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Zitatensammlung
Teil 2
Zitat von Hermann PFROGNER zur
DREIFACH TÖNENDEN OFFENBARUNG
1 Laut der altvedischen Weltentstehungslehre gilt Varuna als älteste und erste sich manifestierende Gottheit³⁹. Varuna, der Himmelsgott, ist Herrscher über Götter und Menschen. Er thront in der Mitte der Himmel als des gesamten Weltalls Hirte und Hüter⁴°. Ihm gehört die Nacht. Daß der Mond seinen Weg dahinzieht, ist sein Werk. Er ist der ehrfurchtgebietende Herr aller Wundertaten der segensspendenden Natur. Die Erde hat er zu einem buntfarbigen Teppich auseinandergeschlagen, über dem schattigen Blätterdach der Bäume hat er die Luftregion ausgebreitet, er hat die dräuenden Bergspitzen befestigt und die ganze Schöpfung ausgemessen. Himmel und Erde, die er kraftvoll auseinanderstemmt, sind ihm gleichermaßen untertan. Der Varna Bija, die tönende Offenbarung Varunas, nun ist Madyama⁴¹. Innerhalb der indischen Siebenstufigkeit, im ursprünglichen, nicht im spätzeitlichen Sinne verstanden, entspricht dem Madyama der Ton G⁴². Es hat viel für sich, den Madyama der allerältesten vedischen Gottheit zuzuordnen. Nennt man doch Madyama den »Ahnherrn der anderen Töne« (Pravara)⁴³, den ersten »aus sich selbst Hervorgegangenen« (Svayambhu) und »Unvernichtbaren« (Avianashi)⁴⁴. Alle anderen Töne gelten als veränderlich, nur der Madyama steht unerschütterlich fest, seine Saite durfte auch später auf der Stabzither Vina niemals umgestimmt werden⁴⁵.
2 Als zweite sich manifestierende vedische Gottheit wird Mitra verehrt⁴⁶. Mitra, identisch mit dem gleichnamigen iranischen Gott, ist der Herr des alldurchflutenden Lichtes⁴⁷. Helligkeit und Sanftmut, Freundlichkeit und Friedensliebe zeichnen sein Wesen aus. Einigkeit stiftend, Verträge beschirmend, waltet er unter Göttern und Menschen. Die strahlende Sonne ist sein Auge. Sein Varna Bija ist Panchama⁴⁸, dem nach gleichfalls urtümlicher Namensgebung der Ton A⁴⁹ entspricht.
3 Auf der nächsten kosmogonischen Werdestufe begegnet uns als dritte Gottheit Prithvi, die Erde⁵°. Prithvi ist die »Große Mutter«, der mütterliche Urgrund der Menschen, Tiere und Pflanzen⁵¹. Prithvi schenkt allen ihren Bewohnern Lebensraum, dank ihrem alles empfangenkönnenden und gedeihenlassenden Vermögen. Sie bietet sich dem Himmel als stets willige Grundlage dar und gewährt gütig allen Lebensträgern Halt, Schutz und förderndes Wohlergehen. Ihr Varna Bija ist Shadaja⁵², der unter vorgenannten Voraussetzungen mit dem Ton D⁵³ gleichzusetzen ist.
S.18f
³⁹ O. Gosvami [: The story of Indian music, Bombay/Kalkutta 1957], S. 7
⁴° J. Gonda [: Veda und älterer Hinduismus (Die Religionen Indiens) Stuttgart 1960], I/S. 76, 77
⁴¹ O. Gosvami, S. 6
⁴² H. Husmann: Grundlagen der antiken und orientalischen Musikkultur, Berlin 1961, S. 140, ff.; A. Bake [Indische Musik, MGG/VI], col. 1161
⁴³ A. Bake, col. 1163
⁴⁴ O. Gosvami, S. 6
⁴⁵ B Breloer: Die Grundlelemente der altindischen Musik, Bonn 1922, S. 41
Es ist interessant zu verfolgen, welche Bedeutung dem Ton G auch späterhin in Indien und anderwärts zuerkannt wird. In Indien gehört G im vollausgebildeten vedischen Heptachord Pradjāpati, Brahma und den Allgöttern, später ist G dem Shiva zu eigen und fungiert als Grundton von Bharatas Skalenmodell Ma-Grama. In China begegnet uns G als Zentralton der dem Beginn des Mondenjahres zugeordneten Pentatonik H A G E D, die als D H A G E mit Mese A auch für Griechenland bedeutsam ist. Im Mittelalter treffen wir bei uns die Tonstufe G unter der Bezeichnung »Gamma« als tiefsten Ton im Tonsystem des 10. Jahrhunderts an. Auf diesem »Gamma« baut Guido von Arezzo im 11. Jahrhundert sein Solmisations-System auf [...] Aus »Gamma« für den tiefsten Ton entsteht das französische Wort »Gamme« für Tonleiter sowie der englische Ausdruck »Gammut«. Die auf G sich gründende 4. Kirchentonart (= mixolydisch) erfährt, vielleicht nicht ohne Zusammenhang mit »Gamma« als tiefstem Ton, an einem Kapitell der Kathedrale von Autun eine christologische Ausdeutung, wobei Christus sowohl mit Ton D, als auch mit den Grundtönen des C- und F-Hexachords in Verbindung gebracht wird. Weiteres zu Ton G s. Nachrichten d. R. Steiner-Nachlaßverwalt., Nr. 26 (1969), S. 10.
⁴⁶ O. Gosvami, S. 6
⁴⁷ J. Gonda, I/S. 82
⁴⁸ O. Gosvami, S. 7
⁴⁹ A. Bake, col. 1163; H. Husmann, S. 140 ff.
⁵° O. Gosvami, S. 7
⁵¹ J. Gonda, I/S. 95
⁵² Swami Sankarananda: The prehistoric Indus Valley Civilisation; O. Gosvami, S. 7
⁵³ Prajna Nananda Swami: A history of Indian music, Calcutta 1963, I/S. 19; A. Bake, col. 1162; H. Husmann, S. 140 ff.
S.630f
aus «Lebendige Tonwelt»
https://wfgw.diemorgengab.at/zit/WfGWzit000050018.htm