der Ware,
welcher sich imaginativ erschauen läßt.

Jedes Werk, das der Mensch verwandelt,
wird von seinem Geist, seiner inkarnierten Entelechie durchwirkt,
sodaß das Tönen ihres Webens in seinem Schaffen nachklingt.
Dieser Klang bildet den geistigen Wert der Arbeit,
welcher sich inspirativ erhören läßt.

Jedes Werk, das der Mensch an sich zieht,
wird von seinem Geist, seiner inkarnierten Entelechie als Hinderung erlebt,
sodaß das Drängen ihres Wehrens das von ihm zu Schaffende erstrebt.
Dies Streben bildet den geistigen Wert des Kapitals,
welcher sich intuitiv erfahren läßt.
Kapital um des Anhäufens willen schafft einen Hohlraum, in den Gegengeistiges [n] eindringt. Da wirkt dann nichts, was den Fortgang der Menschheit fördert. Vielmehr gehen davon Impulse aus, die jede Initiativkraft zu lähmen suchen. Geld dient solchen Wesen genauso „selbstlos” wie den Menschen, denen sie es zu entwinden trachten; nur zahlen jene nicht, sie lassen zahlen. Wirre Gedanken werden imaginiert, lebensbedrohende Bedürfnisse inspiriert. Intuiert wird das Netz undurchschaubarer Wirtschaftskreisläufe, das den Zugriff menschlichen Bewußtseins so weit als möglich ausschaltet. Davor warnt nicht nur die Bibel. Aufmerksame können beobachten, wie des Menschen Arbeit unter jenem Einfluß dumpf wird, krank macht. In solchem Klima erzeugte Ware mag glitzern, doch ermattet sie die Seele und beengt den Geist.
Der inkarnierte Mensch aber braucht Gesundheit des Leibes, Frische der Seele und Freiheit des Geistes, soweit sein Karma es gestattet, um seiner Lebensaufgabe gerecht werden zu können. Obwohl diese hochindividuell erfahren wird, besteht sie doch allgemein darin, sich den Erden-bedingungen zu stellen, um wechselweise die eigene Entwicklung weiterzutreiben und die des Mitmenschen zu fördern. Das ICh ist zu wachem Handeln aufgerufen, welches die von Iesus Christus offengelassene Brotfrage des Widersachers stets neu beantwortet.
Kapitalbildung, egoistisches [o] Einatmen des Geldes, neigt dazu,
alles Brot in die eigene Hand zu bringen,
somit die Mitmenschen der Lebensgrundlage zu berauben [p].
Kapitalauflösung, altruistisches [o] Ausatmen des Geldes, neigt dazu,
alles Brot aus der eigenen Hand zu geben,
somit sich selbst der Lebensgrundlage zu berauben.
Gesunder Umgang mit Geld kommt, wie beim Atmen, in rhythmischem Ausgleich zustande.[q]
für die Arbeitsgruppe Geld des
Columban-Zweiges, Bregenz
Unsere Anmerkungen
a] vgl. Mbl.9
b] vgl. Mbl.26
c] vgl. einerseits Mt.4,1-11 et al.; andererseits Mt.25,14-30; Lk.19,11-27 ☞ Evangelienkonkordanz)
d] vgl. mit „sozialem Hauptgesetz” auf Mbl-B.9
e] R.STEINER am 27.VII.1922 in «GA 340»; S.57ff
f] vgl. Mbl.14: Anm.3
g] dessen Volumen sich zwischen 1989 und 1994 verfünffacht habe (vgl. »Der Spiegel« Nr.7/1996; S.94f)
h] Geistesforschung durch Wahrnehmen der raumlosen Bilder (vgl. Mbl-B.33a)
i] Geistesforschung durch Hören im Zeitlosen (vgl. Mbl-B.33b)
k] Geistesforschung durch Eintreten in geistiges Wogen (vgl. Mbl-B.33c)
l] R.STEINER am 5.X.1919 in «GA 191»; S.53f
m] vgl. Mbl.8
n] vgl. Mbl.16
o] vgl. Mbl.22
p] f] vgl. Mbl-B.9: Anm.i
q] vgl. Mbl.15
Literatur
STEINER, R.: «Die Kernpunkte der sozialen Frage»
STEINER, R.: «GA 340»
STEINER, R.: «GA 341»
BARKHOFF, W.E.: «Wir können lieben wen wir wollen»
HERRMANNSTORFER, U.: «Scheinmarktwirtschaft»
SCHILY, O.: «Flora, Fauna und Finanzen»
STRAWE, Ch.: «Marxismus und Anthroposophie»
W.WEIRAUCH: «Mehr als Geld»
https://wfgw.diemorgengab.at/WfGWmblB11.htm