zum IMPRESSUM
Merkblatt-
Beilage 8:
Entwicklung des Menschen -
Geschichte des Geldes
Fragment 1159
Ökonomie im weitesten Sinne begreift auch die Lebensordnungslehre. Es ist die praktische Wissenschaft im ganzen. Alles Praktische ist ökonomisch.
Novalis
aus «Gesammelte Werke - Dritter Band»; S.114
Die Entwicklung des Menschen in der Nachatlantischen Epoche äußert sich vor allem in der Ausgestaltung seines Bewußtseins.[a] Sie läßt sich nicht nur geistig erforschen und begründen, ihr kann auch im erstarrten Zeitstrom, im Bild der Zeitlava, nachgespürt werden, das meint hier die Vergangenheit menschlichen Erlebens und Handelns, wie sie in Mythos, Geschichte und Kulturgut vorliegt. Wenn solche den allgemeinen Erfahrungshorizont berühren, dann sind sie besonders als Studiengrundlage geeignet, wie es das Beispiel Geld in seinem Zirkulieren zwischen Ware° , Arbeit° und Kapital° zeigen kann.
In der altindischen Kultur tritt uns der sein Leben ergreifende Erdenmensch zunächst als Selbstversorger in kleinen Stammesverbänden entgegen, als Jäger und Sammler inmitten einer vielgestaltigen, aber auch gefahrvollen Natur, der er sich immer wieder neu stellen muß. Von bestimmten Regionen des trockener werdenden Planeten ausgehend verbreitet er sich nach und nach über die bewohnbaren Flächen. Dabei begegnet er seinesgleichen im Guten wie im Bösen, sein Bewußtsein nimmt andere mehr und mehr wahr. Der urpersische Mensch besitzt oder kann oft etwas, was anderen fehlt - Tauschhandel entsteht. Weil nun im Laufe der Entwicklung immer weitere Differenzierungen der einzelnen Bedürfnisse eintreten,[b] kommen Tauschsubstitute° auf, Vorformen des Geldes, wie etwa Muscheln [c], Pelze, Steine [d], Zähne, Geräte [e], Vieh [f], Naturalgeld also. Aus Chaldäa, Ägypten, dem Schwarz- und Mittelmeerraum, den Wurzeln der europäischen Kultur, sind Vorstellungen überliefert, die Werte in Tieren, ja sogar Menschen angeben. Gegen Ende des 4.Jahrtausends v.Chr. dienen im altägyptischen Reich Goldbarren offenbar schon als Zahlungsmittel, 1400 Jahre danach kommen in Mesopotamien Silberbrocken als Metallgeld stärker in Gebrauch. Später beginnen Griechenland und Rom aufzublühen, Kulturzeichen dringen auch aus keltischen und germanischen Wäldern ...
Um 640v kursieren an den südwestlichen Küsten Kleinasiens erste Münzvorläufer.
Um 600v entstehen unter dem Lyderkönig ALYATTES die ersten bekannten Edelmetallmünzen [g]. In Athen wird die Drachme gehandelt, zunächst als eine Handvoll Bratspieße (Obolos).
594v führt Solon in Athen das Talent (26kg) zu 30 Minen zu 100 Drachmen ein, die attische Silberwährung° mit eigener Münzprägung.
550v verbietet Sparta mit seiner Lykurgischen Verfassung das Münzgeld und behält somit das althergebrachte Eisengeld bei, wobei auch in Heloten [h] gezahlt wird. KROISOS, Sohn und Nachfolger von Alyattes läßt hingegen erstmals Goldmünzen prägen.
Um 510v verbreitet sich unter den Achämeniden in Persien die erste bimetallene Währung: Gold für den West-, Silber für den Osthandel.
462v wird in Athen die Verbindung von Geld und Macht Thema der politischen Auseinandersetzung: Ephialtes setzt Diäten für Volksversammlungsteilnehmer durch, damit auch die Theten [i] politische Ämter bekleiden können.
445v entstehen erste private Banken° in der griechischen Kultur, die Trapeziten, allein in Athen ein gutes Dutzend. Das Geldwesen genießt nun Gesetzesschutz.
433v führen die Priester des Apolloheiligtums auf Delos bereits Buch über ihre Geldgeschäfte.
Um 400v verdrängen die korinthischen Münzen nach dem Peloponnesischen Krieg die athenischen aus dem westlichen Mittelmeerraum.
387v besetzt eine Keltenarmee unter BRENNUS Rom. Die Römer zahlen Lösegeld.[k] Derlei Unbill und die aufkommenden Soldzahlungen lassen in der römischen res publica zunehmend fremdes Metallgeld umlaufen.
336v wird unter Alexander d.Großen das Geld- und Münzwesen revidiert und vereinheitlicht - eine frühe Form von „Weltwährung°” entsteht, die freilich unter den Diadochen [l] gleich wieder verfällt.
289v werden im römischen Reich zum ersten Mal offiziell Münzen [m] geprägt.
214v führt Konsul FLAMIVS den Silberdenar ein.
Um 100v erlangt das Geld im römischen Wirtschaftsleben den Rang, den es einst in den griechischen Stadtstaaten gehabt hat. Mit Caius Iulius CÆSAR wird Geld immer mehr zum Mittel römischer Innenpolitik. Geld und Boden konkurrieren als Wertmesser.
23v erläßt Cæsar AVGVSTVS eine Währungs- und Geldordnung mit aureas (gold), denarius (silber), sestercius (messing) und as (kupfer), denen das Kaiserbild aufgeprägt ist (vgl Mt.22,20-21). In der folgenden Kaiserzeit werden die Münzen freilich immer weniger wert - Münzverschlechterung.
33 ereignet sich das Mysterium von Golgatha.[n]
294 steuert DIOCLETIANVS das römische Geldwesen, indem er den follis einführt.
306 verbietet die Synode von Elvira allen Klerikern das Zinsnehmen. Unter CONSTANTINVS wird das Reichsgeldwesen neu geordnet, als neue Goldwährung wird der solidus eingeführt.
Ab 370 zeigt sich der Niedergang des römischen Imperiums, indem die Geld- immer deutlicher in eine Naturalwirtschaft° zurückgebildet wird. Die Völkerwanderung setzt ein.
409 nennt eine römische Münze neben dem Kaiser den Sueben RICIMER.
477 beginnen die Vandalen mit der Prägung eigener Silbermünzen.
534 läßt der Westgotenkönig LEOVIGILD Goldmünzen prägen. Mit dem wachsenden Selbstbewußtsein germanischer Kleinfürsten entstehen vielerorts Münzen, sodaß das Geldwesen zunehmend zersplittert.
551 schmuggeln nestorianische Mönche Seide nach Byzanz. Nicht lange danach begehrt man sie in ganz Europa, auch als Geldersatz.
Ab 590 verwenden germanische Eliten antike Gold- und Silbermünzen als Schmuck und zur Herstellung von Kronen. Columban errichtet mit Gallun ein erstes Kloster in Luxeuil.
Um 600 gilt Byzanz als richtungsweisend in Geld- und Währungssachen.
634 wird der Diwan° zu Medina verfaßt, der die Verteilung der Kriegsbeute regelt. Unter den Abassiden, besonders Harun el-Raschid, wird „Diwan” zum Überbegriff für Steuerverwaltung, Rechnungswesen und Staatskanzlei.
697 schauen sich die Araber von den Byzantinern ein eigenes Münzwesen ab und prägen Dinar (gold), Dirhem (silber) und Fulus oder Fels (kupfer).
Um 700 gibt es im Merowingerreich nachgewiesene 800 Prägestätten und 5000 Münzmeister, die fast nur noch Silber prägen, unter ihnen Bischof Eligius v.Noyon, der Heilige der Gold- und Silberschmiede sowie der Münzer.
711 erobern die Araber unter Tarik den Felsen Gibraltar, besiegen bald darauf die Westgoten und errichten das spanische Maurenreich. 732 werden sie von Karl Martell bei Tours und Poitiers geschlagen und bleiben dann südlich der Pyrenäen, von wo ihr Handel und ihre Kultur herüberdringen.
751 ersetzt Pippin die heruntergewirtschaftete Gold- durch eine neue Silberwährung und beansprucht die Münzrechte als Münzregal° für sich.
755 erläßt Karl d.Große das Edikt von Verona, das die karolingische Münzreform einleitet.
794 setzt Karl d.Große im ganzen Reich eine einheitliche Münzprägung durch und läßt sie gesetzlich bestätigen: 1 Schilling (solidus) zu 20 Pfennigen (denarii), wobei 12 Schilling auf 1 Pfund (librum, 491g) Silber gehen. Doch bereits ein gutes Jahr danach gelangen durch den erbeuteten Awarenschatz byzantinische Goldsolidi ins Reich und über Handelsbeziehungen sogar arabische Münzen.
840 stirbt Ludwig d.Fromme. Die straffe, zentrale Geldpolitik der Karolinger ist erheblich aufgeweicht. Weltliche und geistliche Fürsten haben Münzrechte gepachtet, die Zahl der Münzstätten steigt wieder. Die Städte erwachen zu erster Selbständigkeit.
975 prägt der Erzbischof von Mainz als erster Feudalherr unter eigenem statt Kaiser-Bild. Nach und nach verkommen in Europa Handel und Geldwesen, einerseits wegen Fürstenwillkür und Münzverrufungen°, andererseits wegen Unsicherheit der Wege.
1023 werden in Chengdu zum ersten Mal staatliche Banknoten° ausgegeben.
1059 verurteilt die Lateransynode ein weiteres Mal die Simonie°.
1064 führt man in Spanien die Cruzada° ein, um die einsetzende Reconquista [o] finanzieren zu können, den sogenannten spanischen Kreuzzug.
1096 hebt mit päpstlichem Aufruf das Kreuzzugszeitalter an. Der Massenaufbruch in das Heilige Land bringt das europäische Geldsystem in Bewegung. Der Land-, später der Seeweg nach Palästina führt meist über Oberitalien, wo die Geldgeschäfte blühen.
1120 gründen neun „einfache Ritter” unter Hugues de Payns zu Jerusalem einen Orden zum Schutz der Pilgerwege in Palästina. Der König von Jerusalem weist ihnen eine Wohnstatt auf dem Gelände des einstigen Tempels [p] zu, weshalb sie Tempelritter gerufen werden.
Bald erhält der Orden reiche Geld- und Landgeschenke in ganz Frankreich, im Deutschen Reich, später in England, Spanien und Portugal, sodaß er große Macht gewinnt. Seine Regel unterstellt ihn der alleinigen Gerichtsbarkeit des Papstes, er ist somit von weltlichem Recht unabhängig. Der einzelne Mönchsritter, der das asketische mit dem ritterlichen Ideal zu vereinigen trachtet, besitzt nichts, der Orden alles. Der morgenländische Arm des Templerordens dient weiterhin dem Schutz der Pilger und der Verteidigung des Heiligen Landes, wobei sich die Ritter durch ihre Umsicht, aber auch Todesverachtung [q] einen hervorragenden Ruf verschaffen. Unter den feindlichen Arabern und Seldschuken gelten sie als achtbare Gegner, mit denen wiederholt Austausch und Verhandlung gepflogen wird. Überdies halten sie eine schützende Hand über Vertreter des jüdischen Volkes [r], dessen Überlieferung und Weisheit sie schätzen und studieren. Solche Verbindungen und eine strikte Geheimhaltung ordensinterner Inhalte lassen sie bald geheimnisumwoben erscheinen.
Der abendländische Arm baut zügig ein Häuser- und Finanznetz über halb Europa auf. Auch in West- und Mitteleuropa werden die Wege wieder sicherer: Kaufleute können sich von Tempelrittern begleiten lassen oder ihre Waren gegen Entgelt in ordenseigenen Depots unterstellen. Gefährliche Nachtreisen werden unnötig, weil die befestigten Ordenshöfe und -burgen im Tagesreisenabstand voneinander errichtet sind. Pilger können ihr Reisegeld in Europa einlegen und mit einer Art Anweisungszettel° in Palästina beheben. Aus diesen Anforderungen entwickeln die Templer eine einfache Buchführung mit laufenden Konten [s], entrichten Zahlungen für ihre Klienten, stellen Kreditbriefe aus und richten gar eine „Leihkasse” ein. Ihr ausgezeichneter Ruf öffnet ihnen die Türen der Herrscherhäuser, und sie übernehmen Bürgschaften, insbesondere in Oberitalien, ja sie werden die Bankiers des Abendlandes genannt.
Nach hundert Jahren ist der Templerorden in Abend- und Morgenland berühmt und mächtig; er tritt selbstbewußt auf. Ihm anzugehören oder wenigstens nahezustehen, zählt zu besonderer Ehre. Das zieht hoffärtige Männer an, Hochmut und Korruption machen auch vor seinen Toren nicht halt. Gegen Ende des XIII.Jahrhunderts [t] hat er viele Feinde, die den Vorwurf der Ketzerei lautwerden lassen. Der französische König Philippe IV le Bel, zeigt sich zunächst als Freund der Tempelritter. Des Königs zwanghaftes Verhältnis zu Gold und Macht läßt ihn versuchen, mit List an das unschätzbare Vermögen des Ordens zu gelangen. Als das mißlingt, entfacht er zu Beginn des XIV.Jahrhunderts eine Kampagne gegen die Templer, in die er den ihm verpflichteten Papst Clemens V. zu Avignon einbezieht. In einer Nacht- und Nebelaktion läßt der König alle ihm habhaften Templer verhaften. Unter Verleumdung und Folter der Inquisition werden ihnen viele unsinnige Geständnisse abgezwungen, die Standhaften enden oft auf dem Scheiterhaufen. Der zögernde Papst löst den Orden schließlich auf.
1314 (18.III.) wird der letzte Großmeister des Templerordens, Jacques de Molay, in Paris [u] verbrannt. Viele Juden werden enteignet und aus Frankreich vertrieben. Der Templerimpuls verebbt im Untergrund des europäischen Geisteslebens.
Knapp drei Jahrzehnte danach bricht zwischen England und Frankreich der Hundertjährige Krieg aus, durch den Frankreich schwer verwüstet wird und der erst nach dem Auftreten der Jungfrau v.Orléans ein Ende findet. Dagegen entstehen in Flamen, Oberitalien, dann Deutschland bedeutende Handelszentren, deren Bürger mehr und mehr Reichtum erwerben. Die Naturalwirtschaft° weicht dort wiederum der Geldwirtschaft. Das Potential der Geldherren beginnt sich mit der Macht der Kriegsherren zu verbinden, sei's weltlicher oder geistlicher Arm, Grundlage der Renaissance-Blüte.
Um 1335 floriert in den oberitalienischen und flämischen Städten das Geldverleihgeschäft, meist unter Kaufleuten.
1373 versuchen die wendischen Hansestädte im Wendischen Münzverein das Münzwesen untereinander zu regeln.
1402 beschließt der Rat der Stadt Frankfurt am Main, eine Handelsbank mit festgelegtem Grundkapital zu gründen, den Wessil.
1407 eröffnet Genua die Casa di San Giorgio, eine Vorläuferin moderner Banken°.
1409 ensteht in Brügge Europas erste Börse°.
Die Verstandes/Gemütsseele ist nun voll ausgestaltet, die Aufgabe der griechisch-lateinischen Kultur erfüllt. Der Mensch bedient sich seiner neuen Fähigkeiten, um den blauen Planeten und dessen Stellenwert im Kosmos zu erfassen: in rascher Folge erweitert sich sein Gesichtskreis, bietet ihm der Welthandel die unterschiedlichsten Waren, verändern Entdeckungen und Naturwissenschaft sein Weltbild. Der Mensch ist jetzt immer wieder aufgerufen, sein Bewußtsein an neuen Anforderungen zu entzünden - die gegenwärtige Kultur entfaltet sich.
1415 erobert Portugal Ceuta. Damit setzt die iberische See-Expansion ein, die Spanien und Portugal den Zugang zu ungeahnten Gold- und Silberlagern Afrikas und später Amerikas eröffnet. Edelmetallströme fließen nach Europa, sodaß die Deflation° von einer Inflation° abgelöst wird, die in der 2.Hälfte des Jahrhunderts verheerende Auswirkungen zeitigt.
1445 gründen portugiesische Seefahrer in Arguim eine feitoria (Faktorei) , welche die einträglichen Elfenbein-, Gold- und Sklavengeschäfte organisieren soll.
1453 nehmen die Türken unter Mehmed II. die Kaiserstadt Byzanz (Konstantinopel) ein. Allmählich besetzen sie Europas Südosten und versperren so den Landweg nach Indien.
1471 beginnt in Schneeberg im Erzgebirge der Silberbergbau.
1492 begibt sich COLUMBUS auf die Suche nach Indien und entdeckt Amerika.
1494 erklärt Luca PACIOLI in seiner «Summa di arithmetica» das Prinzip der doppelten Buchführung, das große Beachtung findet. Die Verschriftlichung und Entmaterialisierung des Geld- und Warenverkehrs setzt ein, neue Formen von Buchgeld° treten im Abendland auf.
Ab 1499 gerät das Geld verstärkt ins öffentliche Bewußtsein, obwohl der Gesamtgeldbestand Europas noch recht klein ist. Die Seefahrt begründet einen neuen Handel, der Geldbedarf steigt.
1506 führt die römische Kirche den Census Sancti Petri (Peterspfennig) ein, der den Bau des neuen Domes finanzieren soll, jedoch zum Ablaßschacher verkommt.
Ab 1511 kontrollieren die Portugiesen die Gewürzinseln der Molukken. Seltene Gewürze gelten als Luxuswaren und dienen auf vielen Fernhandelsplätzen als Tauschsubstitut°. Lissabon und später Amsterdam werden zu deren Hauptumschlaghäfen.
1515 werden im Joachimsthal des Erzgebirges große Silberminen entdeckt.
1519 kritisiert Martin LUTHER die Monopolbestrebungen großer Unternehmen, die Spekulation zum Schaden des Volkes und das Zinsnehmen (den Wucher).
1520 läßt Graf v.SCHLICK die ersten Joachimsthaler [v] prägen.
1524 tauchen erste Europäer mit ihren Methoden im Silberbergbau Mexikos auf.
1525 gründen die Spanier in Mexiko die erste amerikanische Münzstätte: der Peso oder Piaster gerät zur wichtigsten Weltmünze seiner Zeit.
1530 verbreitet sich in Spanien der censo° [w], der bald überall in Europa betrieben wird. Die Entwicklung der Geld- zur Kreditwirtschaft deutet sich an.
1543 erlaubt Kaiser Karl V. den niederländischen Kaufleuten, Geld gegen Zinsen zu verleihen, womit er das mittelalterliche Zinsverbot offiziell aufhebt.
1545 entdecken die spanischen Eroberer den 700 m hohen Silberberg von San Luis Potosi, Inbegriff unvorstellbaren Reichtums.
Weitere Entdeckungen von Silbervorkommen folgen, die Portugiesen importieren enorme Goldmengen,[x] sodaß die große Inflation° des XVI.Jahrhunderts beschleunigt wird. Der Silberpreis fällt, Goldstandards setzen sich durch, was bis ins XX.Jahrhundert andauern wird. Die feudalen Besitzstrukturen werden von der Vergeldlichung des Wirtschaftslebens aufgeweicht. Das moderne Bankwesen beginnt, der Typus des Geldmagnaten erscheint.
1546 sind die FUGGER zu Augsburg die kapitalkräftigsten Finanzmagnaten ihrer Zeit. Wie die WELSER und andere verbinden sie Speditions- und Warenhandel mit bankähnlichen Geschäften und treiben das Wechsel- und Kreditgeschäft im deutschen Raum voran.
1581 ordnet die Generalsynode der calvinisten Kirche in den Niederlanden an, keinen Bankier oder dessen Angestellten zum Abendmahlsgottesdienst zuzulassen, obwohl sich das Kredit- und Bankgeschäft dort besonders schnell ausbreitet. Auch in katholischen Ländern sind die religiösen Widerstände gegen Geldgeschäfte beachtlich.
1582 verbreitet sich in Europa der Kredit als notwendige Alternative zum wenig flexiblen Geldangebot. Schuldscheine tauchen überall auf. Vielerorts kommt es zur Schuldknechtschaft, ja sogar zum Schuldgefängnis.
1587 fängt die Banco di Rialto in Venedig mit dem Giralgeld°geschäft an. Der Monte Vecchio, die älteste Bank, war dort bereits 1156 gegründet worden.
1605 gründet Papst Paul V. die Banco di Santo Spirito di Roma, Europas erste Staatsbank.
1609 wird die Bank von Amsterdam gegründet, die Wisselbank, 1619 die Hamburger Bank unter staatlicher Aufsicht.
Ab 1618 führt der Dreißigjährige Krieg zu einer drastischen Münzverschlechterung. Bis 1623 dauert die sogenannte Kipper- und Wipperzeit°. Meist bedienen fliegende „Banken” die Armeen und Landsknechthaufen.
1694 entsteht in London mit der Bank of England ltd. die erste Notenbank.
Verstand und Gemüt des Menschen steuern sein Bewußtsein.[y] Die allmähliche Erweiterung des Horizonts schlägt sich in der Entfaltung der Regional- zur Volks-, später zur Weltwirtschaft nieder. Das Münzregal° versiegt in staatlicher Geldpolitik. Ab dem XVIII.Jahrhundert bringt diese Entwicklung zunehmend Arbeitsteilung; Rohstoff- und Kapitalbedarf steigen. Dies alles führt zu Banken mit unterschiedlichen Aufgaben und Kundenkreisen, die sich deshalb in verschiedenen Rechtsformen ausbilden.
1706 öffnet in Wien die Stadt-Banco, die 1759 das erste echte Papiergeld deutscher Länder herausbringt, die Banco-Zettel°.
1765 erläßt Friedrich d.Große in Preußen das Edikt und Reglement der Königlichen Giro- und Lehn-Banco, womit die erste deutsche Notenbank ihre Arbeit aufnimmt. Im selben Jahr wird in Braunschweig die erste deutsche Bodenkreditanstalt gegründet.
1769 legt Meyer Amschel ROTHSCHILD in Frankfurt am Main den Grundstock für das im XIX.Jahrhundert berühmte jüdische Privatbankengefüge. Die Rothschilds holen das Bankwesen in den persönlichen Bereich. Im übrigen gerät das Geld immer krasser ins Unpersönliche der Aktiengesellschaften.
1778 gründet die „Patriotische Gesellschaft” in Hamburg die erste deutsche Sparkasse.
1789 gibt die französische Revolutionsregierung Assignaten aus, verzinsliche Staatsobligationen auf beschlagnahmte Adels- und Kirchengüter.
1792 macht ein Münzgesetz den Dollar zur Währungseinheit der USA.
1815 existieren in Deutschland nach der neuen Staatenordnung des Wiener Kongresses 35 voll souveräne Länder und 4 freie Reichsstädte, locker vereinigt im Deutschen Bund. Jeder Regent wacht eifersüchtig auf seine Finanz-, Münz- und Zoll°hoheit.
1816 wird die Privilegierte Österreichische Nationalbank eingerichtet, die erste Zentralnotenbank auf dem Gebiet des Deutschen Bundes.
1841 werden die Noten° der Priv.Öst.Nationalbank zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt.
Im XIX.Jahrhundert vollzieht sich die Arbeitsteilung in allen Bereichen der Erzeugung [z] und Verteilung [z], der Verbrauch [z] nimmt rasch zu. Arbeiterschaft und Großbürgertum entstehen, Klassen- und Standesbewußtsein entfalten sich in neuer Art und stoßen aufeinander. Sowohl im Adel, als auch unter Bürgerlichen stehen sich Geldarme und Geldreiche immer verständnisloser gegenüber. Aufkommende Industrie, Kapitalknappheit und Wirtschaftskrise vor 1848 lassen mehrere Staaten damit beginnen, Staatsnoten auszugeben, und 1866 gibt es in Deutschland 59 Notenbanken, die Bank-Noten* ausstellen (das ist noch kein Papiergeld).
1875 wird nach der Gründung des Deutschen Reiches (1871) die Reichsbank AG, Vorläuferin der Deutschen Bundesbank, festlich eröffnet, welche ein Jahr darauf einen eigenen Giroverkehr aufnimmt. Damit setzt in Mitteleuropa der zentral organisierte, immaterielle Geldverkehr ein.
Im anbrechenden XX.Jahrhundert zu wachem Handeln aufgerufen, ergeben sich die Menschen der gegenwärtigen Kultur lieber Aufbruchsphantasien oder Partikularinteressen. In dieser Zeit beginnt Rudolf STEINER öffentlich zu wirken. Schließlich erleben sie nicht nur zwei Weltkriege, sondern auch die Weltwirtschaftskrise der Zwanzigerjahre mit ihren beiden Schwarzen Freitagen, 1927 und 1929. Die weltweite Verflechtung des Geldwesens wird zum ersten Mal schmerzlich bewußt. Und das Geld ist auf dem Finanzmarkt° Ware geworden, die man besitzen kann - bereits seit längerem wird damit spekuliert.
1944 beraten in Bretton Woods Vertreter von 44 Staaten die künftige Weltwährungsordnung und vereinbaren ein internationales System fester Wechselkurse° und eine Dollar-Gold-Parität, weiters die Gründung des Internationalen Währungsfonds (1945 zusammen mit der Weltbank°).
Nach 1945 wandelt sich die Struktur des internationalen Bankwesens zur Universalbank, von der alle Bankgeschäfte im weiteren Sinn abgewickelt werden können. Wiederaufbau, dann Kalter Krieg mit der Zweiten Welt, Entwicklungshilfe für die sich politisch emanzipierende, jedoch darbende Dritte Welt und nicht zuletzt Luft- und Raumfahrt kurbeln die Wirtschaft der Ersten Welt mächtig an. Die Einigung Europas wird deshalb auch nicht zuerst geistig-kulturell angestrebt, sondern wirtschaftlich-finanziell von Montanunion über EWG und EG zur EU mit EWR, die bis 2002 eine europäische Währung° namens Euro herbeigebogen („zurechtgebrüsselt”) hat.
Den wachen Menschen inmitten divergierender nationaler und internationaler Einigungsbestrebungen bot Rudolf STEINER eine revolutionäre Idee an. Konkret nach den Bedingungen einer Verbesserung der sozialen Lage während und nach dem I.Weltkrieg gefragt, entwickelte er auf der Grundlage der Dreigliederung des Menschenorganismus' die Gesetzmäßigkeit der Dreigliederung des sozialen Organismus und benannte die drei Gebiete des sozialen Lebens: Geistesleben, Rechtsleben und Wirtschaftsleben.
Dieser Sozialimpuls versickerte zwar in den damaligen Wirren, doch wirkt er bis heute weiter durch verschiedene Gründungen wie zum Beispiel in der Schulbewegung oder im Bankwesen. STEINERs Hinweis, daß die „falsche Auffassung vom Geld” „eines der Übel in unserer Zeit” sei, und seine Anregung, „neue Christlichkeit auch im Umgang mit Geld” walten zu lassen, sind in Deutschland, dann den Niederlanden, Österreich und der Schweiz verschieden intensiv aufgegriffen worden.
Der Rechtsanwalt Wilhelm Ernst BARKHOFF begann gemeinsam mit Gleichgesinnten, eine „Versuchsmethode für eine neue Menschlichkeit im Umgang mit dem Geldwesen” zu erarbeiten. Nicht monetäre Überlegungen standen dabei im Vordergrund, sondern soziale: „Menschen helfen Menschen”. Ihm ging es darum, die Entpersönlichung des Geldes aufzuheben, den menschlichen Geist in die Geldprozesse einzubinden, das Geld als vagabundierendes Handels- und Spekulationsobjekt zu zähmen. Denn das Geld habe den geistigen Zielen des Menschen zu dienen.
Soll Geld als soziales Medium wirken, muß sein Fluß transparent sein, der Gemeinschaftsbildung dienen, dem Zusammenwirken freier Menschen neue Handlungsräume eröffnen. Eine entsprechende Bank wird Möglichkeiten bieten, Geld schon bei der Einlage gezielt einzusetzen, wird zinsfreie Kredite für gemeinnützige Unternehmungen gewähren, die Laufzeit von Krediten nach den Projektnotwendigkeiten richten, Bürgengemeinschaften zusammenbringen uä.
1961 wird die Treuhandstelle in Bochum begründet, daraus
1967 die Gemeinnützige Kredit-Garantie-Genossenschaft, daraus
1974 die GLS-Gemeinschaftsbank, weiters
1980 die Triodosbank in Zeist,
1982 der gemeinnützige Verein HERMES-Österreich mit Sitz in Salzburg und
1984 die Freie Gemeinschaftsbank BCL in Dornach.
Die durch unverantwortliche Gier einiger weniger ausgelöste Weltfinanz- und dadurch Wirtschaftskrise 2008-2012 hat den Menschen einmal mehr überdeutlich vorgeführt, wie fragil das Gleichgewicht geldbestimmter Vernetzungen gestaltet ist.
für die Arbeitsgruppe Geld des
Columban-Zweiges, Bregenz
Unsere Anmerkungen
a] vgl. Mbl.7
b] vgl. Mbl.6: Anm.><
c] Das Warengeld mit der grössten geographischen Verbreitung war die Kaurimuschel, deren Wert mit zunehmender Entfernung von ihrem Herkunftsort stieg.
d] 25000v leben in den Höhlen Westeuropas Menschen, die Nephritbeilchen als eine Art Geld benützen.
e] 4000v sind in China neben Kaurimuschel, Jade, Perlen auch Gerätegelder verbreitet.
f] von daher lat. pecunia aus pecus (Vieh), Schatz aus got. scatta (Rindvieh), engl. fee aus feoh (Vieh)
g] aus Elektron, einer Gold-Silber-Legierung (3:1)
h] rechtlose Sklaven
i] besitzlose Lohnarbeiter
k] „Væ victis (Wehe den Besiegten)!” soll Brennus dabei ausgerufen haben.
l] Nachfolgefürsten, die sich das Erbe Alexanders meist gewaltsam aufteilten
m] aus Kupfer und Bronze
n] vgl. Mbl.6: Anm.†
o] Rückeroberung der spanischen Halbinsel von den Mauren
p] Salomos Tempel, erbaut um 962v, wurde im Jahr 70 bei der Erstürmung Jerusalems durch die Römer unter Titus endgültig zerstört (vgl. »TzN Sep.2006«). Die heutige „Klagemauer” erinnert an ihn.
q] Ursprünglich durfte kein gefangener Tempelritter aus Ordensvermögen freigekauft werden, mit ein Grund für sie, bis zum Äussersten zu kämpfen.
r] daher die Vermutung, die Juden hätten ihre Kenntnis der Geldgebarung unter den Templern erworben
s] So weist das Kassabuch des Temple de Paris für den Zeitraum 1295/96 sechzig Konten aus, wobei im Jahr jeweils drei Auszüge gefertigt wurden.
t] Der siebente und letzte Kreuzzug endet kläglich 1291 - im selben Jahr begründen Uri, Schwyz und Unterwalden die Eidgenossenschaft.
u] auf dem Vert galant, der einstigen Île des Juifs, vor der Île de la Cité
v] Das Wort Taler findet sich im Dollar ebenso wieder wie am Ende des XX.Jahrhunderts im Tolar der Slowenen (der mittlerweile durch den Euro ersetzt worden ist).
w] eine Art Bodenrente
x] Das setzt sich später fort: 1693 und 1720 Goldfunde in Brasilien, 1849 in Kalifornien.
y] während in Zukunft das Bewusstsein lernen wird, sich des Verstandes und Gemütes zu bedienen
z] der Doppelkreislauf von Produktion ↔ Distribution ↔ Konsumption (vgl. Mbl-B.10)
Literatur
STEINER, R.: «GA 340»
DE WECK, R.: «Nach der Krise»
DEMURGER, A.: «Die Templer»
NORTH, M.: «Von Aktie bis Zoll»
STIGLITZ, J.: «Im freien Fall»
STRAWE, Ch.: «Marxismus und Anthroposophie»
WEIMER, W.: «Geschichte des Geldes»
W.WEIRAUCH: «Mehr als Geld»
https://wfgw.diemorgengab.at/WfGWmblB08.htm