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Zitatensammlung
Teil 2
Zitat von Arno BORST zu den
WISSENSCHAFTSALLEGORIEN
1 Die Verkörperung von Wissenschaften durch allegorischen Frauen konnte sich auf die älteste Tradition berufen. Begründet wurde sie im frühen fünften Jahrhundert nach Christus durch den heidnischen Afrikaner Martianus Capella, der ein lateinisches Lehrgedicht ›Von der Hochzeit Merkurs mit der Philologie‹ schrieb. Er schilderte die sieben Freien Künste [a] als Jungfrauen, die persönlich auftraten; sie trugen ihre Kenntnisse der Hochzeitsgesellschaft wie Geschenke vor, in einem Reigen, der die Braut ›Philologia‹ umtanzte. Alle sieben, von der ›Grammatica‹ bis zur ›Astronomia‹, waren vom lateinischen Wortklang ihrer Namen, durch die gemeinsame Endung -a, als Frauen ausgewiesen. In ihren Reden erwähnten sie viele Diener, doch das waren sterbliche Männer, nicht zu vergleichen mit den ewigen Verkörperungen des Wissens. In den Wirren der Völkerwanderungszeit fand Martianus nur wenige Gleichgesinnte, die noch an die Macht der Wissenschaft glaubten, und flüchtete sich zu schönen Traumgestalten [eher Imaginationen]. Sie ähnelten den antiken neun Musen und den Göttinnen, mit denen noch heute manche Akademien und Fakultäten ihre Urkunden schmücken. [...] Allerdings waren die meisten und frühesten Abschriften vom Werk des Martianus Capella nicht illustriert; seine poetische Sprache bot den Gebildeten Anschauung genug.
2 Noch weniger als in allgemeine Lehrdichtungen paßten allegorische Bilder in spezielle Fachprosa, zum Beispiel in die ›Institutio arithmetica‹, die der christliche Römer Boethius um das Jahr 500 nach einem griechischen Muster verfaßte. Zahlenreihen, Figuren, Diagramme kamen bei Boethius viele vor, doch sie dienten nicht der andächtigen Betrachtung, sondern der nüchternen Beweisführung und dem bündigen Ersatz für wortreiche Umschreibungen. Die germanischen [ostgotischen] Zeitgenossen des Boethius verstanden seine Sätze nicht, infolgedessen auch nicht seine Tabellen. Erst im karolingischen Frankenreich begann man ernsthaft über das Buch des Boethius nachzudenken. Eine Prunkfassung der ›Institutio arithmetica‹ wurde um 845 in Tours für Karl den Kahlen angelegt; sie gelangte um die Jahrtausendwende nach Bamberg, wo sie noch liegt. Im Vorwort hatte Boethius kurz begründet, warum Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie eng zusammengehörten, und ihnen den gemeinsamen Namen ›Quadrivium‹ gegeben. Diese Begründung im Text wurde nun von der karolingischen Zeichnung untermalt.
aus «Barbaren, Ketzer und Artisten»; S.432f
a] Artes liberales, die später in
Trivium:
Grammatica
, dargestellt mit Rute,
Rhetorica, dargestellt mit Tafel u. Griffel,
Dialectica, dargestellt mit Hundekopf oder Schlange,
und
Quadrivium:
Arithmetica (numerus purus), dargestellt mit Rechenbrett,
Geometria (numerus in spatio), dargestellt mit Zirkel,
Musica (numerus in tempore), dargestellt mit Instrument,
Astronomia (numerus in spatio temporeque), dargestellt mit Astrolabium,
unterteilt wurden
https://wfgw.diemorgengab.at/zit/WfGWzit005420432.htm