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Text zum Neudenken: |
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Wortbilder und -blasen | ||
1 Nun finden wir heute zwei Tendenzen, wie das Wort seine ihm eignende Bildhaftigkeit verlieren kann. Dazu müssen wir etwas weiter ausholen. | ||
2 Wenn wir in der Zeitung in großen Buchstaben lesen: DIE SCHWEIZ TRIUMPHIERT, dürfen wir nicht etwa denken, die Zeit der großen Schlachten sei zurückgekehrt.[a] Lesen wir nämlich weiter, handelt es sich um eine Mannschaft im Viererbob, von der zufällig alle vier einen Schweizerpaß besitzen und ein Rennen gewonnen haben.[b] Daraus wird DIE SCHWEIZ TRIUMPHIERT.[c] | ||
3 Andere Worte gibt es, die durch ihre Geschichte einen abwertenden Sinn bekommen haben. Wir kennen im Englischen das Wort nigger. Die Bildung dieses Wortes erfolgte im Zusammenhang mit der Versklavung der Schwarzafrikaner. Das deutsche Wort Neger hatte vorerst noch einen harmloseren Unterton, immer mehr aber nahm es den Beigeschmack der Rassendiskriminierung an. Heute gilt eigentlich nur noch das Wort Schwarze als neutrale Bezeichnung.[d] Dies, obwohl Neger vom Ursprung her das gleiche heißt wie Schwarzer: Das lateinische Wort niger heißt der Schwarze.[e] Wir sehen: Nicht allein der Ursprung des Wortes oder die Grundbedeutung zählt, sondern der Zusammenhang, in dem es gebraucht wird oder entstanden ist. | ||
4 Es gibt Worte, die einen stark emotionalen Unterton haben. Viele Menschen wissen zum Beispiel nicht, was das Wort Rassismus genau bedeutet.[f] Wenn man aber jemanden als einen Rassisten bezeichnet. entsteht sogleich das Gefühl einer indiskutablen Verurteilung. Sogar das Wort Rasse ist problematisch geworden, weil wir mit unserer starken emotionalen Überzeugung von der Gleichheit aller Menschen alles von vornherein mißtrauisch betrachten, was auf Unterschiede unter den Menschen hinweist. Dies um so mehr, als im 20. Jahrhundert unter Verwendung dieses Wortes schrecklichste Massenmorde begangen wurden. | ||
[...] | ||
5 Es gibt also Worte, denen die Tendenz innewohnt, ein klares Urteil auszulöschen. Wenn ein solches Wort fällt, ist die Besonnenheit weg. | ||
S.52ff | ||
6 Wir kommen nun zu der zweiten Gefahr, die Mitte des Wortbildes zu verlieren. Es ist die Unverbindlichkeit und Phrasenhaftigkeit des Wortes, [...] | ||
7 Es gibt eine ganze Palette von Möglichkeiten, gescheit zu reden, ohne etwas zu sagen. Politiker müssen, um in der Politik überleben zu können, diese Sprache beherrschen. Jedes Schlußcommuniqué, jede Regierungserklärung liest sich [in der Regel] leicht und tönt wunderbar, doch wenn man sich genau überlegt, was eigentlich gesagt wird, bleiben höchstens ein paar Allgemeinplätze übrig. | ||
8 Der Wortschatz solcher Phrasendrescher überquillt von gescheit tönenden Fremdwörtern. Gegenwärtig [1995] sind zum Beispiel folgende Ausdrücke gängig: Tendenzwende, Akzeptanz, Kommunikation, und wir gleiten über Sätze der folgenden Art: Das kommunikative Verhalten, das in der Interaktion von Sender und Empfänger liegt, ist manipulativ. Man plustert sich in einer scheinbar exakten Wissenschaftssprache auf, und wenn man die Frage stellt: Was heißt das eigentlich?, dann kommt oft ein ganz banaler Satz oder Ausdruck heraus. Es ist bloß eine große Seifenblase darum herum gemacht worden. [...] | ||
S.58f | ||
Heinz Zimmermann | ||
aus «Vom Sprachverlust zur neuen Bilderwelt des Wortes» | ||
a] etwa die Schlacht bei Dornach 1499 | ||
b] Wie in länderübergreifenden Wettbewerben leider üblich, werden mit Präsentation und Verkauf sportlicher Hochleistungen recht bedenkliche nationalistische Regungen entfacht. | ||
c] vgl. zur Zeitungssprache | ||
d] zumindest so lange, bis irgendein/e sich gern Empörende/r auch darin eine Kränkung zu erkennen behauptet | ||
e] niger ~ dunkel, schwarz (vgl. Mbl.22) > verdunkelnd > unheilvoll, nigrans ~ dunkelfarbig - Claudius Germanicus wurde Nero, der Dunkle, genannt. | ||
f] nämlich einen ideologischen Ansatz zur negativen Unterscheidung von Rassen | ||
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red.11.V.2025 - WfGW, 1090 Wien / AT | ||
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