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Neudenken:
Ruhen im Göttlichen
1 16. O du Ort wahrer Ruhe! Nicht zu Unrecht habe ich dich als Ruhekammer bezeichnet. Hier schaut man Gott nicht wie im Zorn erregt oder wie von Sorgen zerrissen, sondern hier erweist sich sein Wille als gut,[a] als wohlgefällig und vollkommen. Diese Schau schreckt nicht, sondern beruhigt voll Milde; sie weckt keine unruhige Neugier, sondern stillt; sie ermüdet nicht die Sinne, sondern läßt sie zur Ruhe kommen. Hier ruht man wirklich. Der stille Gott erfüllt alles mit Stille [b] und ihn in seiner Ruhe schauen, heißt selbst ruhen. Es heißt den König schauen, wenn er sozusagen seine täglichen Amtsstunden als Richter in Streitsachen beendet und die Menge von sich fortgeschickt hat; wenn er alle lästigen Sorgen von sich abstreift und eine Bleibe für die Nacht sucht,[c] eine Ruhekammer, in die er nur wenige mitnimmt, die er einer solchen intimen Nähe und Vertrautheit für würdig hält. Da ruht er nun, um so sorgenfreier, je zurückgezogener; da gibt er sich umso heiterer, um so sorgenfreier, je zufriedener sein Blick nur solche sieht, denen seine Liebe gilt.[d]
2 Wenn einmal einer von euch in einer glücklichen Stunde in dieses geheime Gemach und in dieses Heiligtum Gottes entrückt wird, dann ist er dort geborgen. Nichts lenkt ihn dort ab und verwirrt ihn; kein umherschweifender Sinn, keine quälende Sorge, kein nagendes Schuldbewußtsein, und selbst nicht die Phantasie, die noch schwerer zum Schweigen zu bringen ist, behelligt ihn mit ihren plastischen Bildern. Wer von dort zu uns zurückkommt, kann sich rühmen und sagen: «Der König hat mich in seine Ruhekammer geführt» (Hld. 1,4).
3 Ich möchte nicht ohne weiteres behaupten, hier handle es sich bereits um jene Ruhekammer, über die die Braut in Jubel ausbricht. Jedenfalls ist es eine Ruhekammer, und eine Ruhekammer des Königs. Und von den drei Orten, die wir mit drei verschiedenen Arten der Schau in Verbindung gebracht haben,[e] ist nur dieser Ort wirklich von Frieden erfüllt (Ps 76,3).
4 Es ist nun deutlich gezeigt worden, daß am ersten Ort wenig und am zweiten Ort gar keine Ruhe zu finden ist, denn am ersten Ort erscheint Gott als Wunderbarer, der unserer Wißbegier eine Menge Fragen und Aufgaben stellt, und am zweiten Ort erscheint er als Furchterregender, der uns in unserer Schwachheit beben läßt. Aber an diesem dritten Ort zeigt er sich nicht mehr als Furchterregender oder Wunderbarer, sondern als Liebenswerter, in Heiterkeit und Stille, in Süße und Milde, voll Erbarmen für alle, die ihn erblicken.
Bernhard von Clairvaux
in der 23. Predigt über das Hohelied (Cant.)
aus «Bernhard von Clairvaux»; S.224f
GOTTES ist der Orient!
Gottes ist der Okzident!
Nord- und südliches Gelände
Ruht im Frieden seiner Hände.[f]
Johann Wolfgang v.Goethe
Beginn von „Talismane” im «West-östlichen Divan»
aus «Goethe Werke Bd.1»; S.239
Unsere Anmerkungen
a] vgl. „Du willst
b] siehe Hinabflug in die Urstille
c] Seine Ruhe findet jeder bewegend-bewegte Entwicklungszustand (Manwantara) in seinem spezifischen Pralaja (vgl. Mbl.6: Anm.><).
d] siehe auch «E+E»: „Du schenkst
e] Der erste Ort könnte etwa als imaginierter (vgl. Mbl-B.33a) bezeichnet werden, der zweite als inspirierter (vgl. Mbl-B.33b) und der dritte als intuierter (vgl. Mbl-B.33c). Die ersten beiden Methoden der Schau wenden das jeweils relative Werden an, die dritte das absolute Sein.
f] In diesen von Sufimystik angehauchten Zeilen mag ein Echo der Lehre des Empedokles mitschwingen.
https://wfgw.diemorgengab.at/tzn202409.htm