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Gedichtsammlung |
Das männliche Geschlechte |
im Namen einiger Frauenzimmer besungen |
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Du Weltgepriesenes Geschlechte, |
Du in dich selbst verliebte Schaar, |
Prahlst allzusehr mit deinem Rechte, |
Das Adams erster Vorzug war. |
Doch soll ich deinen Werth besingen, |
Der dir auch wirklich zugehört; |
So wird mein Lied ganz anders klingen |
Als das, womit man dich verehrt. |
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Ihr rühmt das günstige Geschicke, |
Das euch zu ganzen Menschen macht; |
Und wißt in einem Augenblicke |
Worauf wir nimmermehr gedacht. |
Allein; wenn wir euch recht betrachten, |
So seyd ihr schwächer als ein Weib. |
Ihr müßt oft unsre Klugheit pachten, |
Noch weiter als zum Zeitvertreib. |
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Kommt her, und tretet vor den Spiegel: |
Und sprechet selbst, wie seht ihr aus? |
Der Bär, der Löwe, Luchs, und Igel |
Sieht bey euch überall heraus. |
Vergebt, ich muß die Namen nennen, |
Wodurch man eure Sitten zeigt. |
Ihr mögt euch selber wohl nicht kennen, |
Weil man von euren Fehlern schweigt. |
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Die, welche sich nur selbst erheben, |
Die gerne groß und vornehm sind, |
Nach allen Ehrenämtern streben, |
Da doch den Kopf nichts füllt als Wind: |
Die keine Wissenschaften kennen, |
Und dringen sich in Würden ein, |
Die kann man wohl mit Namen nennen, |
Daß sie der Thorheit Kinder seyn. |
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Die Männer müssen doch gestehen, |
Daß sie wie wir, auch Menschen sind. |
Daß sie auch auf zwey Beinen gehen; |
Und daß sich manche Schwachheit findt. |
Sie trinken, schlafen, essen, wachsen. |
Nur dieses ist der Unterscheid, |
Sie bleiben Herr in allen Sachen, |
Und was wir thun, heißt Schuldigkeit. |
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Der Mann muß seine Frau ernähren, |
Die Kinder, und das Hausgesind. |
Er dient der Welt mit weisen Lehren, |
So, wie sie vorgeschrieben sind. |
Das Weib darf seinen Witz nicht zeigen: |
Die Vorsicht hat es ausgedacht, |
Es soll in der Gemeinde schweigen, |
Sonst würdet ihr oft ausgelacht. |
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Ihr klugen Männer schweigt nur stille: |
Entdecket unsre Fehler nicht. |
Denn es ist selbst nicht unser Wille, |
Daß euch die Schwachheit wiederspricht. |
Trag eines nur des andern Mängel, |
So habt ihr schon genug gethan, |
Denn Menschen sind fürwahr nicht Engel, |
An denen man nichts tadeln kann. |
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Christiana Mariana v.Ziegler |
aus «Deutsche
Dichterinnen ...»; S.114f |
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revid.201808 |
https://wfgw.diemorgengab.at/zit/WfGWged00138.htm |