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Nachdenken:
Simon und Viktor
Hygiene und Therapie
Simon ist nun gegangen, der Gewichtende. 1908 in Buczacz geboren, damals Österreich-Ungarn, war er 1941 als junger jüdischer Architekt zu Lemberg mitsamt seiner eben Angetrauten aus bürgerlichem Dasein in die Konzentrationslagerwelt gerissen worden - beide überlebten voneinander getrennt. Danach hatte er sein Leben der Suche nach Gerechtigkeit gewidmet, nicht der Rache.
Nach seiner Befreiung am 5.Mai 1945 arbeitete er mit dem US War Crimes Office zusammen. Ihn leitete die düstere Erkenntnis, das Andenken an die unschuldig Ermordeten nur wahren zu können, indem die Täter/innen vor Gericht gestellt würden. Tragischerweise konnte er dies nur dank der selbstgerecht massenmordenden Atombombennation USA in die Tat umsetzen, unter gelegentlicher Beihilfe der stalinistisch mörderischen Sowjetunion. Um einer Art makrosozialen Hygiene zu dienen, begründete er 1947 das „Zentrum für jüdische historische Dokumentation” in Linz (amerikanische Besatzungszone), dann 1961 das „Dokumentationszentrum” in Wien. Insbesondere in Österreich trug er namhaft dazu bei zu verhindern, dass die Geschichte ab 1938 verdrängt wurde. Allerdings war Simon vielen ein Stachel im dicken Fell, und seine mahnenden Worte wurden oft nicht zur Kenntnis genommen; er musste es sogar erleben, angefeindet, ja verleumdet zu werden. Doch hielt ihn das nicht davon ab, bis zum Ende seines Lebens für jene Gerechtigkeit zu kämpfen, die sich ihm aus seinem eigenen unvorstellbaren Leiden und dem der Anderen ergeben hatte.
Simon sagte einmal: „Wenn wir einst in die andere Welt kommen, werden uns die Millionen, die in den Lagern ermordet wurden, fragen: ,Was habt ihr in eurem Leben gemacht?' Auf diese Frage wird es viele Antworten geben. Du wirst sagen: ,Ich wurde Juwelier'. Ein anderer wird sagen: ,Ich habe mir ein schönes Haus eingerichtet'. Ich werde sagen: ,Ich habe euch nicht vergessen'.”
Viktor war vorher gegangen, der Heilende. 1905 in Wien geboren, war er 1942 als junger jüdischer Psychiater ebenda mitsamt seinen Eltern aus bürgerlichem Dasein in die Konzentrationslagerwelt gerissen worden - er überlebte allein. Danach hatte er sein Leben der Suche nach dem Sinn gewidmet, nicht der Rache.
Nach seiner Befreiung am 27.April 1945 redete er bald der Versöhnung das Wort und lehnte die Idee einer Kollektivschuld aller rundweg ab. Ihn leitete die erschütternde Erkenntnis, sich angesichts seines grauenvollen Zustands innerhalb der verrohten mitteleuropäischen Menschheit „aufhängen zu müssen”, wenn es ihm nicht gelänge, einen Sinn (Logos) im Lebenslauf zu finden und weiterzuverfolgen. Als Vorstand der Neurologischen Poliklinik in Wien seit 1946 sowie als Professor an der Wiener Universität ab 1955 entwickelte er eine neue Heilmethode auf psychoanalytischer Grundlage, die sogenannte Logotherapie. Vor allem in den USA, wohin er zu Gastprofessuren berufen wurde, hörte man ihm gerne zu. Manchem Unverständnis zum Trotz gelang es Viktor in unermüdlichem Einsatz, den Menschen, die es hören wollten, die Botschaft von der sinnvollen Aufgabe im Lebenslauf nahezubringen, um derentwillen auch zu leiden sich durchaus lohne. Aus überdeutlicher Selbstwahrnehmung konnte er die Anderen aus ihrer Fehlwahrnehmung geleiten.
Viktor schrieb einmal: „Es gibt nichts auf der Welt, das einen Menschen so sehr befähigte, äußere Schwierigkeiten oder innere Beschwerden zu überwinden, als das Bewußtsein, eine Aufgabe im Leben zu haben.”
Dem Formkünstler war das Aufrütteln der Menschen wesentlich, dem Heilkünstler deren Sinnfindung, weil der eine das Schuldigwerden in den Mittelpunkt seiner akribischen Forschungen gestellt sah, der andere das Krankwerden. Beide jedoch brachten den gewaltigen Mut auf, in Finsternis und Vernichtung an Licht und Lösung zu glauben. Lähmenden leiblichen Schmerz und niederdrückende seelische Pein verwandelte ihr eigenwillig liebender Geist aus freier Initiative (vgl. Mbl.9) in lebenslanges Bemühen, den Menschen gerecht zu werden oder sie zu heilen - dem hasserfüllten „Kampf ums Dasein” (vgl. Mbl-B.26) sind sie nicht verfallen. Auf diese Weise haben Simon und Viktor von Wien aus uns Nachkommenden die beiden Wege neu gebahnt, auf welchen die Hoffnung jeder Entwicklung ruht: den des Ausgleichens und den des Gesundens.
cm.jansa
Einige unserer Quellen
haGalil: Wiesenthal
Simon Wiesenthal Center
Viktor Frankl Institut
WikipediA: Simon Wiesenthal und Viktor Frankl
https://wfgw.diemorgengab.at/tzn200510.htm