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Gedichtsammlung
Dem unbekannten Gott
(1863/64)
Noch einmal, eh ich weiterziehe
Und meine Blicke vorwärtssende,
Heb' ich vereinsamt meine Hände
Zu dir empor, zu dem ich flehe,
Dem ich in tiefster Herzenstiefe
Altäre feierlich geweiht,
Daß allezeit
Mich deine Stimme wieder riefe.
Darauf erglüht tief eingeschrieben
Das Wort: dem unbekannten Gotte.
Sein bin ich, ob ich in der Frevler Rotte
Auch bis zur Sünde hin geblieben:
Sein bin ich - und ich fühl' die Schlingen,
Die mich im Kampf darniederziehn
Und, mag ich fliehn,
Mich doch zu seinem Dienste zwingen.
Ich will dich kennen, Unbekannter,
Du tief in meine Seele Greifender
Mein Leben wie ein Sturm Durchschweifender,
Du Unfaßbarer, mir Verwandter!
Ich will dich kennen, selbst dir dienen.
Friedrich Nietzsche
aus «Werke Bd.I»; S.50
https://wfgw.diemorgengab.at/zit/WfGWged00192.htm