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| Gedichtsammlung |
| Es färbte sich die Wiese grün |
| Es färbte sich die Wiese grün |
| Und um die Hecken sah ich's blühn; |
| Tagtäglich sah ich neue Kräuter, |
| Mild war die Luft, der Himmel heiter; |
| Ich wußte nicht, wie mir geschah, |
| Und wie das wurde, was ich sah. |
| Und immer dunkler ward der Wald, |
| Auch bunter Sänger Aufenthalt, |
| Es drang mit bald auf allen Wegen |
| Ihr Klang in süßem Duft entgegen. |
| Ich wußte nicht, wie mir geschah, |
| Und wie das wurde, was ich sah. |
| Es quoll und trieb nun überall, |
| Mit Leben, Farben, Duft und Schall; |
| Sie schienen gern sich zu vereinen, |
| Daß alles möchte lieblich scheinen. |
| Ich wußte nicht, wie mir geschah, |
| Und wie das wurde, was ich sah. |
| So dacht ich: ist ein Geist erwacht, |
| Der alles so lebendig macht, |
| Und der mit tausend schönen Waren |
| Und Blüten sich will offenbaren? |
| Ich wußte nicht, wie mir geschah, |
| Und wie das wurde, was ich sah. |
| Vielleicht beginnt ein neues Reich, |
| Der lockre Staub wird zum Gesträuch, |
| Der Baum nimmt tierische Gebärden, |
| Das Tier soll gar zum Menschen werden. |
| Ich wußte nicht, wie mir geschah, |
| Und wie das wurde, was ich sah. |
| Wie ich so stand und bei mir sann, |
| Ein mächtger Trieb in mir begann. |
| Ein freundlich Mädchen kam gegangen |
| Und nahm mir jeden Sinn gefangen. |
| Ich wußte nicht, wie mir geschah, |
| Und wie das wurde, was ich sah. |
| Uns barg der Wald vor Sonnenschein. |
| Das ist der Frühling! fiel mir ein; |
| Und kurz, ich sah, daß jetzt auf Erden |
| Die Menschen sollen Götter werden. |
| Nun wußt' ich wohl, wie mir geschah, |
| Und wie das wurde, was ich sah. |
| Novalis |
| in «Gesammelte Werke - Erster Band»; S.109f |
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| revid.201807 |
| https://wfgw.diemorgengab.at/zit/WfGWged00123.htm |