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Neudenken:
Raum und Gegenraum
Von einem Berg schaute ich nach Sonnenuntergang in die dämmerige Landschaft. Die Farben der Dächer hatten bereits in dem wenigen verbleibenden Licht ihre rötliche Farbe verloren, aber in Schemen waren Bäume, Straßen und Felder klar von einander zu trennen. Die Landschaft zeigte auch in der fortgeschrittenen Dämmerung noch ihr Bild und gleichzeitig glimmten bereits am Nachthimmel die helleren Sterne auf und ließen die bald folgende Fülle der Sterne erahnen.
Oft sind die wichtigsten Entdeckungen zugleich auch die einfachsten: Unten sah ich die Straßen und Grenzen der Felder und oben die Sternenlichter; unten waren es Geraden, die sich kreuzten, und oben einzelne Sternpunkte, die Verbindungslinien ermöglichten. Aus meiner vieljährigen Beschäftigung mit der Projektiven Geometrie [a], sei es im persönlichen Studium oder als Mathematiklehrer mit den Oberstufenschülern oder später in der Lehrerausbildung, war mir dieser Gegensatz von Punkt und Gerade vertraut. Zu diesem polaren Erscheinungsbild in Punkt und Gerade gehört in erster Linie, daß Geraden Punktgebiete [b] einschließen können. Es ist offensichtlich, daß hier Punktgebiet neben Punktgebiet liegt. Ganz anders oben am Nachthimmel: Hier begrenzen die Punkte einzelne Strahlenbereiche [b]. Diese Vorstellung ist uns wenig vertraut. Wer bei drei Punkten die verschiedenen Strahlenbereiche untersucht, stellt fest, daß sie sich im Gegensatz zu den Punktgebieten durchdringen. Aus dem übersichtlichen Nebeneinander in der räumlichen irdischen Welt wird am Sternenhimmel ein Ineinander, wobei die Gebiete jeweils umhüllenden Charakter besitzen. So wird auf geometrischer Ebene anschaulich, was für die übersinnliche Welt in der bekannten Charakterisierung von «Wesen in Wesen» statt dem irdischen «Wesen an Wesen» gilt.
Während wir gewöhnlich die Sterne der einzelnen Sternbilder durch Linien verbinden und die Gestalt als das Sternbild verstehen, regt die Projektive Geometrie dazu an, die einzelnen Sternansammlungen als jeweils einen Organismus verschiedener ineinandergreifender Hüllen zu verstehen.[c]
Georg Glöckler
aus «Sternkalender Ostern 2007/2008»; S.120
Unsere Anmerkungen
a] Die projektive Geometrie ist aus der perspektivischen Darstellung räumlicher (dreidimensionaler) Gegenstände in der Ebene (zweidimensional) entstanden. Im Gegensatz zur gewöhnlichen (euklidischen) Geometrie, gibt es in ihr keine Parallelen.
b] Punktgebiet und Strahlenbereich bilden gemeinsam die ganze Ebene und werden auch „Kern” und „Hülle” genannt.
c] Dies lässt auch den paradoxen Umstand begreifen, dass die einzelnen Sterne eines Sternbilds unterschiedlich weit von der Erde entfernt sind, das Sternbild also nicht räumlich vorzustellen ist.
https://wfgw.diemorgengab.at/tzn200812.htm