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Zitatensammlung
Teil 2a: Apokryphen
PETRUS-AKTEN 1-3
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Als Paulus sich eine Zeitlang in Rom aufhielt¹ und viele im Glauben stärkte, geschah es auch, daß eine Frau mit Namen Candida, die Gattin des Quartus, eines Angehörigen der Wachmannschaft, den Paulus hörte und seiner Rede aufmerksam anhing und gläubig wurde. Und als sie nun ihrerseits ihren Gemahl unterrichtet hatte und er zum Glauben gekommen war, stellte es Quartus dem Paulus frei, aus der Hauptstadt wegzugehen, wohin er wolle. Paulus aber sagte zu ihm: Wenn es Gottes Wille ist, wird er selbst es mir offenbaren. Und Paulus fastete drei Tage lang und erbat vom Herrn das, was für ihn geeignet sei, und hatte daraufhin eine Erscheinung, in der der Herr zu ihm sprach: Paulus, stehe auf und sei den Menschen in Spanien ein Arzt! So berichtete er den Brüdern, was Gott ihm aufgetragen habe, und ohne jedes Bedenken war er schon so weit, die Hauptstadt zu verlassen. Als Paulus aber im Begriff war wegzugehen, ward ein großes Weinen in der ganzen Bruderschaft deswegen, weil sie glaubten, sie würden Paulus nicht mehr wiedersehen, so daß sie sogar ihre Kleider zerrissen; außerdem hielten sie sich vor Augen, daß Paulus öfter mit den Lehrern der Juden zusammengeraten war und sie widerlegt hatte mit folgenden Argumenten: Der, an den eure Väter die Hand gelegt haben, ist der Christus. Er schaffte ihren Sabbat ab und ihr Fasten und ihre Feiertage und ihre Beschneidung und hat die Menschenlehre und die übrigen Überlieferungen aufgelöst. Es bedrängten aber die Brüder Paulus bei der Ankunft unseres Herrn Jesu Christi², er möchte nicht länger als ein Jahr wegbleiben, indem sie sagten: Wir kennen deine Liebe zu deinen Brüdern; vergiß uns nicht, wenn du nach Spanien gekommen bist, und laß uns nicht allein wie Kinder ohne Mutter. Und als sie ihn lange unter Tränen anflehten, erscholl ein Ton vom Himmel, und eine sehr laute Stimme sprach: Paulus, der Diener Gottes, ist erwählt zum Dienst für die Zeit seines Lebens; in den Händen Neros, des gottlosen und schlechten Menschen, wird er vor euren Augen vollendet werden³. Es befiel aber die Brüder noch größere Furcht wegen der Stimme, die vom Himmel gekommen war, viel mehr aber wurden sie im Glauben gestärkt.
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Sie reichten aber dem Paulus Brot und Wasser zum Opfer⁴, damit er nach dem Gebet jedem austeile. Unter ihnen war auch eine Frau mit Namen Rufina, die durchaus auch ihrerseits die Eucharistie aus den Händen des Paulus empfangen wollte. Als sie herantrat, sagte Paulus vom Geiste Gottes erfüllt zu ihr: Rufina, nicht als eine Würdige trittst du an den Altar Gottes, da du dich von der Seite nicht eines Ehemannes, sondern eines Ehebrechers erhoben hast und nun versuchst, die Eucharistie Gottes zu empfangen. Denn siehe, der Satan wird deinen Körper zerschlagen und dich vor den Augen aller, die an den Herrn glauben, niederwerfen, damit sie sehen und glauben und wissen, daß sie an den lebendigen Gott, den Erforscher der Herzen, geglaubt haben. Wenn du aber deine Tat bereust, ist er treu, der deine Sünden tilgen und dich von dieser Sünde befreien kann (1.Joh. 1,9). Wenn du aber nicht bereust, solange du noch im Leibe bist, so wird dich das verzehrende Feuer und die äußere Finsternis (Matth. 25,30) aufnehmen in alle Ewigkeit. Und sofort brach Rufina zusammen, gelähmt auf der linken Seite vom Kopf bis zu den Zehen der Füße. Auch reden konnte sie nicht mehr, denn ihre Zunge war gebunden. Als dies aber die schon länger Gläubigen und die Neubekehrten sahen, schlugen sie an ihre Brust, indem sie ihrer früheren Sünden gedachten, klagten und sagten: Wir wissen nicht, ob Gott uns die früheren Sünden, die wir begangen haben, vergibt. Da gebot Paulus Schweigen und sagte: Ihr Brüder, die ihr jetzt an Christus zu glauben begonnen habt, wenn ihr nicht⁵ in eurem früheren Wandel und in euren väterlichen Überlieferungen bleibt und euch enthaltet von allem Betrug und Jähzorn, von aller Grausamkeit und Ehebruch und Befleckung und von Hochmut und Eifersucht, Hoffart und Feindseligkeit, so wird euch Jesus, der lebendige Gott, nachlassen, was ihr in Unwissenheit getan habt. Deswegen, ihr Knechte Gottes, wappnet euch, ein jeder an seinem inwendigen Menschen, mit Frieden, Gleichmut, Milde, Glaube, Liebe, Erkenntnis, Weisheit, Bruderliebe, Gastfreundschaft, Barmherzigkeit, Enthaltsamkeit, Keuschheit, Güte, Gerechtigkeit! Dann werdet ihr in Ewigkeit den Erstgeborenen der gesamten Schöpfung zu eurem Führer haben und Tugend in Frieden mit unserem Herrn. Als sie dieses aber von Paulus gehört hatten, baten sie ihn, er möge für sie beten. Paulus aber erhob seine Stimme und sprach: Ewiger Gott, Gott der Himmel, Gott von unaussprechlicher Majestät, der du alles durch dein Wort befestigt hast, der du die dem Menschen angebundene Fessel zerbrochen hast, der du das Licht deiner Gnade aller Welt hast zuteil werden lassen, Vater deines heiligen Sohnes Jesu Christi, wir bitten dich miteinander durch deinen Sohn Jesus Christus, die Seelen zu stärken, die einst ungläubig waren, jetzt aber gläubig sind. Einst war ich ein Lästerer, jetzt aber werde ich gelästert; damals war ich ein Verfolger, jetzt aber leide ich Verfolgung von anderen; damals war ich ein Feind Christi, jetzt bete ich, ein Freund sein zu dürfen⁶. Denn ich vertraue auf seine Verheißung und Barmherzigkeit; denn ich meine, daß ich gläubig bin und Vergebung für meine früheren Sünden erhalten habe. Deshalb ermahne ich auch euch, Brüder, an den Herrn, den allmächtigen Vater, zu glauben und alle eure Hoffnung auf unseren Herrn Jesus Christus, seinen Sohn, zu setzen. Wenn ihr an ihn glaubt, wird auch niemand euch aus seiner Verheißung reißen können. In gleicher Weise beuget eure Knie und empfehlet mich dem Herrn, der ich im Begriff stehe, zu einem anderen Volk zu reisen, daß seine Gnade vor mir hergehe und meine Reise gut ordne, damit die Gnade seine heiligen Gefäße und die Gläubigen⁷ aufnehmen könne und sie voller Dank gegen mich, der ich das Wort des Herrn verkünde, wohl gegründet werden können. Die Brüder aber weinten lange und flehten zu Gott mit Paulus und sagten: Du, o Herr Jesus Christus, sei mit Paulus und führe ihn uns unversehrt zurück, denn wir kennen unsere Schwachheit, die in uns bis jetzt noch ist!
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Flehentlich aber bat ein großer Haufe von Frauen kniefällig den seligen Paulus, und sie küßten seine Füße und führten ihn hinab zum Hafen, darunter auch Dionysius und Balbus aus Asien, römische Ritter, vornehme Männer. Und ein Senator mit Namen Demetrius wich nicht von der rechten Seite des Paulus und sagte: Paulus, ich möchte aus dieser Stadt fliehen, wenn ich nicht Beamter wäre, um dich nicht verlassen zu müssen. Ebenso sagten vom Hause des Kaisers Kleobius und Iphitus und Lysimachus und Aristeus und zwei Matronen Berenike und Philostrate mit dem Presbyter Narcissus, nachdem sie ihn zum Hafen geleitet hatten. Da aber ein Sturm vom Meere drohte, schickte er die Brüder nach Rom zurück, damit, wer wolle, herabkomme und Paulus höre, bis er abfahre. Als die Brüder das hörten, stiegen sie zur Stadt hinauf. Sie teilten es den Brüdern, die in der Stadt geblieben waren, mit, und sogleich verbreitete sich das Gerücht. Und da kamen die einen mit Fuhrwerk, andere zu Fuß, andere auf dem Tiber zum Hafen hinab und wurden durch seinen Glauben sehr gestärkt drei Tage lang und am vierten Tag bis zur fünften Stunde. Sie beteten abwechselnd mit Paulus, brachten ihm Gaben und legten alles, was nötig war, in das Schiff und übergaben ihm zwei gläubige Jünglinge, daß sie mit ihm führen, und nahmen im Herrn Abschied von ihm.
Mitte II.Jhdt.
1 Vorausgesetzt ist vielleicht der Schluß der neutestamentlichen Apostelgeschichte, wo Paulus' Aufenthalt in Rom, in einer Mietwohnung, aber unter Bewachung, geschildert ist (bes. Apg. 28,16 und 30). Jedenfalls kann er sich nicht frei bewegen.
2 d.h. sie beschworen ihn unter Berufung auf die Wiederkunft Chrsiti als Weltenrichter.
3 vgl. die Erzählung vom Martyrium des Paulus.
4 Brot und Wasser sind hier Elemente der Eucharistiefeier (= Opfer). Das deutet auf einen sehr alten Brauch hin und könnte hier asketisch (kein Weingenuß) gedacht sein.
5 Gemeint ist der frühere, heidnische Lebenswandel (vgl. 1.Petr. 1,18).
6 Anspielung auf die Bekehrung des Paulus, wie sie etwa in Apg. 9 erzählt wird.
7 d.h. die heiligen Gefäße, die die Gläubigen selbst sind (vgl. Apg. 9,15 und Röm. 9,23).
aus «Apokryphen»; S.583ff
https://wfgw.diemorgengab.at/zit/WfGWzit004500583.htm