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Neudenken:
Anmassung
Aus Anlass des Jahres der Astronomie liest man im ‹Himmelsjahr› (dem vom Kosmosverlag herausgegebenen populären astronomischen Jahrbuch) einen Artikel, der dem Menschen ein klares Bewusstsein von seiner Stellung im All geben soll. Da wird zunächst wiederholt, wie winzig und dezentral Mensch,[a] Erde, Sonne und Sonnensystem im Vergleich zum Weltall mit seinen Milliarden von Galaxien sind und wie kurz alles menschliche Dasein im Vergleich zu den 14 Milliarden Jahren ist,[b] die von den Astronomen als Alter der Welt berechnet wurden.
Und nun beginnt die Klage: «Auch wenn die Heimat der Menschheit an einem x-beliebigen Ort im Universum liegt, so sieht man sich immer noch als Krone der Schöpfung an und meint, das gesamte Weltall mit all seinen Gestirnen sei eigens für uns geschaffen. Ein tragisches Vorurteil.»[c] Dann kommt es ganz massiv: «Die Kränkung der eitlen Menschheit,[d] die nicht wahrhaben will, nur eine kurze und belanglose Episode in der Milliarden Jahre langen Geschichte des Universums zu sein, ist enorm. Fanatisierte Glaubensfundamentalisten bedrohen auch heute noch Mitmenschen mit Folter und Tod, zünden Bomben und werfen Sprengkörper, wenn sie nicht deren abstruse Gedankengebäude akzeptieren und ihre Regeln befolgen.»
Und schließlich geht es zum Resümee: «Im Angesicht der Sternenwelt sollte uns klar werden, wie bedeutungslos unsere Existenz in den ungeheuren Dimensionen des Kosmos ist und wie töricht unsere täglichen kleinlichen Streitereien sind.»[e]
Man darf solche Behauptungen nicht als eine ‹Meinung unter anderen› abtun, denn sie sind mit der Autorität der Naturwissenschaft gerüstet und gehen mit ihrer Forderung auf allgemeine Anerkennung so weit, dass sie Andersdenkenden Ignoranz, Anmaßung, ja Intoleranz und Gewaltbereitschaft vorwerfen.[f]
Was bedeutet es aber, wenn dieses Weltbild, das dem Menschen jede Weltbedeutung abspricht, ernst genommen wird, vor allem, wenn es von der Jugend ernst genommen wird oder wenn es mehr oder minder unbewusst in ihre Seelen einsickert? Es werden bestimmt nicht Idealismus und Verantwortungsbewußtsein geweckt, die heute so nötig sind, vielmehr werden Fatalismus, Opportunismus und reiner Egoismus als konsequente Lebenshaltung gerechtfertigt. Es ist ja letztlich ganz egal, was man tut, also kann man sich auch ausleben. Und für die ganze Menschheit ist dann als Motto gerechtfertigt: «Lasst uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot!»
Wenn die wissenschaftliche Autorität im Resümee glaubt, dass die Einsicht in die eigene Bedeutungslosigkeit die Menschen zu Friedfertigkeit führt, so gleicht sie einem unfähigen Lehrer, der seinen Schülern zuruft: «Ihr seid völlig unwichtig; darum seid wenigstens brav!»
Hermann Bauer
in »das Goetheanum« 21·2009; S.1f
Unsere Anmerkungen
a] Die vom Zentrum der Milchstrasse weit entfernte Bahn seines Planeten verschafft dem Menschen überhaupt erst den kosmischen Überblick.
b] wenn man naiverweise die Reinkarnation (vgl. Mbl.8) ausser acht lässt
c] Physisch vollkommen an die gerade nicht x-beliebigen Erdenverhältnisse angepasst, schafft sich der Mensch das ihn umgebende Weltall als Inhalt seiner Gedanken, und offenkundig reichen seine Gedanken unermesslich weiter als seine derzeitigen Gliedmassen samt deren technischen Fortsätzen; diese Gedanken wachsen mit seiner Entwicklung, und damit wächst sein Begreifen. Das krasse Vorurteil besteht vielmehr darin, dies nicht erkennen zu wollen, getrieben von der unwissenschaftlichen, dennoch lautstark propagierten Meinung, der Mensch sei das Ergebnis seiner physisch-materiellen Entwicklung (vgl. Mbl-B.26).
d] Schon Sigmund Freud sprach menschenverachtend pessimistisch von der grossen „narzistischen Kränkung” des modernen Menschen.
e] Wohl sind die auch in naturwissenschaftlichen Kreisen weitverbreiteten Streitereien töricht, wenngleich oft verständlich, nicht jedoch wegen der paradox hoffärtigen Behauptung, „wie bedeutungslos unsere Existenz” sei, sondern gerade wegen der Bedeutung der Erkenntnisfähigkeit, um die der Mensch eben ringt.
f] Vorwurf, der angesichts von menschenverachtenden Experimenten, Vivisektion und anderen „wissen-schaftlichen” Ungeheuerlichkeiten ziemlich uneinsichtig anmutet (Mangelnde Einsicht ist kein Merkmal wissenschaftlicher Gesinnung oder auch nur Haltung.)
https://wfgw.diemorgengab.at/tzn200906.htm