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Neudenken:
Elektrische Versuchungen
1 Elektrizität [a] verbindet und trennt die Verhältnisse an verschiedenen Orten. An die Stelle eines ganzheitlichen Naturprozesses treten Teilprozesse an den einzelnen Orten; zwischen den Teilprozessen bestehen ganz bestimmte einzelne Beziehungen. Auch sind die Teilprozesse im allgemeinen verschiedenartig und oft von einem entsprechenden Blickwinkel aus eben gerade polar zu anderen. Auch komplizierte elektrische Anlagen sind so entworfen und aufgebaut, daß sie eine Anzahl völlig gesonderter Einzelfunktionen enthalten, welche wie die Glieder einer oder mehrerer Ketten aneinandergesetzt sind. Dies im Gegensatz zur natürlichen Umwelt oder auch großen Kunstschöpfungen, wo alles mit allem lebendig zusammenwirkt.[b] Schon das Licht, das auf unsere Umgebung fällt, zeigt uns diese in einem universellen «Erscheinungs-Zusammenhang» [24]. Die in einer Apparatur wirksame Elektrizität erweist sich demgegenüber als etwas von Baustein zu Baustein stückweise einzelne Dinge Vollführendes. Dieses Reich der Elektrizitätstechnik zeigt sich damit nach Worten Rudolf Steiners ganz besonders als «nach unten hin von der Natur emanzipiert» [42].[c]
2 Blicken wir noch auf besondere Folgen von Elektrizitäts-Anwendungen. Der Arbeiter, der ein Elektrowerkzeug gebraucht, wird dadurch im einfachsten Fall von einem großen Teil willentlicher Kraftanstrengung entbunden, oder er kann weit über Menschenmaß hinausgehende Kraftleistungen erbringen. Präzise Automaten ersetzen das genaue Beobachten der Vorgänge am Werkstück durch einen Handwerker und machen dessen Geschicklichkeit überflüssig. Und auf einer nächsten Stufe springt an Stelle logischer Verstandesarbeit und Rechnung der Computer ein, bis der Mensch schließlich nur noch die richtigen Drucktasten zu wählen hat. Er ist aber als ein Wesen veranlagt, das nur in vielseitiger, übender Bemühung von Denkkraft, Feinfühligkeit und willensmäßiger Gliedmaßenbetätigung wirkliche Befriedigung finden kann. In seinem Buch «Die Magie der Drucktaste» zeichnet Emil Kowalski psychologische Folgesituationen einer solchen Technik [21].
3 Gehen wir weiter zur Informationstechnik,[d] besonders zur Fernseh-Journalistik. Es wird oft euphorisch von deren raum- und zeitüberwindenden Verbindungsmöglichkeiten gesprochen. Doch sollte unser Bewußtsein auch auf die trennenden Kehrseiten gelenkt werden. Erleben wir denn noch eine Wirklichkeit, wenn uns ein Fernseh-Team eine zur «show» gemachte Reportage vermittelt? Rudolf Steiner sah schon 1924 auf die Anfänge der Funk-Übermittlungstechnik und sprach aus, daß sie dazu führen werde, daß die Menschen diese Nachrichten «nicht mehr kapieren». Und was haben wir heute? Mit Bezug auf eine Rede von Neil Postman aus USA anläßlich der Entgegennahme seines Preises des Deutschen Buchhandels 1984 [31] bemerkt Christoph Lindenberg, daß wir (z. B. als Tagesschau-Betrachter) verleitet werden, auch das Ernsteste als Unterhaltung zu konsumieren, auch Katastrophenbilder aufzunehmen «wie Buntes aus aller Welt» [22]. So sind wir innerlich von dem Geschehen doch wieder wesentlich getrennt.[e]
4 Mit der Elektrizität treten gegenwärtig in einem nicht mehr zu überblickenden Umfang Angebote aller Art wie Versuchungen an uns heran. Wir sind in der Lage des Faust, als Mephisto sich ihm zu Diensten bereitstellt. Mephisto hat von Gott die Erlaubnis dazu erhalten.[f] Auch die Elektrizität ist uns rechtmäßig als Zivilisations-Einschlag unserer Epoche zugekommen. Wir können im Einzelfalle unser Bewußtsein auf den Unterschied lenken, ob eine technische Errungenschaft allgemein menschlichen Interessen dient, d. h. jedem zugutekommen kann, oder ob sie im Dienste von Macht- oder Mammons-Interessen zum Einsatz kommt. Bezüglich des Maßes der Anwendungen wird es immer dringlicher, die ökologischen Zusammenhänge mit in Betracht zu ziehen.[g] Und im Blick auf die Heranwachsenden sind psychologische Folgen noch weit umfassender zu untersuchen.
5 Zu Beginn der Ausführungen dieses Buches war uns schon die Merkwürdigkeit der Kräfte entgegengetreten, die über Abstände hinweg zwischen Körpern wirken. Die Elektrophysik hat auf ihrem Weg über die Atom-Modelle in ihren Konsequenzen dazu geführt, daß wir auch das Festsein von Gegenständen nur noch als Wirkung solcher Kräfte-Arten zu verstehen haben;[h] daß Stofflichkeit überhaupt als «Maya»[i] erscheint gegenüber einer realeren Ebene von Kräften. Aber diese elektrischen und magnetischen Kräfte, wie auch weitere, von der modernen Physik postulierte Wechselwirkungskräfte, unterstehen unabänderlichen Gesetzmäßigkeiten. Es wäre Widersinn, diese dem Reich des Leblosen und Absterbenden zugehörigen Kräfte als die führenden der Welt-Evolution verstehen zu wollen. Es ist dem Menschen überlassen, diese seinem analytischen und kombinierenden Verstande adäquaten Gesetzmäßigkeiten zu seinen praktischen Zwecken auszunützen; aber auch, im Blick auf deren philiströsen und das Seelenleben eher aushöhlenden Charakter, Wege zu höherführender Menschen- und Welterkenntnis zu suchen.[k]
S.308ff
21 Kowalski Emil, Die Magie der Drucktaste. Econ Verlag Wien/Düsseldorf 1975.
22 Lindenberg, Christoph: Die Abschaffung der Argumente und Ideen. In: Die Drei. Zeitschrift für Wissenschaft, Kunst und soziales Leben. H. 12., 1984.
24 Maier, Georg: Vom Erscheinungszusammenhang des Weltbildes am Licht. In: Erscheinungsformen des Aetherischen, Verlag Freies Geistesleben Stuttgart, 2. Aufl. 1985.
31 Postman, Neil: Rede am Vorabend der 36. Frankfurter Buchmasse 1984. Besprochen von Christoph Lindenberg, s. oben (22)!
42 Steiner Rudolf, a.a.O. Kap.: Von der Natur zur Unternatur. [„Das weitaus meiste dessen, was heute durch die Technik in der Kultur wirkt und in das er mit seinem Leben im höchsten Grade versponnen ist, das ist nicht Natur, sondern Unter-Natur. Es ist eine Welt, die sich nach unten hin von der Natur emanzipiert.”]
S.312f
Rudolf Cantz
aus «Wesenszüge der Elektrizität»
Unsere Anmerkungen
a] 1916 berichtet Rudolf Steiner, wie die Menschheit während der Lemuris die elektrischen Kräfte eingepflanzt erhalten hatte; 1920 weist er darauf hin, daß „innig verwandt alles dasjenige, was auf dem Gebiet der Elektrizität und des Magnetismus sich abspielt, mit unserem unbewußten Willensleben” ist.
b] vgl. Heraklits Wort vom „einsichtsvollen Willen [...], der alles durch alles hindurchsteuert”
c] Elektrizität nötigt den Lebensrhythmen streng getaktete Pulse auf, besonders der Wechselstrom; das behindert die seelische Beweglichkeit und saugt dadurch das menschliche Bewusstsein ins Untersinnliche. Eine solche Skorpionwirkung kann sich im Weltanschaulichen auswirken und damit zwar konkrete, jedoch unfreie Entscheidungen auslösen.
d] zum Internet siehe Mbl-B.20 samt Anhängen
e] Die Problematik ergibt sich freilich schon beim Zeitunglesen, vor allem durch die unverantwortliche Zeitungssprache samt manipulativer Bildauswahl. Jene wird durch elektronische Vermittlung nur noch suggestiver an den Menschen herangetragen.
f] J.W.v.Goethe lässt im „Prolog im Himmel” («Faust I»; S.15f) den „Herrn” zu Mephistopheles sprechen:
„Solang er auf der Erde lebt,
Solange sei dirs nicht verboten.
Es irrt der Mensch, solang er strebt.”
g] vgl. die umstrittene Denkanregung Dorian Schmidts zu Solaranlagen u. Schmerz
h] Schon 1904 erwähnt Steiner, „daß das Atom nichts anderes ist als geronnene Elektrizität”, und fragt 1920: „Was tut man, wenn man Elektrizität und Magnetismus studiert? Man studiert die Materie konkret”.
i] „Maja heißt nicht: Man nimmt etwas an, was es gar nicht gibt, sondern: Man vermutet, dass das, was man betrachtet, erst der Wegweiser zu einer weiteren, tieferen Schicht ist” schreibt Andreas Heertsch.
k] Steiner betonte immer wieder den Grundsatz, „daß dasjenige, was sich im Menschen vollzieht, nicht etwas ist, was der übrigen Natur gleich ist, sondern daß die übrige Natur hereinragt in den Menschen und daß dasjenige, was im Menschen sich vollzieht, zugleich ein kosmischer Vorgang ist, so daß die menschliche Seele ein Schauplatz ist, auf dem sich ein kosmischer Vorgang abspielt, nicht bloß ein menschlicher”.
https://wfgw.diemorgengab.at/tzn202005.htm