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Zitatensammlung
Teil 2
Zitate von Emil BOCK zu
MARIA MAGDALENA und JUDAS
1 [...] So kann denn auch der Christus, als die anderen ihr Tun für unsinnig erklären und darüber ungeduldig werden, ein Wort sprechen, als nehme er das, was diese Frau an ihm tut, wie ein Sterbesakrament, wie einen Vollzug der letzten Ölung, entgegen.[Jh.12,1-8] Bei der früheren Salbung hatte er gesagt: Seid still. Sie hat viel geliebt, ihr wird vergeben werden. Und wir ahnen, wie Maria Magdalena [מרים המגדל] es vermocht hat, die natürlichen Liebeskräfte, die auch ins Abwesen abirrenden irdischen Liebeskräfte zu verinnerlichen und in Andacht, Inbrunst des religiösen Gefühls und sakramentale Opferfähigkeit zu verwandeln.
2 Ein schriller Mißton unterbricht die feierliche Stille. Eine Gestalt tritt hervor, die im krassen Gegensatz zu Maria Magdalena steht. Es ist einer im Kreise der Jünger, der ganz unbeherrscht und ungebärdig wird, als er die Tat der Maria Magdalena sieht. Das ist Judas [Ἰούδας]. Er gibt zwar vor, daß praktische und soziale Erwägungen ihn zu einem Protest veranlassen. Er sagt, man hätte das teuere Geld, das da vergeudet wird, den Armen geben und dadurch viel soziale Not lindern können. Das Johannes-Evangelium läßt uns aber deutlich erkennen, daß die wahren Motive seines Verhaltens nicht identisch sind mit dem, was er sagt. Schonungslos nennt das Evangelium ihn einen Dieb. Wir erkennen: gerade der Ärger über die Tat der Maria Magdalena ist es, was Judas den letzten Anstoß zu seinem Verrate gibt. In heißer Überspanntheit wartet er seit langem auf das öffentliche Hervortreten Jesu und das politische Wunder, von dem er überzeugt ist, daß es dadurch bewirkt werden wird. Alles, was in die Stille der Innerlichkeit hineinführt, muß ihm in seiner fiebernden Ungeduld als Zeitvergeudung erscheinen. In Bethanien reißt ihm die Geduld. In unbeherrschter Erregung geht er hinaus zu denen, die dem Christus nachstellen: Der zweite klassische Inhalt des Karmittwochs ist der Verrat des Judas.
3 Das Planetenmotiv des Tages wirft ein Licht auf die beiden Gestalten, die sich in der Abendmahlsrunde von Bethanien so kraß gegenüberstehen. Beide, Judas und Maria Magdalena, sind typisch merkurialische Menschen. Sie sind beweglich und temperamentvoll. Es gehört zu den Vorzügen ihres Wesens, daß sie nicht langweilig sind und daß um sie herum immer etwas geschieht. Das Rad des Lebens steht ihnen nicht still. Maria Magdalena aber bändigt die Unruhe. Sie verwandelt sie in Andacht, Frieden und Liebefähigkeit. An der Gestalt der Maria Magdalena läßt uns das Evangelium erkennen, daß wahre und wertvolle Andacht erst dann zustande kommt, wenn sie von einer lebhaften Seele errungen wird, für die der Friede nicht eine bloße Unbeweglichkeit, sondern erlöste, verinnerlichte Lebendigkeit ist. Maria Magdalena ist viel umgetrieben worden, hat vielerlei durchgemacht und ist durch viele Dunkelheiten hindurchgegangen. Aber von allem, was es an dunkler Unruhe in ihrem Leben gegeben hat, fließt jetzt Intensität in ihre Frömmigkeit ein. Diese Intensität wird es sein, die sie nachher aus allen Menschen heraushebt: sie darf als erste dem Auferstandenen schauend begegnen.
4 Judas ist der andere merkurialische Mensch. Er ist überhaupt der Typus des unruhigen Menschen, der immer nach außen hin tätig sein muß. Er gibt vor, etwas für die Armen tun zu wollen. Soziale Betriebsamkeit, so gut und anerkennenswert sie sein mag, ist sehr häufig nur eine Selbstbetäubung. Der Antrieb dazu liegt nicht immer in einem echten sozialen Impuls, sondern sehr oft in der eigenen inneren Unruhe. Viele Menschen wären sehr unglücklich, wenn man sie nötigen würde, eine Zeitlang nichts zu tun. Es würde sich dann zeigen, daß die soziale Geschäftigkeit keine wirkliche innere Leistung ist, sondern ein Nachgeben gegenüber einer uneingestandenen Schwäche. An Judas sehen wir diese Art des merkurialischen Seelentums in das dunkelste Verhängnis einmünden. Die Unruhe in ihm entspringt einer tief verborgenen Angst. In ihm rumort, nicht viel anders als in den Gegnern, die Unruhe der wesenhaften Furcht. Sie führt dazu, daß er den Christus verrät. Aus einer solchen Seelenhaltung heraus kann der Mensch nicht andächtig sein. Er kann insbesondere nicht lieben. Ein unruhiger Mensch ist nicht liebefähig. Liebe ist nur möglich, wo in der Seele bereits die Kraft des Friedens errungen ist. Und so sehen wir in den beiden Gestalten Maria Magdalena und Judas zwei Wege auseinandergehen wie an einem Kreuzweg. Der eine Weg führt in die erfüllte Christus-Nähe, der andere in den Abgrund der Umnachtung, in die Tragödie des Selbstmordes.
5 Martha [מרתה ~ Herrin], die andere Schwester des Lazarus, ist eine Art Übergang zwischen Judas und Maria Magdalena. Das Lukas-Evangelium erzählt nicht umsonst in einem früheren Zeitpunkt des Christus-Lebens die Geschichte von Maria und Martha. Martha ist die unausgesetzt Tätige. Sie kann nicht sein, ohne etwas Dienendes zu unternehmen. Wir können uns der Echtheit ihrer dienenden Hingabe nicht verschließen. Aber wir dürfen auch nicht verkennen, daß die Unruhe, von der sie körperlich geheilt wurde, im Seelischen bestehen geblieben ist. Maria, die andächtig Lauschende, wird ihr gegenüber als diejenige bezeichnet, die das gute Teil erwählt hat.
aus «Die drei Jahre»; S.343ff
https://wfgw.diemorgengab.at/zit/WfGWzit000830343.htm