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Zitatensammlung
Teil 2
Zitat von Laszlo BÖSZÖRMENYI zur
TEXTMEDITATION
1 Textmeditation bedeutet zunächst, über einen besonderen Satz zu meditieren. Wenn das geht, kann man versuchen, auch über längere Texte als eine Einheit zu meditieren. Das wirft sogleich die Frage auf: Woher weiß ich, ob ein Text oder ein Satz meditierbar ist oder nicht. Vor der Übung kann man das nur erahnen. - mit zunehmender Praxis immer besser. Sicher wissen wir es erst nach einer gelungenen Meditation. Alles ist meditierbar, was ich meditieren kann - eine bessere »Definition« [Abgrenzung] gibt es leider nicht. Es gibt kein äußeres Zeichen. Auch von vertrauenswürdigen Quellen können Sätze stammen, die ich nicht meditieren kann. Abgesehen davon, dass mir vielleicht die Fähigkeit dazu fehlt, könnte ein Satz auch falsch übersetzt oder überliefert worden sein. Und außerdem ist kein Autor [keine Quelle] unfehlbar. Es wäre übrigens schrecklich, wenn jemand unfehlbar wäre. Maschinen sind in ihrem eingeschränkten Bereich unfehlbar. Menschen - Gott sei Dank - nicht. Und umgekehrt kann auch ein nur wenig weise erscheinender Mensch einmal zur Quelle eines Meditationssatzes werden.
2 Kühlewind hat die Textmeditation in drei Phasen aufgeteilt:
3 1. Die erste Phase ist das Nachsinnen. Wir versuchen so gründlich wie möglich über die Bedeutung des Satzes nachzudenken.⁵⁵ Erscheint uns der Satz auch oft im ersten Moment völlig verständlich, wird uns doch bald klar, dass wir so gut wie nichts davon wirklich verstehen. Ein Satz, der uns gar keine Rätsel aufgibt, ist meistens ungeeignet als Meditationssatz (wie zum Beispiel »Rauchen ist verboten«). In der ersten Phase werden alle Worte immer lebendiger, »verbhafter«. Alles wird zum Geschehen. Kein Wort wird im üblichen Sinn verwendet, sondern in einer neuen Bedeutung, die meist viel »großzügiger« als die üblichen, schon bekannten Bedeutungen, innerhalb der - mit Kühlewinds Ausdruck - »Bedeutungswolke« eines jeden Wortes. Wenn wir die Meditation mehrmals vom gleichen Satz ausgehend wiederholen, ergeben sich immer wieder ganz neue Bedeutungen.
[...]
4 2. Die zweite Phase ist das Zusammenziehen in ein einziges Wort. Je lebendiger und großzügiger die einzelnen Worte werden, desto leichter geschieht es, dass sich plötzlich die ganze, schon sehr lebendige, verbhafte, geschehenshafte Bedeutung des Satzes in einem einzigen Wort des Satzes ausdrückt. Die anderen Worte waren nur Wegweiser, die dann nicht mehr nötig sind. Der Sinn des Satzes hat sich in dieses eine Wort zusammengezogen.
5 3. Erst die dritte Phase ist dann die wirkliche Meditation. In dieser Phase leuchtet das lebendige Licht des letzten übriggebliebenen Wortes so stark, dass auch dieses Wort vollständig verschwindet, genauer gesagt, durchsichtig wird. Man könnte diese Phase auch als die des Loslassens bezeichnen. Wir lassen jede Form los, kommen in die - relative - Formlosigkeit. Jetzt tritt der Meditierende in den lebendigen Strom des Denkens ein. Und kommt dabei zu völlig neuen Erkenntnissen, nicht nur inhaltlich, sondern vielmehr im Stil, im »Geschmack« könnte man sagen. Man tritt in eine neue Welt ein, die gleichzeitig völlig unbekannt und doch vertraut ist.⁵⁷ Und das alles in vollem Selbstbewusstsein. Ich weiß von mir, ich erfahre mich selbst, nicht als Schatten, als egoistisches Gefühlswesen, sondern als reines Geisteswesen. Dieses Wesen ist reines Licht - und kann sich trotzdem von anderen Lichtwesen unterscheiden. Nicht durch äußere Merkmale, sondern durch die innere Kraft, die es in der vorherigen Konzentration der Aufmerksamkeit [a] erworben hat.
[Beispielsatz von G.Kühlewind:
  Die Aufmerksamkeit  
  sucht  
  sich selbst b]

55 Daraus folgt übrigens, dass für den Alltagsverstand unverständliche Mantren für eine zeitgemäße Meditation ungeeignet sind, zumindest für den Anfänger.
57 Ich habe etwas Ähnliches erlebt, als ich meine neugeborenen Kinder zum ersten Mal erblickte. Sie waren mir natürlich unbekannt, aber irgendwie doch vertraut. Aber das ist nur ein Gleichnis; der Eintritt in die Meditation ist anders. Man kann es sich nicht vorstellen. Nur erfahren.
aus «Georg Kühlewind»; S.85ff
a] vgl. »TzN Nov.2022«
b] unser Ergänzungsvorschlag:
dunkelgrau unterlegt - ausatmend zu denken
hellgrau unterlegt - einatmend zu denken
https://wfgw.diemorgengab.at/zit/WfGWzit028000085.htm