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Zitatensammlung
Teil 2
Zitat von Emil BOCK zu
NABOTH
1 In den Gang der Elias°-Geschichten ist eine Episode eingeschaltet [1Reg.21], von der zunächst nicht zu erkennen ist, warum sie überhaupt in diesem Zusammenhang steht. Von einem Manne aus dem galiläischen Jesreel, namens Naboth°[a], wird uns erzählt. Der König Ahab° verlangt von ihm, er solle ihm seinen Weinberg, der an den Bereich des königlichen Palastes angrenzt, überlassen oder verkaufen. Als Naboth sich weigert, das Erbe seiner Väter herzugeben, versinkt der König in tiefen Unmut. Da greift Isebel°, die Königin, ein. Sie weiß es zu bewerkstelligen, daß eine Volksfeier einberufen wird, bei der Naboth zuerst den Vorsitz führt, dann aber verleumdet und gesteinigt wird. Der Tod Naboths bringt dem König zwar die Erfüllung seines Wunsches, ist aber zugleich, wie er bald innewerden muß, der Beginn seines Unterganges. Unaufhaltsam entlädt sich von jetzt an ein tragisches Verhängnis über ihm und seinem ganzen Hause.
2 Die Naboth-Episode ist um so rätselhafter, als wir gerade an der Stelle, wo sie in die Elias-Geschichten eingeschaltet ist, etwas ganz anderes erwarten müßten. Voraus geht die gewaltige Geisteskampfszene auf dem Karmelberge. Das Feuer des Elias hat die Welt der Baalspriester besiegt und vernichtet. In grenzenlosem Haß läßt sich die Königin Isebel, die sich selbst von dem gegen die Baalspriester geführten Schlag getroffen fühlt, zu einem wilden Racheschwur hinreißen. Sie schwört, Elias zu töten. Statt daß dann aber davon berichtet wird, wie sie ihren Racheschwur in die Tat umsetzt, folgt die Geschichte vom Weinberge des Naboth. Wie kommt es, daß Isebel, zu einer außerordentlichen Tat und Dämonie entschlossen, sich schließlich mit einer Intrige gegen einen kleinen, unbekannten Weinbergbesitzer begnügt?
3 Die Bibel deutet hier wieder einmal durch die stille Gebärdensprache der dramatisch-künstlerischen Komposition ihrer Berichte ein tiefes Geheimnis an. Isebel bringt durch die Ermordung des Naboth doch den Racheschwur, den sie gegen Elias geschleudert hat, zur Durchführung; denn Naboth ist niemand anders als die menschliche Persönlichkeit, in welcher der Elias-Genius verkörpert ist und aus der er wie ein Feuer hervorbricht, wenn er vor dem Volke spricht und wirkt.
4 Wäre damit nicht ein besonderes Mysterium verbunden, so würde die Bibel den Zusammenhang zwischen Naboth und Elias nicht so bewußt verhüllen. Es ist Mysterium der Inkarnation [eigentl. Inkorporation]. Naboth und Elias sind eins und doch auch wieder voneinander zu unterscheiden. Naboth ist Elias bis zur oberen Grenze des Menschseins. Tritt Elias nur in den alltäglichen menschlichen Zusammenhängen auf, so ist er nur Naboth. Aber Elias ist doch mehr als Naboth; und das offenbart sich, wenn er in Erfüllung seines prophetischen Auftrages vor die Welt hintritt. Dann schwingt in den Worten, die er spricht, eine weit über das Menschliche hinausragende Kraft mit; dann leuchtet aus seinem menschlichen Antlitz ein Glanz und Feuer hervor, als stände eine Welt in Flammen; dann wächst die menschliche Gestalt ins Geistig-Riesenhafte, ist wie von einer Wolke und Atmosphäre von Kraft umgeben, so daß man ihn auch dann noch zu sehen meint, wenn er schon wieder seiner Wege gegangen ist. Es gehörte eine ganz besondere, das Übersinnliche mit durchschauende Wahrnehmungs- und Erkenntnisfähigkeit dazu, um zu wissen, daß Naboth und Elias ein und derselbe waren. Man kannte Naboth, den stillen, bescheidenen Galiläer, und man kannte, sei es, daß man ihn selbst einmal gesehen oder nur von ihm gehört hatte, den Propheten Elias, der wie ein Wetter und eine Naturgewalt einherfuhr. Wer konnte wissen, daß Naboth der Träger dieses Geistes war, der Turm, aus dessen Fenstern zu Zeiten jener lodernde Feuerbrand hervorschlug?
aus «Könige und Propheten»; S.182f
° zu den entsprechenden hebräischen Begriffen siehe Deutsch-Hebräisch
a] vgl. R.Steiner zu Elias-Naboth
https://wfgw.diemorgengab.at/zit/WfGWzit002580182.htm