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Zitatensammlung
Teil 1
Zitat von Rudolf STEINER zum
SEPHIROTH-BAUM
עץ הספרות
1a Nun wollen wir uns [Arbeiter am Goetheanumbau] heute einmal klarmachen, was die alten Juden mit diesem Sephirothbaum eigentlich gemeint haben. Nicht wahr, sie dachten sich das so: Der Mensch steht da in der Welt, aber die Kräfte der Welt wirken von allen Seiten auf ihn ein. [...]
1b Nun haben die Juden gesagt: Zunächst wirken drei Kräfte auf den menschlichen Kopf - [...] -, drei Kräfte auf die menschliche Mitte, auf die Brust, auf die Atmung und die Blutzirkulation hauptsächlich. Dann wirken drei Kräfte mehr auf die Gliedmaßen des Menschen, und eine zehnte Kraft, die wirkt von der Erde aus auf den Menschen. Also zehn Kräfte, stellten sich die alten Juden vor, wirken von außen auf den Menschen.
1c Betrachten wir zunächst die drei Kräfte, die sozusagen von den weitesten Partien, von den entferntesten Partien des Weltenalls kommen und auf den menschlichen Kopf wirken, den menschlichen Kopf eigentlich erst rund machen, wie ein Bild vom ganzen runden Weltenall machen. Diese drei Kräfte sind die edelsten; die kommen sozusagen, wenn man mit einem späteren Ausdrucke sprechen will, mit einem griechischen Ausdruck zum Beispiel, von den höchsten Himmeln her. [...]
1d [...] Krone war für die Alten der Inbegriff von alldem, was sich an Übermenschlichkeit aus der geistigen Welt in den Menschen herniederzusenken hat. Kein Wunder, daß die Könige sich die Krone aufgesetzt haben. Die waren, wie Sie wissen, nicht immer weise und haben nicht immer die höchsten Himmelsgaben in sich vereinigt, aber sie haben sich das Zeichen aufgesetzt. Und man darf, wenn so etwas nach alten Sitten ausgesprochen worden ist, das nicht verwechseln mit dem, was daraus durch Mißbrauch geworden ist. Als das Höchste, die höchsten Weltengaben, die höchsten Geistesgaben, die sich auf den Menschen niedersenken können, die er vereinigen kann mit seinem Kopfe, wenn er viel weiß, das nannte man im alten Judentum Kether, die Krone. Nun sehen Sie, das war also das Höchste. Das war dasjenige, was vom Weltenall herein geistig den Kopf formte.
1e Und dann brauchte dieser Menschenkopf noch zwei andere Kräfte. Diese zwei anderen Kräfte kamen ihm von rechts und von links zu. [...] Nun, die eine, die wie durchs rechte Ohr hineingeht, nannte man Chokmah = Weisheit. Wir würden heute, wenn wir das Wort übersetzen wollten, sagen: Weisheit. Und auf der anderen Seite kam herein aus der Welt: Binah. Wir würden heute sagen: Intelligenz.
Dornach, 10.Mai 1924 ♄ (aus «GA 353»; S.210ff)
Ergänzungen
Sephiroth-Baum nach Jizhaq Luria © 2008 by Friedhelm Wessel/WikipediA (adapted)
2a Wenn also solcherart am Rande der visionären Merkaba-Mystik auch eine Gnosis mehr theoretischer Natur bestanden hat, so gilt dasselbe auch von der Disziplin des Ma'asse Bereschith. Der hier in Betracht kommende theoretische Text, der einen Versuch mystischer Kosmogonie und Kosmologie gibt¹²⁷, hat sich (wenn auch vielleicht mit späteren Überarbeitungen und Erweiterungen) erhalten. Es ist das schon genannte Buch Jezira [ספר יזירה], das zumeist sprachlich mit den Büchern der Merkaba-Mystik ziemlich eng zusammenhängt. Sein Umfang ist sehr gering - selbst in der längsten Rezension kaum 1600 Worte. Sein Alter ist schwer zu bestimmen; es gehört irgendwo zwischen das 3. und 6. Jahrhundert. Wir haben hier den ersten Versuch spekulativen Denkens in hebräischer Sprache vor uns, der erhalten geblieben ist. Seine feierlichen, aber in wichtigen Zügen sehr unbestimmten Formulierungen scheinen teilweise aus mystischen Meditationen geboren zu sein. Kein Wunder, daß seine pompöse Vieldeutigkeit, seine zugleich lapidare und orakelhafte Vortragsart, Philosophen und Kabbalisten im Mittelalter in gleicher Weise die Möglichkeit gab, sich darauf zu berufen.
2b Das Büchelchen handelt von den Elementen der Welt. Als solche sieht es die zehn Urzahlen, von ihm Sefiroth [ספרות] genannt, und die 22 Buchstaben des hebräischen Alphabets an. In ihnen leben die geheimen Kräfte, durch deren Zusammentreten die verschiedenartigen Kombinationen der Schöpfung zustande gekommen sind. Dies sind die «zweiunddreißig geheimen Wege der Weisheit», auf denen Gott alles Wirkliche hervorgebracht hat. Diese Sefiroth bedeuten nicht gerade zehn Stufen; so einfach ist die Sache nicht. Sondern «ihr Ende ist in ihrem Anfang und ihr Anfang in ihrem Ende, so wie die Flamme zur Kohle gehört - schließe deinen Mund, daß er nicht spreche und dein Herz, daß es nicht urteile». Nachdem der Autor die Funktion der Sefiroth in der Kosmogonie auseinandergesetzt, das heißt aber mehr: in rätselhaften Sprüchen angedeutet hat, erklärt er die geheime Funktion aller einzelnen Buchstaben: «[Gott] ersann sie, bildete sie, stellte sie zusammen, wog sie, vertauschte sie und brachte durch sie die ganze Schöpfung hervor sowie alles, was erschaffen werden soll.»
2c Der Autor geht dann dazu über, den geheimen Sinn jedes Buchstabens zu besprechen oder, besser gesagt, in den drei Bereichen der Schöpfung, die er kennt, zu enthüllen: beim Menschen, bei der Welt der Sterne und Planeten und beim rhythmischen Ablauf der Zeit im Jahr. Ideen späthellenistischer, vielleicht sogar schon spätneuplatonischer Zahlenmystik scheinen sich hier mit originell jüdischem Denken über die Geheimnisse der Buchstaben und der Sprache zu verbinden¹²⁸. Auch die Brücke zur Merkaba-Mystik fehlt nicht. Der Autor hat in der Merkaba eine kosmologische Idee gesucht und anscheinend auch gefunden. Denn es scheint, daß für ihn die von Ezechiel beschriebenen Chajoth [חייות] in der Merkaba, das heißt die «lebenden Wesen», die die Merkaba tragen, mit den Sefiroth als «lebendigen Zahlenwesen» zusammenhängen. Es sind in der Tat besondere «Wesen», von denen gesagt wird: «Ihre Erscheinung ist wie ein Blitzlicht, und ihr Ziel ist ohne Ende; Sein Wort lebt in ihnen, wenn sie [von Ihm] kommen und wenn sie zurückkehren; auf Seinen Befehl hin eilen sie wie ein Wirbelwind und werfen sich vor Seinen Thron anbetend nieder.»
S.81f
127. Vgl. meinen Artikel «Jezira» in der E[ncyclopaedia]J[udaica], wo auch bibliographische Nachweise über die umfangreiche Literatur über das Buch gegeben sind. Die zahlreichen Übersetzungen in europäische Sprachen sind, was bei dem rätselhaften Stil des Buches nicht wundernimmt, alle mehr oder weniger phantastisch.
128. Leo Baeck hat den Nachweis zu führen versucht, daß das Buch Jezira eine jüdische Verarbeitung gewisser Grundideen des Neuplatonikers Proclus darstellt, so etwa wie die Schriften des Pseudo-Dionysus Areopagita eine christliche Bearbeitung darstellen. Vgl. M[onatsschrift für]G[eschichte und]W[issenschaft des]J[udentums], vol. 70 (1926), p. 371-376; vol. 78 (1934), p. 448-455. Obwohl diese These etwas Faszinierendes hat, scheinen mir seine Darlegungen nicht überzeugend. Einige sehr bemerkenswerte Ähnlichkeiten zwischen dem Buch Jezira und frühislamischer Gnosis sind von Paul Kraus in Jabir ibn Hayyan (Kairo 1942), vol. II, p. 266-268 hervorgehoben worden.
S.401
Gerschom Scholem
aus «Die jüdische Mystik»
3a Sefira [ספרה] heisst wörtlich: »Zahl, zählen [ספר]«, Mehrzahl: Sefirot, und ist im Hebräischen wurzelverwandt mit saper »erzählen«, womit darauf hingedeutet wird, dass es sich um den offenbaren Gott handelt, denn nur von ihm gibt es eine mittelbare Kunde. Der Sefirot-Begriff taucht zuerst in den Büchern »Jezira« und »Bahir« auf und kehrt dann in den späteren Aufzeichnungen wieder, auch wenn von da nach dort Nuancen eines Bedeutungswandels festzustellen sind. Wenn das Wort von anderer Seite mit Saphir, abzuleiten von dem hebräischen Wort sappir [ספיר], in Zusammenhang gebracht wird, dann bezieht sich dies auf die glänzende Gestalt der Sefirot, die in der Christlichen Kabbala [QBLH Χ], z.B. bei Friedrich Christoph Oetinger, auch als »Abglänze« bzw. »Ausgänge« im Sinne von Emanationen Gottes bezeichnet worden sind. Gemeint sind die Emanationen, die aus dem »unbegrenzten« En-Sof heraustreten, so dass sie für die menschliche Wahrnehmung benennbar und beschreibbar sind.
3b Im zehngliedrigen Sefirot-Baum haben die zehn Erscheinungsformen und das offenbare Wirken Gottes ihre grafische Darstellung gefunden. Dabei ist wichtig, dass man sich kein in sich ruhendes Sein der Gottheit vorstellt. Es geht vielmehr darum, die geordnete Vielfalt der Wechselbeziehungen zwischen den einzelnen Sefirot ins Bewusstseinzu bringen. Das zeigen die 32 geheimen »Wege« oder »Kanäle«, die die innergöttlichen »Beziehungen« veranschaulichen. Diese Zahl ergibt sich aus der Summe der 10 Sefirot und 22, d.h. der Zahl der hebräischen Buchstaben.
Gerhard Wehr
aus «Kabbala»; S.23
4a [...] Der Theologe, Philosoph und Mathematiker Nikolaus von Kues hat eine kleine Schrift ›De beryllo - Über den Beryll‹ verfasst, die sich im selben geistigen Umkreis bewegt [wie Nelly Sachs' «Beryll sieht in der Nacht - oder: Das verlorene und wieder gerettete Alphabet»], obwohl der Kardinal sich nie mit der Kabbala beschäftigt zu haben scheint. Gleich einleitend heißt es da: »Wer gelesen hat, was ich in meinen verschiedenen Büchern geschrieben habe, wird sehen, dass ich mich häufig mit dem Zusammenfall der Gegensätze beschäftigte und mich oft bemühte, mein Denken einer vernunfthaften Schau gemäß, die über die Kraft des Verstandes hinausgeht, zu entfalten.«¹⁴
14 Nikolaus von Kues: ›Die philosophisch-theologischen Schriften. Band III«, Darmstadt 2014, S. 3.
4b Das bezieht sich auf die oft zitierte coincidentia oppositorum, den Zusammenfall der Gegensätze, durch den das Denken die Gebundenheit an einseitige, das Entgegengesetzte vermeintlich ausschließende Sichtweisen übersteigen kann. In einem gleichzeitigen Weder-Noch und Sowohl-als-Auch kann der menschliche Geist hier eine überrationale Schau, eine einfache und unendliche Einheit, erreichen.
4c In der Kabbala wiederum findet sich ein ganz verwandtes Motiv mit Blick auf die so genannte »elfte«, »unsichtbare« oder »verborgene Sefira« - Da'ath. Da'ath heißt so viel wie »inneres Wissen [Einsicht in den göttlichen Willen]« und zugleich »Empfangen«. Innerhalb des Sephirothbaums wird sie, wenn überhaupt, in der Mitte zwischen den beiden oberen Sephiroth Chokmah und Binah dargestellt. Dort ist sie dann auch an der vertikalen Verbindung zwischen den beiden Sefiroth »Kether« (Krone) und »Tifereth« (Schönheit) beteiligt [womit sie die Kreuzbildung ermöglicht]. Die Erlangung dieses Da'ath-Zustandes wird möglich, wenn in der Kawwana [כונה ~ Zubereitung, Zurechtrückung], der spezifisch kabbalistischen Gebets- und Meditationspraxis, die Bewusstseinsaspekte »intuitive Weisheit« und »diskursiver Verstand« zu höherer Einheit synthetisiert werden - oder: als Gegensätze zusammenfallen. Für das innere Instrumentarium, um eben diesen mystischen oder auch im besten Sinne gnostischen Bewusstseinszustand zu erreichen, wählt nun der Kusaner, gänzlich unberührt von kabbalistischer Terminologie, das Bild des Berylls. Hier der betreffende kurze, aber sprechende Passus aus seiner erwähnten Schrift [Kapitel 2]:
Der Beryll ist ein leuchtender, weißer und durchscheinender Stein. Man schleift ihn zugleich konkav und konvex zu, und wenn dann jemand durchschaut, so sieht er Dinge, die ihm vorher unsichtbar waren. Wenn den geistigen Augen ein vernunfthafter Beryll angepasst wird, der die größte und zugleich die kleinste Form hat, erreicht man mit seiner Hilfe den unteilbaren Ursprung aller Dinge.¹⁵
15 A.a.O., S. 5.
Klaus J. Bracker
in »die Drei« 9/2017; S.29f
siehe auch Wesenheit-Offenbarung-Wirksamkeit-Werk
https://wfgw.diemorgengab.at/zit/WfGWzit135300210.htm