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Zitatensammlung
Teil 2
Zitat von Jakob BOEHME zu
UNGRUND und VIERFALT
1 [1,]4. Derselbe ungründliche, unfaßliche, unnatürliche und unkreatürliche Wille, welcher nur einer ist, und nichts vor ihm noch hinter ihm hat, welcher in sich selber nur eines ist, welcher als ein Nichts und doch alles ist. Der ist und heißet der einige Gott, welcher sich in sich selber fasset und findet und Gott aus Gott gebieret.
2 [1,]5. Als nämlich: Der erste unanfängliche einige Wille, welcher weder böse noch gut ist, gebieret in sich das einige ewige Gute als einen faßlichen Willen, welcher des ungründlichen Willens Sohn ist, und doch in dem uranfänglichen Willen gleich-ewig; und derselbe andere Wille ist des ersten Willens ewige Empfindlichkeit und [Be-]Findlichkeit, da sich das Nichts in sich selber zu Etwas findet. Und das Unfindliche, als der ungründliche Wille, gehet durch sein ewig Gefundenes aus und führet sich in eine ewige Beschaulichkeit seiner selber.
3 [1,]6. Also: (1) heißet der ungründliche Wille ewiger Vater [pater, ie. Logos I] (2) und der gefundene, gefassete, geborne Wille des Ungrundes heißet Ens [Wesenssein], darinnen sich der Ungrund im Grund fasset. (3) Und der Ausgang des ungründlichen Willens, durch den gefasseten Sohn [filius, ie. Logos II] oder Ens heißet Geist [spiritus, ie. Logos III], denn er führet das gefaßte Ens aus sich aus in ein Weben oder Leben des Willens, als ein Leben des Vaters und des Sohnes. (4) Und das Ausgegangene ist die Lust als das Gefundene des ewigen Nichts, da sich der Vater, Sohn und Geist innen siehet und findet, und heißet Gottes Weisheit [sapientia] oder Beschaulichkeit [contemplatio].
4 [1,]7. Dieses dreifältige Wesen [trinitas] in seiner Geburt, in seiner Selbst-Beschaulichkeit der Weisheit, ist von Ewigkeit [æternitas] je gewesen und besitzt in sich selber keinen andern Grund noch Stätte als nur sich selber. Es ist ein einig Leben und ein einiger Wille ohne Begierde [a], und ist weder Dickes noch Dünnes, weder hoch noch tief; es ist kein Raum [spatium], Zeit [tempus] noch Stätte [locus], besitzet auch in sich weder Dickes noch Dünnes, weder Höhe noch Tiefe noch Raum oder Zeit, sondern ist durch alles in allem,[b] und dem allem doch als ein unfaßlich Nichts.
5 [1,]8. Gleich wie der Sonnen Glanz in der ganzen Welt in allem und durch alles wirket, und dasselbe All kann doch der Sonnen nichts nehmen, sondern muß sie leiden und mit der Sonnen Kraft wirken, auf solche Weise wird Gott betrachtet, was er außer der Natur und Kreatur in sich selber, in einem selbstfaßlichen Chaos außer Grund, Zeit und Stätte sei, da sich das ewige Nichts in ein Auge oder ewig Sehen fasset zu seiner Selbst-Beschaulichkeit, Empfindlichkeit und Findlichkeit, da man nicht sagen kann, Gott hat zwei Willen, als einen zum Bösen und den andern zum Guten.
6 [1,]9. Denn in der unnatürlichen, unkreatürlichen Gottheit ist nichts mehr als ein einiger Wille, welcher auch der einige Gott heißt. Der will auch in sich selber nichts mehr als nur sich selber finden und fassen und aus sich selber ausgehen und sich mit dem Ausgehen in eine Beschaulichkeit [Sichtbarkeit] einführen, darinnen man die Dreiheit der Gottheit samt dem Spiegel seiner Weisheit als dem Auge seines Sehens verstehet: darinnen alle Kräfte, Farben, Wunder und Wesen in der ewigen einigen Weisheit, in gleichem Gewichte und Maß ohne Eigenschaften verstanden werden als ein einiger Grund des Wesens aller Wesen; eine in sich selber gefundene Lust oder Begierde zum Etwas, eine Lust zur Offenbarung oder Findung der Eigenschaften, welche göttliche Lust oder Weisheit in sich selber, im ersten Grunde doch ganz ohne Eigenschaften, ist. Denn wären Eigenschaften, so müßte auch etwas sein, das die Eigenschaften gäbe und verursachte. Nun aber ist keine Ursache zu den göttlichen Kräften und zu der göttlichen Lust oder Weisheit, als nur bloß der einige Wille, nämlich der einige Gott, welcher sich in eine Dreiheit selber einführet als in eine Faßlichkeit seiner selber. Welche Faßlichkeit das Zentrum als das ewig gefaßte Eine ist. Und wird das Herze [cor] der Sitz des ewigen Willens Gottes geheißen, da sich der Ungrunde in einem Grunde besitzet, welches die einige Stätte Gottes ist, und doch in keiner Teiligkeit oder Schiedlichkeit, denn es ist nichts davor, damit es möchte gegleichet werden.
7 [1,]10. Dieses Herze oder Zentrum des Ungrundes ist das ewige Gemüte, als des Wollens, und hat doch nichts vor ihm, das es wollen kann als nur den einigen Willen, der sich in dieses Zentrum einfasset. So hat auch der erste Wille zum Centro auch nichts, das er wollen könnte als nur diese einige Stätte seiner Selbst-Findlichkeit. Also ist der erste Wille der Vater seines Herzens oder der Stätte seines Findens und ein Besitzer des Gefundenen als seines eingebornen Willens oder Sohnes.
8 [1,]11. Der ungründliche Wille, welcher der Vater und alles Wesens ein Anfang ist, gebieret in sich selber zu einer Stätte der Faßlichkeit; oder besitzet die Stätte, und die Stätte ist der Grund und Anfang aller Wesen und besitzet hinwieder den ungründlichen Willen, der der Vater des Anfangs zum Grund ist.
9 [1,]12. Also ist der Vater und sein Sohn als die Stätte zu einer Selbstheit ein einiger Vater eines einigen Willens; welcher einige Wille, in der gefasseten Stätte des Grundes, aus sich selber aus der Fassung ausgehet, allda er mit seinem Ausgehen ein Geist genannt wird, und scheidet sich der einige Wille des Ungrundes mit der ersten, ewigen, unanfänglichen Fassung in dreierlei Wirkung und bleibet doch nur ein Wille. Als der erste Wille, so Vater heißet, der wirket in sich den Sohn als die Stätte der Gottheit. Und die Stätte der Gottheit, welche des Vaters Sohn ist, wirket in sich in der Findlichkeit als die Kraft der Weisheit; welche Kräfte alle in dem Sohne urständen, und sind allhie alle Kräfte doch nur eine einige Kraft, und die ist die empfindliche, findliche Gottheit in sich selber, in einem einigen Willen und Wesen, in keiner Unterschiedlichkeit.
aus «Von der Gnadenwahl»; S.47ff
a] ungerichteter Wille
b] vgl. Heraklits Fragment B 41
https://wfgw.diemorgengab.at/zit/WfGWzit012900047.htm