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Zitatensammlung
Teil 2
Zitat von Philip KOVCE zu
WAHRHEITSFINDUNG und WILLENSBILDUNG
1 Wer aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse Impfungen oder Klimaschutz erzwingen beziehungsweise Homöopathie-Erstattung oder Glyphosat-Ausbringung verbieten will, der bedient sich eines politischen Taschenspielertricks. Er beruft sich auf die Wissenschaft, deren vermeintlich eindeutige Erkenntnisse er als gleichbedeutend mit politischen Forderungen ansieht und infolgedessen mir nichts, dir nichts exekutieren will.
[...]
2 Wissenschaft ist darauf angewiesen, der Wahrheitsfindung dienen zu können. Wer sie stattdessen zur Mehrheitsfindung missbraucht, der sägt unweigerlich am Baum der Erkenntnis. Damit dieser wachsen und gedeihen kann, müssen Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre - wie es im deutschen Grundgesetz so schön heißt - frei sein.
[...]
3 Womit wir bei der Aufgabe der Politik wären. Sie besteht gerade nicht in der Wahrheitsfindung, sondern in der Willensbildung. In einer freien Gesellschaft gleicher Bürger ermöglicht sie die andauernde Abstimmung öffentlicher Anliegen. Wer diese Auseinandersetzung auf Augenhöhe mit den anderen scheut und stattdessen lieber Einsichten aus dem Elfenbeinturm als höherstehende Gebote ausgibt, der betreibt letztlich eine Politik der Politikvermeidung und diskreditiert die deliberative Demokratie.
4 Die Popularität derartiger Politikverhunzung und Wissenschaftsverstümmelung hängt nicht zuletzt mit zwei akuten Problemen zusammen: dem Relevanzdefizit der Wissenschaft sowie dem Legitimationsdefizit der Politik.
5 Der drittmittelgetriebene ‹homo academicus› der peer-reviewten Häppchenforschung [a] erhofft sich mittels Politisierung seines Spezialwissens ungeahnte Relevanzressourcen zu erschließen. Nicht anders das postdemokratische ‹zoon politikon›, das seine Forderungen als Ergebnisse wissenschaftlicher Forschungen verkauft - in der Hoffnung, vom Objektivitätsanspruch der Wissenschaft subjektiv zu profitieren.
6 Tragisch ist dies insofern, als es auch den Blick darauf verstellt, wie Wissenschaft und Politik eigentlich zusammenhängen. Beide, Wissenschaft und Politik, leben von Voraussetzungen, die sie selbst nicht garantieren können: Die Wahrheitsfindung der Wissenschaft bedarf politischer Freiheit ebenso wie die politische Willensbildung wissenschaftlicher Erkenntnis. Wahrheitsfindung ohne Freiheit endet in Ideologie;[b] Willensbildung ohne Erkenntnis in Willkürherrschaft.
in »Das Goetheanum« 21·2020; S.15
zuvor im Deutschlandfunk
a] vgl. J.Ortega y Gasset zum Expertentum
b] siehe Ideologiekritik
https://wfgw.diemorgengab.at/zit/WfGWzit660000017.htm