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Neudenken:
Das erste Nein
1 Diese Geste [a] war das erste Nein im Kosmos. Du mußt denken, daß es vorher im Kosmos keinerlei Verneinung gab. Mit dem ersten Zurückweisen des Opfers kam das Nein in die Welt, es kam dadurch etwas völlig Neues in den Kosmos. Im Bilde gesprochen ist dadurch ein Riß entstanden. Durch diesen Riß und aus diesem Nein heraus ist etwas ausgeströmt, was die Substanz, die vor dem Nein lag, verwandelt hat. Dadurch kamen Kräfte in den Kosmos hinein, die durch ihre Existenz, wenn sie etwas berühren, die Dinge vermodern lassen.
[...]
Es bedeutet, daß ein Objekt gezwungen wird, aus seiner Richtung, aus seiner Grundgebärde, aus seiner Intention herauszukommen und stehenzubleiben. Denn wenn Du ein Opfer annimmst, bleibt das Opfer oder seine Substanz in Bewegung.[b] In dem Moment, in dem Du ein Opfer nicht annimmst, kann es nicht dem Willen folgen, der dahintersteht. Seine Bewegung wird abgebremst. Das ist gestauter Wille. Wenn seine Bewegung abgebremst wird, verwandelt sich seine Energie und beginnt, in dem Objekt selber zu arbeiten. Dadurch verändert es sich, und diese Form der Veränderung erzeugt eine Eigenwärme, die nicht mehr der umliegenden Gesamtwärme entspricht. Und insofern beginnt eine Art Vermoderungsprozeß - ein solcher ist immer ein Wärmeprozeß. Verrottung ist ein Wärmeprozeß und auch im Physischen wird die Rotte heute für Energieerzeugung verwendet. Damals entstand diese Wärme, weil die Bewegung des Willens gebremst worden ist. Und in diesem Moment war alles anders.
[...]
Das erste Stehenbleiben war der Keim von allem, was man später das Böse genannt hat, und dazu gehört auch die Lüge. Alles ist daraus geworden. Später hat sich das Böse selbstverständlich weiterentwickelt, ist aktiv geworden.[c] Das Böse hatte ja immer Willensenergie. Der Wille bekommt ein Eigenleben.[d] Alles dies geschah, bevor es die Sprache gab. Insofern können wir uns mit diesen Worten nur annähernd dem nähern, was damals geschah.
Etschewit
in »Flensburger Hefte« Nr.105; S.88f
2 Im Wettstreit, so erzählt das Brahmana der hundert Pfade, lagen einst Götter und Dämonen. Da sprachen die Dämonen: »Wem mögen wir wohl unsere Opfergaben bringen?« Sie legten alle Gaben in den eigenen Mund. Die Götter aber legten die Gaben einander in den Mund. Und da gab Pradschapati [e], der Urgeist, sich den Göttern.
Martin Buber
aus «Ich und Du»; S.74f
3 Jetzt [f] aber saß Ilúvatar und lauschte, und lange schien es ihm, daß es gut sei, denn die Musik war ohne Fehl. Wie aber das Thema weiterging, kam es Melkor in den Sinn, Töne einzuflechten, die er selbst erdacht hatte und die nicht zu Ilúvatars Thema stimmten, denn er strebte nach mehr Glanz und Macht für die ihm zugewiesene Stimme. Melkor waren unter den Ainur die reichsten Gaben an Macht und Wissen verliehen, und an allen Gaben seiner Brüder hatte er teil. Oft war er allein in die Räume der Leere gegangen, um die Unverlöschliche Flamme zu suchen, denn heiß war sein Verlangen, Dinge in die Welt zu setzen, die sein eigen wären, und es schien ihm, daß Ilúvatar sich nicht um die Leere kümmerte; er aber war es nicht zufrieden, daß sie leer war. Doch er fand nicht das Feuer, denn es ist bei Ilúvatar. Als er aber allein war, hatte er begonnen, eigene Gedanken zu denken, andre als seine Brüder.
Manche von diesen Gedanken flocht er nun in sein Lied, und Mißklang wuchs um ihn auf, und viele, die nahe bei ihm sangen, wurden unmutig; ihre Gedanken verwirrten sich, und ihr Gesang stockte; manche aber begannen sich auf ihn einzustimmen und von ihrem ersten Gedanken abzuweichen. Nun breitete sich Melkors Mißklang noch weiter aus, und die Melodien, die man zuvor gehört, scheiterten in einem Meer wirrer Töne. Ilúvatar aber saß und lauschte, bis daß es schien, ein Sturm dunkler Wasser tobe um seinen Thron, die in endlosem, unversöhnlichem Haß einander bekriegten.
John Ronald Reuel Tolkien
aus "Ainulindalë" in «Das Silmarillion»; S.22
Unsere Anmerkungen
a] das Ablehnen des einem Wesen dargebrachten Opfers (zB. das der Throne) durch dieses Wesen
b] vgl. R.STEINER am 31.X.1911 in «GA 132»; S.15ff
c] vgl. Mbl.16
d] daher im Vaterunser: „Dein Wille geschehe” (vgl. Mbl.5a)
e] engl. Prajapati, der „Herr der Geschöpfe”
f] vorher in »TzN Jän.2012« und vgl. «Das Wegkind»: 8.Garn
https://wfgw.diemorgengab.at/tzn200911.htm