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Gedichtsammlung |
Nadowessiers Totenlied |
SEHT, da sitzt er auf der Matte, |
Aufrecht sitzt er da, |
Mit dem Abstand, den er hatte, |
Als ers Licht noch sah. |
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Doch wo ist die Kraft der Fäuste, |
Wo des Atems Hauch, |
Der noch jüngst zum großen Geiste |
Blies der Pfeife Rauch? |
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Wo die Augen, falkenhelle, |
Die des Renntiers Spur |
Zählten auf des Grases Welle, |
Auf dem Tau der Flur? |
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Diese Schenkel, die behender |
Flohen durch den Schnee |
Als der Hirsch, der Zwanzigender, |
Als des Berges Reh, |
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Diese Arme, die den Bogen |
Spannten streng und straff! |
Seht, das Leben ist entflogen, |
Seht, sie hängen schlaff! |
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Wohl ihm. Er ist hingegangen, |
Wo kein Schnee mehr ist, |
Wo mit Mais die Felder prangen, |
Der von selber sprießt, |
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Wo mit Vögeln alle Sträuche, |
Wo der Wald mit Wild, |
Wo mit Fischen alle Teiche |
Lustig sind gefüllt. |
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Mit den Geistern speist er droben, |
Ließ uns hier allein, |
Daß wir seine Taten loben |
Und ihn scharren ein. |
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Bringet her die letzten Gaben, |
Stimmt die Totenklag! |
Alles sei mit ihm begraben, |
Was ihn freuen mag. |
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Legt ihm unters Haupt die Beile, |
Die er tapfer schwang, |
Auch des Bären fette Keule, |
Denn der Weg ist lang. |
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Auch das Messer, scharf geschliffen, |
Das vom Feindeskopf |
Rasch mit drei geschickten Griffen |
Schälte Haut und Schopf. |
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Farben auch, den Leib zu malen, |
Steckt ihm in die Hand, |
Daß er rötlich möge strahlen |
In der Seelen Land. |
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Friedrich v.Schiller |
aus «Sämtliche
Werke Bd.IV»; S.250f |
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Nadowessier ist ein alter Ausdruck für den weitverzweigten
Indianerstamm der Sioux, auch Dakota genannt. |
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revid.202007 |
https://wfgw.diemorgengab.at/zit/WfGWged00156.htm |