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Merkblatt 9:
Gesichtspunkte zur Karmafrage
Vom Bilden des Schicksalswirken, Karma
Karma kann als Schicksalswirken begriffen werden; weniger als Schicksalslast, die zu erleiden wäre, vielmehr als Geschehen, das sich aus den konkreten Inkarnationsbedingungen einer Entelechie¹ (einem Selbst²) entrollt. - Karmaverständnis erfordert also ein Denken in gerichteten Bewegungen⁴ (Prozessen) und in Bildern (Vorstufen des lebendigen Denkens).
Schicksalswirken bildet sich für eine Entelechie jedesmal dann, wenn sie sich wieder anschickt, auf den physischen Plan herabzusteigen. Um inkarnieren³ zu können, umhüllt sie sich mit einem lebendigen Bildekräfteleib². Diesen fügt sie sich aus der erdnahen (sublunaren) Kraftsphäre (alter Ausdruck: Erdenätheraura) zusammen, in welche sie einst die karmischen Ergebnisse ihrer letzten Inkarnation aufgelöst hatte. Karma wird während des fortschreitenden Inkarnationsprozesses (Embryonal- und Fötalentwicklung) als weisende Möglichkeit⁴ in das eigene Wesen aufgenommen.
Karma im Seelischen
Im Seelenleib² begegnen der ICh-Tätigkeit⁵ karmische Rückwirkungen. Dadurch kann ungeläutertes Licht², das sich seelisch als Begierde und Leidenschaft ausdrückt, angeregt werden.
Karma im Lebendigen
Im Lebensleib² begegnen der ICh-Tätigkeit karmische Wirkungen. Dadurch kann missklingende Kraft², die sich lebendig als Trägheit oder Sucht ausdrückt, angefacht werden.
Karma im Physischen
Im physischen Leib² begegnen der ICh-Tätigkeit karmische Spiegelwirkungen. Dadurch kann ungeformter Stoff², der sich somatisch als Krankheit, letztlich als Tod ausdrückt, angehäuft werden.
Freier Wille und Karma
Das Selbst begegnet sich und der Welt im Spannungsfeld zwischen individuellem Karma (ICh-Sein) und Menschheitskarma (Mensch-Werden). Dabei wird fortwährend aus vielfältig Möglichem (Zukunft) einfältig Wirkliches (Vergangenheit) - solch Umwandlung geschieht dem Menschen im zeit- und raumlosen ICh-Punkt (Gegenwart)⁴.
Das ICh kann sich dem Geschehen überlassen; dann waltet Karma. Oder es bestimmt das Geschehen (mit), indem es über ein fortwährend zu erneuerndes Gleichgewicht zwischen den stossenden und ziehenden inneren und äusseren Kräften wacht; so schafft es sich einen Freiraum⁶, in den es seinen Willen fliessen lässt, durch welchen freies Tun in die Welt greift - solch Schaffen bewirkt der Mensch stets neu in seiner zeit- und raumlosen Geistesgegenwart.⁷
 
Anmerkungen
1 vgl. Mbl.8: Anm.7
2 vgl. Mbl.5
3 von lat. incarno (ich „fleische ein”, begebe mich ins Fleisch)
4 vgl. Mbl.5: Anm.1 u. Mbl.6: Anm.>G>, aber auch R.Steiner zu Karma u. Hierachien - Die Veden unterscheiden das sanchita karma (~ Latenzkarma), das sich aus allen früheren Inkarnationen ergebende potentielle Schicksalswirken, vom prarabdha karma (~ Erntekarma), dem reifen und deshalb wirksamen, sowie vom agâmi karma (auch krijamâna karma ~ Saatkarma), dem werdenden - siehe auch H.-W.Schroeder zu Engel u. Menschenschicksal.
5 Wirkungsweise des ICh in den Wesensgliedern - Für sich genommen ist das „ich” freilich eine Illusion, was vor allem von der östlichen Spiritualität betont wird. Vergisst es seinen geistigen Zusammenhang, dann bläht es sich zur hohlen Kugel auf (Egoismus), die dem Selbst unzugänglich ist, weshalb in sie andere Mächte (vgl. Mbl.16) einwirken werden.
6 Die vier Grade der Freiheit (ἡ ἐλευϑερίᾶ) als Entwicklungsweg des Individuums lauten:
1. Freiraum - Freiheit wovon?
2. Kraft zur Selbstverwirklichung - Freiheit wodurch?
3. Handeln aus dem Ganzen heraus - Freiheit wozu?
4. Authentizität - Freiheit als Lebensform.
Sie entsprechen den Stufen der Gemeinschaftsbildung als Freiheit im Sozialen.
(nach Karl-Martin Dietz in »die Drei« Jun.2012; S.50ff - siehe auch Aphorismus 10)
7 vgl. Stichwort „Freiheit” (insb. R.Steiner zur Freiheit im Mineralischen), Mbl.21 u. G.RÖSCHERT in «Metaphysik der Weltentwicklung»; S.138: „Die Paradoxie der Freiheit tritt an der Möglichkeit (Determinante) des Zurückbleibens von Wesenheiten auf. Die Gottheit vermag in ihrer «Nähe» Freiheit nicht zu ermöglichen; jeder eigene Gestaltungsspielraum geschaffener Wesen nichtet sich vor der übergroßen Lichtesfülle. Erst in wachsender Gottesferne kann so etwas wie Entscheidungsfreiheit auftreten, zunächst nur in Konturen und in der Gefahr, in den finsteren Abgrund des Nicht-Einen zu stürzen.” (vgl. dazu G.'t Hooft zum freien Willen)
Literatur
siehe auch Stichwort-Register
STEINER, R.: «Die Philosophie der Freiheit»
STEINER, R.: «Die Geheimwissenschaft im Umriß»
STEINER, R.: Vorträge in «GA 120»
STEINER, R.: Vorträge in «GA 135»
STEINER, R.: Vorträge in «GA 235»ff
CAROLUS, M.: «Wie Schicksal spricht»
KLINGLER, W.: «Gestalt der Freiheit»
SCHMIDT, K.O.: «Das abendländische Totenbuch - Band II»
W.WEIRAUCH: »Flensburger Heft« Nr.90
https://wfgw.diemorgengab.at/WfGWmbl09.htm