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Neudenken:
Worte als Laute
1 Das Wort als solches ist heute zur Magd des Begriffes geworden. In seinem Eigenleben ist es ausgelöscht.
2 "Es dient der Verständigung im sozialen Leben ... und der Mitteilung des logisch-intellektuell Erkannten. Nach beiden Seiten hin verliert das Wort seine Eigengeltung. Es muß sich dem 'Sinn' anpassen, den es ausdrücken soll. Es muß vergessen lassen, wie im Ton, im Laut,[a] und in der Lautgestaltung [b] selbst eine Wirklichkeit liegt. Die Schönheit, das Leuchtende des Vokals, das Charakteristische des Konsonanten verliert sich aus der Sprache. Der Vokal wird seelen-, der Konsonant geistlos. Und so tritt die Sprache aus der Sphäre ganz heraus, aus der sie stammt, aus der Sphäre des Geistigen. Sie wird Dienerin des intellektuell-erkenntnismäßigen, und des geist-fliehenden sozialen Lebens. Sie wird aus dem Gebiet der Kunst ganz herausgerissen.
3 Wahre Geistanschauung fällt ganz wie instinktiv in das 'Erleben des Wortes'. Sie lernt auf das seelengetragene Ertönen des Vokals [c] und das geistdurchkraftete Malen des Konsonanten [d] hin empfinden. Sie bekommt Verständnis für das Geheimnis der Sprach-Entwicklung. Dieses Geheimnis besteht darin, daß einst durch das Wort göttlich-geistige Wesen zu der Menschenseele haben sprechen können, während jetzt dieses Wort nur der Verständigung in der physischen Welt dient." (6)
4 Das alles hängt damit zusammen, daß der Vorstellungs- und Lautgehalt des Wortes heute auseinanderfallen und vor allem der letztere nicht mehr bewußt erlebt wird. Kinder haben allenfalls noch eine Freude am Wort-Klang. Wenn der Erwachsene den Klang fremder Worte hört, deren Sprache er nicht kennt, dann wird er sogleich nervös und schreit nach der Begriffsbedeutung.[e] Das Wort als Wort kann ihn nicht interessieren, wenn er nicht sogleich weiß, "was es heißt". Dem steht gegenüber das unverstandene Wort als leere Phrase. In abstrakte Begriffe und hohle Phrasen fällt das lebendige Wort auseinander. Das Wort als Leiblichkeit, in der ein Geistig-Wesenhaftes sich verkörpern will, wird verhärtet, und das Begriffliche wird verdünnt und verflüchtigt, unfähig mit dem Wortleib sich zu verbinden.
[...]
5 Wie sich das Wort asthmatisch verengt, kann uns deutlich werden, wenn wir es sich nicht äußern lassen in seiner Eigengestalt, sondern wenn es nur fronen soll als Sklave des Begriffes. Das Wort als Wort will aber auch etwas sagen. Und seine Sprache, die Sprache der Laute, will sich in Freiheit verbinden, will frei zusammenklingen mit der Sprache des Begriffes. Wo es das nicht darf, da rächt es sich und wirft den Begriffsherrn ab - die Menschheit verliert mit dem Wort auch das Denken! Wo das Wort sich mit dem Begriff in Liebe verbinden kann, da verherrlicht es ihn und offenbart ihn als Geist! Deshalb ist es eine geist-'soziale' Aufgabe gegenüber dem Worte, die unserer Zeit gestellt ist, daß wir das Wort in seiner Sprache, in der Sprache der Laute mehr und mehr verstehen lernen.
S.1ff
6 [Steiner, R.:] «Mein Lebensgang» 28; S.438f
S.493
Ernst Moll
aus «Die Sprache der Laute»
a] siehe R.Steiner zum Charakter der einzelnen Laute
b] die von Phonetik und Phonologie untersucht wird
c] Beim Vokalisieren wird der durch Glottis (Stimmlippen mit zugehörigen Stellknorpeln) und Mundhöhle geblasene Ausatmungsstrom lediglich von den Lippen zu Selbstlauten geformt.
d] Beim Konsonantieren wird der Ausatmungsstrom zusätzlich mithilfe von Zunge und Zähnen plastisch zu Mitlauten gebildet.
e] Gelegentlich „baden” Frau und Mann aber auch gern in den Sprachklangwogen zB. einer Italianità.
https://wfgw.diemorgengab.at/tzn202503.htm