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Gedichtsammlung |
Das Leben, das ich selbst gewählt |
Ehe ich in dieses Erdenleben kam, |
ward mir gezeigt, wie ich es leben würde: |
Da war die Kümmernis, da war der Gram, |
da war das Elend und die Leidensbürde, |
da war das Laster, das mich packen sollte, |
da war der Irrtum, der gefangennahm, |
da war der schnelle Zorn, in dem ich grollte, |
da waren Haß und Hochmut, Stolz und Scham. |
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Doch da waren auch die Freuden jener Tage, |
die voller Licht und schöner Träume sind, |
wo Klage nicht mehr ist und nicht mehr Plage |
und überall der Quell der Gaben rinnt; |
wo Liebe dem, der noch im Erdenkleid gebunden, |
die Seligkeit des Losgelösten schenkt, |
wo sich der Mensch der Menschenpein entwunden |
als Auserwählter hohen Geistes denkt. |
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Mir ward gezeigt das Schlechte und das Gute, |
mir ward gezeigt die Fülle meiner Mängel, |
mir ward gezeigt die Wunde, d'raus ich blute, |
mir ward gezeigt die Helfertat der Engel. |
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Und als ich so mein künftig Leben schaute, |
da hört' ein Wesen ich die Frage tun, |
ob ich dies zu leben mich getraute, |
denn der Entscheidung Stunde schlüge nun. |
Und ich ermaß noch einmal alles Schlimme - |
«Dies ist das Leben, das ich leben will!» |
gab ich zur Antwort mit entschloss'ner Stimme |
und nahm auf mich mein neues Schicksal still. |
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So ward ich geboren in diese Welt, |
so war's, als ich ins neue Leben trat. |
Ich klage nicht, wenn's oft mir nicht gefällt, |
denn ungeboren hab' ich es bejaht. |
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Beat Imhof |
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vgl. Max Hayek:
Der
Film des Lebens |
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revid.201611/202110 |
https://wfgw.diemorgengab.at/zit/WfGWged00106.htm |