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Wasserläufe

 

Wo immer das Wasser auftritt, zeigt es das Bestreben, in die Kugelform zu gehen. Es hüllt die ganze Erde als sphärischen Weltenkörper ein und umgibt auch jeden Gegenstand mit einer dünnen Hülle. Als Tropfen fallend, schwingt das Wasser um die Form der Kugel, oder als Tau in einer klaren Sternennacht abgeschieden, verwandelt es ein unscheinbares Wiesenstück in einen Sternenhimmel funkelnder Wassersphären.

Wo wir das Wasser in Bewegung sehen, sucht es ein tieferes Niveau auf, der irdischen Schwere folgend. Zunächst ist es also irdische Gesetzmäßigkeit, welche es zum Fließen bringt, seiner sphärischen Form entfremdet und die es veranlaßt, sich mehr oder weniger linear auf ein Ziel hin zu bewegen. Jedoch strebt das Wasser danach, seine Form der Sphäre zurückzufinden. Zwischen dieser ihm eigenen Form der Sphäre und dem Zug der irdischen Schwerkraft ergeben sich dem Wasser vielfältige Möglichkeiten eines rhythmischen Ausgleichs. Dieses Bewegungsspiel mit seinem Reichtum an Formen soll in den folgenden Abschnitten behandelt werden.

Eine Sphäre ist stets ein Ganzes, und so wird auch das Wasser immer ein organisches Ganzes zu bilden suchen, indem es Getrenntes verbindet und in Kreisläufen zusammenschließt. In einem Kreislaufsystem kann nicht von Anfangs- und Endpunkt gesprochen werden, vielmehr hält alles innerlich zusammen und steht in wechselseitigen Beziehungen zueinander. Das Wasser ist das Element der Kreisläufe schlechthin. Verletzt man Lebenskreisläufe,[a] so wird damit eine Ganzheit angegriffen und die lineare Kette von Ursache und Wirkung als anorganische Gesetzmäßigkeit in Bewegung gesetzt.

Zu den meistgenannten Kreisläufen des Wassers zählt derjenige durch die Aggregatzustände. Von den Meeren, Seen und Flüssen in die Luft aufsteigend, kreist es mit dieser in den großen atmosphärischen Strömungen rund um die Erde. Wo es in kühlere Zonen eintritt, etwa beim Aufstieg an Gebirgen, zieht es sich zu Wolken zusammen und fällt als Tau, Regen, Schnee oder Hagel zur Erde zurück. Aber nur ein kleiner Teil - etwas mehr als ein Drittel der gefallenen Niederschläge - tritt seinen Weg in die Bäche und Flüsse, zum Meere hin an. Der Rest löst sich in der Atmosphäre erneut auf und zieht weiter auf den großen Wanderwegen der Tiefdruckgebiete oder sonstiger Luftstromsysteme. So durchläuft das Wasser einen Kreis, vom Flüssigen über den Dampf zum Flüssigen zurück, den es etwa 34 mal im Laufe eines vollen Jahres wiederholt. Ob in den Flüssen dem Meere zueilend, ob von Luftströmungen getragen oder als Niederschlag auf die Erde fallend - stets befindet es sich auf einem Wege, an irgendeiner Stelle eines seiner kleinen oder großen Kreisläufe. In dem Meere scheinbar an sein Ziel gekommen, wird es von den großen Stromsystemen der Ozeane aufgenommen, in denen es weiterkreist, an deren Oberfläche oder auch in der Tiefe. Räumlich ins Riesenhafte ausgedehnte Kreislaufsysteme erfüllen die Tiefen der Meere. Welches Ausmaß diese großräumigen Kreisläufe haben, zeigt die Tatsache, daß die Meere etwa 71 % der Oberfläche des Erdplaneten einnehmen. Bis zum Punkt seiner größten Dichte bei 4 Grad C [b] abgekühltes Wasser (bei Salzwasser etwas modifizierte Verhältnisse) sinkt ab, wärmeres Tiefenwasser steigt dafür an die Oberfläche. Auf dem Grunde des Meeres wälzen sich die abgesunkenen Wassermassen von den Polarzonen äquatorwärts weiter, um an ferneliegenden Stellen schließlich wieder nach oben zurückzukehren.[c] Jedes Gewässer hat seinen Kreislauf, jeder See und auch jeder natürliche Fluß, [...]

Die Pflanzenwelt hat in besonderem Maße teil an den großen Kreisläufen des Wassers. Selbst vorwiegend aus Wasser bestehend, ergießt sich ein riesiger Strom von Transpirationswasser aus den Wiesen, Feldern und Wäldern in die Lufthülle. Ein Waldstück von der Größe eines Hektars wird an einem Sommertag von einem Wasserstrom von 40 000 Liter durchzogen, welcher in die Atmosphäre einmündet. So hat die Pflanzenwelt unmittelbaren Anteil an den großen Lebensvorgängen des Erdorganismus. Ja, sie ist selbst wichtigstes Glied und Organ dieses Organismus, ein Wegstück des großen Kreislaufs des Wasser über und um die ganze Erde. Deshalb kann man aber auch von einem selbständigen Kreislauf der Pflanze nicht sprechen. Was als Saftstrom in der Pflanze sichtbar wird, ist nur die eine Hälfte ihres Gesamtkreislaufes, die andere liegt in der Atmosphäre bzw. in der Erde. Die Pflanzen sind Gefäßsysteme, durch welche das Wasser, das Blut der Erde, strömt und mit der Atmosphäre im Austausch steht. [...]

Was hier im Großen ausgebreitet erscheint, nehmen Tier und Mensch als eigenen Kreislauf in sich hinein. Sie schließen, was für die Pflanzenwelt auf der Erde ausgebreitet kreist, in sich auf kleinem Raum zusammen, wo es in ebensolchen Rhythmen und nach ebensolchen Gesetzen wie das Wasser draußen in der Natur sich bewegt.

Theodor Schwenk
in «Das sensible Chaos»; S.11ff

Unsere Anmerkungen

a] vgl. »TzN Mär.2006«
b] vgl. WfGW-Formelsammlung: F5
c] Zusätzlich versickert Wasser im Meerboden-Untergrundgestein, wo es aufgeheizt wird und dann kochend aus Sedimentkegeln, sogenannten schwarzen Rauchern, herausschiesst.

Anhang: Wirbelbildung

red.8.V.2007
WfGW, 1220 Wien / AT