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Gedichtsammlung
Todeshymne
Laß verhallen,
Hohe Schlucht, im blauen
Wölbigen Eise
Meinen Gesang!
Früh, wenn verjüngte Gestalten,
Immer die nächste die schönste,
Zu neuer Liebe mich locken,
Segn ich den Duldenden auch,
Der sich auf hartem Lager
Schmerzen sammelt;
Seine letzte Stunde
Wird feierlich sein.
Tilge mit Flammen,
Erdenschwingende du,
Die Sucht aus meinem Lied!
Bilde mich wie den Eibenbaum,
Der tödlich Gift nährt
In Wurzeln, Stamm und Zweigen.
Ohne Gefahr aber essen wir seine Früchte.
Die aber nicht kundig sind,
Grauen in Liebe zu wandeln,
Die starr zum Falle hinzögern,
O wer beschwingt sie?
Efeu rankt
Mitten auf eisiger Halde.
Sein unvergilbliches Grün
Gibt Ruhe schneeblinden Augen.
Frost umgreift
Kristallen
Das Mark eures Lebens,
Ihr harten Blätter.
Doch ihr grünet
Mit eigener Kühle,
Unverführbar
Fremden Genien,
Werdet grünen
Schön wie heut einst
Nach dem Sturmtag,
Wenn die silberne Wildnis
Dem glühenden verfiel.
Mich aber erwartet im Tal
Die versengende Liebe
Der Sterbenden.
Drum, du seliger Efeu,
Vor ich niedersteige,
Laß mich pflücken ein Laub!
Trinkend von dessen Rande
Reinen Reif deines Hauches,
Tauf ich mit Lebenskälte
Mein schnell verflammend Herz.
Und allen Hinuntergeweihten
Füll ich ein Gefäß,
Welches trunken macht
Lange noch nach dem Trinken.
Erglühend sinken sie.
Dann flügeln schön
Über ihren Leichnamen
Letzte Gedanken,
Früher undenkbare,
Wie Möwen
Über der öden Eisheimat.
Hans Carossa
aus «Gedichte»; S.24ff
https://wfgw.diemorgengab.at/zit/WfGWged00183.htm