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| Gedichtsammlung |
| An ein fallendes Blatt |
| Es nahet sich der Winter wieder |
| Mit seinem Schnee und Sturm und Eis, |
| Aus dürren Hainen fliehn die Lieder, |
| Es kleidet sich die Flur in Weiß, |
| Von Eichen wehn die Blätter nieder, |
| Nicht mehr belebt vom Vogelfleiß, |
| Der Sturm mit traurigem Gefieder |
| Durchhaust sie auf der Zeit Geheiß, |
| Entreißet ihr das Blatt gewaltsam, |
| Das ganz allein noch an ihr hing, |
| Und spielt damit nun unaufhaltsam |
| Und wirft es, daß er's wiederfing. |
| So reißt auch, häufen sich die Jahre |
| Und nahet sich das stille Grab, |
| Und bleichen erst die blonden Haare, |
| Der Nord die letzte Rose ab. |
| O glücklich! kann man dann mit Freuden |
| Die letzte Rose fliegen sehn |
| Und braucht den Jüngling nicht zu neiden, |
| Um den vollaufgeblüht sie stehn, |
| Kann sich auf andre Blumen freuen |
| Die Töchter der Unsterblichkeit, |
| Man braucht dann nicht den Sturm zu scheuen, |
| Der Erdenleben uns verbeut. |
| Novalis |
| in «Gesammelte Werke - Erster Band»; S.70f |
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| revid.202209 |
| https://wfgw.diemorgengab.at/zit/WfGWged00171.htm |