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Zitatensammlung
Teil 2
Zitate von Günther WACHSMUTH zu
ZEITEINTEILUNGEN
1a Wenn wir die Änderungen der Stellung der Erdachse im Laufe der Evolution und die nur sehr allmähliche Beschleunigung der Eigendrehung berücksichtigen, ist evident, daß die heutigen Begriffe von «Tag» und «Jahr», ja sogar die größeren Rhythmen des platonischen Weltenjahres, d. h. die Wanderung des Frühlingspunktes durch den Tierkreis in etwa 25 920 Jahren, erst in relativ späten Zeiten anwendbar sind. [...] Aber auch «Jahr» und «Tag» sind Begriffe, die in keiner Weise vom heutigen Geschehen auf frühere Phasen der Entwicklung übertragen werden können, wenn man den Phänomenen gerecht werden will.
1b Deshalb hat das Ausrechnen von so und so viel Millionen oder Tausenden von Millionen von «Jahren», die dieses oder jenes Geschehen der frühen Evolution zurückliegen oder gedauert haben soll, keinerlei Realitätscharakter.[a] Rudolf Steiner hat einmal darauf hingewiesen, wie unsinnig es wäre, wenn man etwa aus der Wachstumsgeschwindigkeit bestimmter Organe, z. B. der Lunge oder Leber im Embryonal- und Kindheitsstadium errechnen wollte, wie groß nach diesen Maßeinheiten diese Organe nach 30 oder 60 Jahren sein müßten. Der organische Prozeß ändert eben Tempo und Intensität in vielfachen Varianten während der Entwicklung. So ist auch die Berechnung der kosmischen Evolution nach heutigen Maßstäben sinnlos.
1c Die heute nur aus Beobachtungen am Toten, Anorganischen gewonnenen Rechnungen mußten ja in den letzten Jahrzehnten, z. B. nach der Entdeckung der Radioaktivität, des Atomzerfalls usw., auch mehrmals radikal geändert werden, und so ist ein Jonglieren mit Jahrmillionen und Jahrmilliarden zustande gekommen, das von den Realitäten der Evolution völlig abstrahiert. Erstens ist ja nicht einfach vorauszusetzen, daß z. B. die heutige Zerfallsgeschwindigkeit der Substanzeinheiten auch in früheren Phasen immer die gleiche war, zweitens ist das Rechnen mit Jahren als Einheit für frühere Phasen unberechtigt, drittens haben organische Prozesse andere Geschwindigkeiten und Intensitäten als anorganische¹.
1d Auch die heutige Vorstellung von «Jahreszeiten» ist auf frühere Phasen keineswegs anwendbar. Etwa bis zur spätlemurischen Epoche,[b] dem Mesozoikum, von Jahreszeiten, d. h. dem heutigen Rhythmus von Frühling, Sommer, Herbst und Winter in den Naturreichen zu sprechen, wäre sinnlos, weil die Dichte der Atmosphäre, die höhere Eigenwärme des Erdorganismus in jenen Phasen solche ausgeprägten Wandlungen noch gar nicht zuließen. In den Fossilien der frühen Formationen finden sich daher auch keine Jahresringe im Pflanzenreich usw. Diese gehören einer späteren Epoche an. Ein Phänomen wie der «Winter» wird erst mit dem dann einsetzenden Mineralsierungsprozeß der Erde und der Verdünnung der Atmosphäre im Verlaufe der atlantischen Epoche,[b] frühestens im Tertiär, Oligozän und Miozän, und Quartär möglich. Erst mit dem Übergang der Erde zur Kugelgestalt, ihrer Mineralisierung, ihrer heutigen Achsenstellung erhalten die jetzigen Zeitmaße, die heutigen Begriffe von Tag, Jahr und Jahreszeiten, Gültigkeit. Früher haben sie dies nicht. Und auch dieses Stadium wird erst nach einer weiteren langen Entwicklung in der atlantischen Epoche, den tertiären und quartären Phasen, erreicht.

¹ s. «Beiträge zur Substanzforschung», Bd. I: G. Wachsmuth «Wie alt ist die Erde?»
S.77f
2a Die heute meist übliche Einteilung der geologischen Epochen ist ja überhaupt so entstanden, daß diese ihre Bezeichnung und Ordnung dadurch erhielten, daß jeweils aus Funden von Formationen und Mineralien gleicher Art und Struktur auf ein für die ganze Erde typisches Entwicklungsstadium geschlossen wurde, oder daß solche als gleichzeitig angenommen wurden, wenn sie die gleiche Fauna hatten usw. Aber durch die fortgeschrittene Erkenntnis der lebenden Naturreiche, insbesondere der Biogeographie, haben sich manche Forscher schon veranlaßt gesehen, auf die großen Mängel der Schematik dieser geologischen Einteilung hinzuweisen, weil ja nicht einmal heute von einer gleichmäßigen Verteilung der Fauna und Flora auf der Erde die Rede sein kann. Das Lebendige hat eben andere Entwicklungsphasen, Existenzbedingungen, Verdichtungsgrade, Werdens- und Vergehens-Rhythmen, zeitliche und räumliche Verteilungen und Gliederungen, als das anorganisch gewordene Mineralische. So entzieht sich auch das Vergangene, das nicht fossil geworden ist, derartiger Registrierung.
2b Es ergibt sich vor allem die bedeutsame Frage, ob überhaupt die intensivste Verdichtung ins Materielle, Verknöcherte, Verfestigte, jeweils den typischen oder gar höchsten Entwicklungsstand einer Epoche darstellte? Nur die bis in die dichteste Leiblichkeit ausgebildeten Lebewesen sind aber in den geologischen Funden erhalten und auf diesen ist die heute meist übliche Stufenleiter der Entwicklung aufgebaut. Vieles von dem jedoch, was sich in einer Entwicklungsepoche noch weich, plastisch, bildsam und zu vielfältiger Metamorphose fähig erhielt, ist eben nicht in Knochenresten und Fossilien erhalten geblieben.
2c Nun wissen wir aus der Erforschung des Lebendigen, daß gerade die vom geistigen Aspekt am höchsten ausgebildeten Lebewesen, wie der Mensch, auch in der heutigen, ontogenetischen Entwicklung, im embryonalen Prozeß und der frühen Kindheit am längsten zögern, sich in Gestaltung, Fertigkeiten und einseitiger Spezialisierung festzulegen. Der Mensch bleibt im frühen Stadium viel länger verwandlungsfähig, unfertig, unbeholfen, unspezialisiert, als etwa das Tier. Auf diese Phänomene ist von Rudolf Steiner, von H. Poppelbaum, in neueren Publikationen auch von Portmann u. a. mit eindringlichem Forschungsmaterial hingewiesen worden. Es ringt sich jetzt die Erkenntnis durch, daß je höher der Entwicklungszustand eines Lebewesens ist, es um so länger zögert, sein Wesen in der Leiblichkeit festzulegen, zu vereinseitigen, zu typisieren, den Endpunkt der Gestaltungsmöglichkeit zu errreichen.
2d So ergibt sich auch für die Gesamtevolution eine ganz andere Anschauung der Entwicklungsphasen, wenn man vom anorganischen oder organischen, von leiblichen oder geistigen Gesichtspunkten ausgeht. Die Tatsache, daß erst aus so späten Evolutionsphasen, wie dem Quartär, Knochenreste von Menschenleibern erhalten blieben, sagt nichts anderes aus, als daß erst dann das Menschenwesen sich so weit in einer verfestigten Leiblichkeit verkörpert hatte, daß von ihr nun eben auch Knochenreste noch auffindbar waren. Dabei sind letztere, wie wir nicht vergessen dürfen, nur Zufallsfunde, [...]
S.99f
aus «Entwicklung der Erde»
a] ebensowenig die heute üblichen Vergleiche in Badewannen, Eisenbahnwagen oder Fussballfeldern
b] siehe Mbl.7
https://wfgw.diemorgengab.at/zit/WfGWzit013210077.htm