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| Gedichtsammlung |
| Von den neun Ordnungen |
| O ihr herrlichen Engel, lebendes Licht! |
| Im dunklen Geheimnis jeglicher Kreatur |
| erblickt ihr zu Füßen der Gottheit |
| in brennender Sehnsucht die Augen Gottes; |
| nie könnt ihr davon gesättigt werden. |
| O welch herrliche Freuden birgt eure Natur, |
| da keine Untat sie je in euch berührte, |
| wie sie sich erstmals erhoben hat |
| in euerm Gefährten, dem Engel, der fiel. |
| Fliegen wollte er über die Zinne, |
| die im Inneren Gottes verborgen; |
| qualvoll verrenkt versank er in Trümmer. |
| Dem Geschöpfe des göttlichen Fingers |
| lieh er mit listigem Rat seines Falles Werkzeug. |
| Doch ihr, o Engel, Hüter der Völker, |
| deren Natur euer Antlitz strahlt wider, |
| o Erzengel, die ihr empfangt der Gerechten Seelen, |
| ihr Kräfte, Gewalten und Fürstentümer, |
| ihr Herrschaften und ihr Throne, |
| vereint im Geheimnis der Fünfzahl, |
| o Cherubim, Seraphim, Siegel auf die Mysterien Gottes, |
| gepriesen seid ihr! Ihr schaut am Quell |
| des Ewigen Herzens Gelaß, |
| denn gleichsam als Antlitz |
| seht ihr das Herz des Vaters |
| ausatmen seine innere Kraft. |
| Hildegard von Bingen |
| aus «Scivias»; S.593 |
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| revid.201702 |
| https://wfgw.diemorgengab.at/zit/WfGWged00107.htm |