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Zitatensammlung
Teil 1
Zitat von Rudolf STEINER zu
HELLSEHEN EINST und HEUTE
1 Man bemerkt, daß es nicht genügt zum Verständnis der Weltvorgänge, wenn durch irgendwelche Übungen das geistige Auge, das geistige Ohr geöffnet sind gegenüber der geistigen Welt. Man hat dadurch nur erreicht, daß man sieht, was da ist, daß man die Wesenheiten wahrnehmen kann und weiß: da sind geistige Wesenheiten der Seelenwelt oder des Geistgebietes. Aber es ist auch notwendig, zu erkennen, welcher Art diese Wesenheiten sind. Irgendeine Wesenheit des Seelen- oder Geistgebietes kann einem begegnen; man weiß dann aber noch nicht, ob sie in fortschreitender Entwickelung ist, oder ob sie zur Kategorie der zurückgebliebenen Mächte gehört; ob sie also vorwärts schiebt oder die Entwickelung hemmt. Diejenigen Menschen, welche sich die hellseherischen Fähigkeiten aneignen und nicht zugleich sich das volle Verständnis für die charakterisierten Entwickelungsbedingungen der Menschheit erwerben, können im Grunde genommen niemals wissen, was für eine Art von Wesenheiten ihnen begegnet. Das bloße Hellsehen muß ergänzt werden durch eine klare Beurteilung des in der übersinnlichen Welt Geschauten. Diese Notwendigkeit ist im höchsten Maße gerade für unsere Zeit vorhanden. Sie war nicht in gleichem Maße zu allen Zeiten zu berücksichtigen. Geht man zurück in sehr alte Menschheitskulturen, so findet man andere Verhältnisse. Wenn im ältesten Ägypten ein Mensch hellsehend war, und es trat ihm eine Wesenheit der übersinnlichen Welt entgegen, so hatte diese gleichsam an der Stirne geschrieben, wer sie ist. Der Hellsehende konnte sie nicht mißdeuten. Dagegen ist die Möglichkeit des Mißverständnisses gegenwärtig eine sehr große. Während die alte Menschheit dem Reiche der geistigen Hierarchien noch nahe stand und sehen konnte, welchen Wesen sie begegnete, ist die Irrtumsmöglichkeit heute eine sehr große, und der einzige Schutz gegen schwere Schädigung ist nur die Bemühung um solche Vorstellungen und Ideen, wie sie in dem Vorhergehenden angedeutet sind.
2 Einen Menschen, der in die geistige Welt zu schauen vermag, nennt man in der Esoterik einen «Hellseher». Aber nur Hellseher sein, ist nicht genug. Ein solcher könnte wohl sehen, aber nicht unterscheiden. Derjenige, welcher sich die Fähigkeit erworben hat, die Wesen und Vorgänge der höheren Welten zu unterscheiden voneinander, wird ein «Eingeweihter» genannt. Die Einweihung bringt die Möglichkeit, zu unterscheiden zwischen den verschiedenen Arten von Wesenheiten. Es kann also jemand hellsehend sein für die höheren Welten, braucht aber kein Eingeweihter zu sein. Für die alten Zeiten war die Unterscheidung der Wesenheiten nicht besonders wichtig; denn wenn die alten Geheimschulen die Schüler zum Hellsehen gebracht hatten, war die Gefahr des Irrtums keine sehr große. Gegenwärtig aber ist die Irrtumsmöglichkeit in hohem Maße vorhanden. Daher sollte in aller esoterischen Schulung darauf Rücksicht genommen werden, daß immer zu der Fähigkeit der Hellsichtigkeit hinzuerworben werde die Einweihung. Der Mensch muß in dem Maße, als er hellseherisch wird, fähig werden, zu unterscheiden zwischen den besonderen Arten der übersinnlichen Wesenheiten und Vorgänge.
3 Die besondere Aufgabe: ein Gleichgewicht zu schaffen zwischen den Prinzipien des Hellsehens und dem der Einweihung, trat in der neueren Zeit an die führenden Mächte der Menschheit heran. Notwendigerweise mußten Führer der geistigen Schulung das Gekennzeichnete mit dem Beginne der neueren Zeit ins Auge fassen. Diejenige esoterische Geistesrichtung, welche der Gegenwart angemessen ist, macht es sich daher zum Prinzip, zwischen Hellsehen und Einweihung stets das richtige Verhältnis herzustellen. Es wurde dies notwendig in der Zeit, als die Menschheit eine Krisis durchmachte in bezug auf ihr höheres Erkennen. Diese Zeit ist die des dreizehnten Jahrhunderts. Etwa um das Jahr 1250 herum haben wir das Zeitalter, in welchem die Menschen sich am meisten abgeschlossen fühlten von der geistigen Welt. Für den hellseherischen Rückblick auf dieses Zeitalter ergibt sich folgendes. Es konnten sich damals die hervorragendsten Geister, die nach einem gewissen höheren Erkennen strebten, sagen: Was unsere Vernunft, unser Intellekt, was unser geistiges Wissen finden kann, ist beschränkt auf die Welt, die uns als physische umgibt; wir können mit unserm menschlichen Forschen und Erkenntnisvermögen nicht eine geistige Welt erreichen; wir wissen von dieser nur dadurch, daß wir die Nachrichten über sie, welche uns die Menschen der Vorwelt hinterlassen haben, in uns aufnehmen. Es war damals eine Zeit der Verfinsterung des unmittelbaren geistigen Einblickes in die höheren Welten. Daß dies gesagt wurde in der Zeit, als die Scholastik blühte, hat seinen guten Grund.
4 Ungefähr das Jahr 1250 ist die Zeit, in welcher die Menschen dazu kommen mußten, die Grenze zu ziehen zwischen dem, was man glauben muß nach dem Eindrucke, den die überkommenen Überlieferungen machten, und dem, was man erkennen kann. Das Letztere blieb auf die physische Sinneswelt beschränkt. Und dann kam die Zeit, wo immer mehr und mehr die Möglichkeit sich ergab, wieder einen Einblick zu gewinnen in die geistige Welt. Aber dieses neue Hellsehen ist von anderer Art als das alte, das eben mit dem Jahre 1250 im wesentlichen erloschen war. Für die neue Form der Hellsichtigkeit mußte die abendländische Esoterik streng das Prinzip aufstellen, daß Einweihung die geistigen Ohren und geistigen Augen zu führen habe. Damit ist die besondere Aufgabe charakterisiert, welche sich eine in Europa in die Kultur eintretende esoterische Strömung stellte. Als das Jahr 1250 heranrückte, begann eine neue Art der Führung zu den übersinnlichen Welten.
5 Diese Führung wurde vorbereitet von den Geistern, welche damals hinter den äußerlichen geschichtlichen Ereignissen standen und schon Jahrhunderte früher die Vorbereitungen trafen für das, was für eine esoterische Schulung durch die 1250 gegebenen Bedingungen notwendig wurde. Wenn mit dem Worte «moderne Esoterik» kein Mißbrauch getrieben wird, so kann es für die geistige Arbeit dieser höher entwickelten Personen angewendet werden. Von ihnen weiß die äußere Geschichte nichts. Was sie taten, trat aber doch in aller Kultur zutage, die sich im Abendlande seit dem dreizehnten Jahrhundert entwickelt hat.
6 Die Bedeutung des Jahres 1250 für die geistige Entwickelung der Menschheit tritt besonders dann zutage, wenn man das Ergebnis der hellseherischen Forschung berücksichtigt, das in folgender Tatsache gegeben ist. Selbst solche Individualitäten, die in den vorhergehenden Inkarnationen schon hohe geistige Entwickelungsstufen erreicht hatten und die um das Jahr 1250 herum wieder inkarniert wurden, mußten eine Zeitlang eine vollständige Trübung ihres unmittelbaren Einblickes in die geistige Welt erleben. Ganz erleuchtete Individuen waren wie abgeschnitten von der geistigen Welt und konnten von ihr nur aus der Erinnerung an frühere Verkörperungen etwas wissen. So sieht man, wie von jener Zeit an notwendig wurde, daß in der geistigen Lenkung der Menschheit ein neues Element auftrat. Das war das Element der wahren modernen Esoterik. Durch dasselbe ist erst im echten Sinne zu verstehen, wie in die Führung der ganzen Menschheit und auch des einzelnen Menschen eingreifen kann für alle Betätigungen dasjenige, was wir den Christus-Impuls nennen.
aus «Die geistige Führung ...»; S.55ff
https://wfgw.diemorgengab.at/zit/WfGWzit101500055.htm