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Neudenken:
Sonnenhierarchien
1 Die Sonne [a] - ist sie wirklich nichts als jene leuchtende Feuerkugel draußen im Weltenraum, die einen wenn auch gigantischen, so doch meßbaren Radius und Umfang besitzt und in einer gleichfalls gewaltigen, aber meßbaren Entfernung von unserer Erde umkreist wird? Ist sie nicht vielmehr allgegenwärtig, also auch uns auf der Erde dicht umgebend, so daß das Gestirn, das über unseren Himmel seine Kreise zieht, nur ein Zeichen ist, ein Hinweis auf ein allumfassendes, alldurchdringendes Wesen, vielleicht das sichtbare Herz einer großen sphärischen Wesenheit, die als solche unserem Auge nicht erscheint, aber in ihren Kräftewirkungen von allen übrigen Organen unseres vollen Mensch-Seins wahrgenommen werden will? Insbesondere als lebensspendende Macht kann die Sonne gar nicht mit jenem Feuerball identisch sein; denn wäre nichts als dessen physische Licht- und Wärmeaustrahlungen, so könnte, wie wir es in den tropischen Klimaten der Erde sehen, nur Ausdörrung und Tod von ihr ausgehen.
2 Das alte mythische Bewußtsein der Menschheit sah noch durch das Sonnengestirn wie durch ein Fenster in vielschichtige, hierarchisch-sphärisch abgestufte Wesenhaftigkeit hinein. So haben die Griechen die kreisende Tagesleuchte als das Gefährt eines Gottes, als den Wagen des Helios,[b] geschaut, haben aber hinter und über Helios eine höhere, umfassendere Gottheit, Apollo[n], den sie Phöbus, den Glänzenden, nannten, verehrt. Auf die Sphäre des Helios weist uns noch, was unser Auge sieht; die jedoch des Apollo ist übersinnlicher Natur. Apollo ist der Herr des geistigen Sonnenlichtes und als Träger der Sonnenharfe [Lyra] auch der Gebieter der göttlichen Sphärenharmonien, die in der Sonne ihren Quell und Mittelpunkt haben: »Die Sonne tönt nach alter Weise in Brudersphären Wettgesang.«[c] Den unermeßlichen, unser All mit Leben durchpulsenden Ätherleib der Sonne empfanden die Alten, wenn sie sich dem Apoll zuwandten. Aber auch hinter Apollo und über ihn hinaus haben die Mysterien der alten Welt noch höhere Götterwesenhaftigkeiten, gewissermaßen höhere und höchste Wesensglieder des umfassenden Wesens »Sonne« gekannt. In der Lehre des Philosophenkaisers Julian Apostata [d] von der dreifachen Sonne klingt das alte Wissen noch in christliche Zeiten herein. Die höchste Geistwesenheit der Sonne, ihr eigentliches Ich, wußte man, nachdem einst Zarathustra [e] von ihr als von Ahura Mazdao, der großen Sonnen-Aura, gelehrt hatte, in dem Gott, der durch Sterben und Auferstehen geht, und den die späteren vorchristlichen Religionen, sein Kommen ersehnend, als Osiris, Adonis und unter manchem anderen Namen verehrten. Nur kurze Zeit leuchtete im Urchristentum die Ahnung auf, daß in Christus dieser höchste Sonnengeist als Mensch unter Menschen gelebt habe. Zur Zeit des Julian hatten die Christen dies Geheimnis bereits vergessen.
3 Das Wissen von den hierarchisch-abgestuften Engelreichen, das in den neutestamentlichen Schriften überall noch als selbstverständlich bekannt vorausgesetzt ist und das, zurückgehend auf Dionysius Areopagita,[f] den großen athenischen Schüler des Paulus, in einer grandios aufgebauten Hierarchien-Lehre bis ins hohe Mittelalter weitergetragen wurde, ist ein Kapitel alter, ins Christentum hereinströmender Sonnen-Weisheit. Im Gefühl blieb erhalten, was die alte Welt in unmittelbarem Schauen erlebt hatte: daß die Sonne das Tor oder Fenster ist, durch das uns aus hierarchisch geordneten Sphären ein höchstes Gotteswesen anschaut und von jedem Stockwerk der Geisteswelten durch die Wesen zu uns spricht, die dort seine Hüllen und Boten sind. So pflanzten sich bildhafte Anschauungen fort, in denen die Hierarchien in solchen farbigen Kreisen angeordnet vorgestellt wurden, als ob sie miteinander die große, hinter dem physischen Sonnenlicht verborgene geistige Sonnen-Aura bildeten. Zahlreiche Malereien, z. B. in der Kuppel des Baptisteriums neben dem Dom zu Florenz, bekunden dies bis in späte Jahrhunderte. Durch das Auge der Sonne schauen nicht nur die Götter-Reiche uns an; auch wir schauen hier, wenn wir die unser Auge blendende Außenseite durchdringen, in die Sphären-Stufen der himmlischen Heerscharen hinein.
Emil Bock
aus «Michaelisches Zeitalter»; S.177f
Unsere Anmerkungen
a] vgl. Mbl-B.36a u. Stichwort Sonne
b] wie vordem die alten Ägypter Râ in seiner Barke
c] siehe J.W.v.Goethes Sonnenhymne
d] Der 49.Cäsar Flavius Claudius Iulianos regierte von 360 bis 363.
e] vgl. Zarathustra
f] siehe zu Dionysios
https://wfgw.diemorgengab.at/tzn202212.htm