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oser la rose |
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Fünf Ostern |
1. |
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Im Orient, wo - wie aus blühndem Hage |
Ein spielend Kinderpaar rotwangig grüßt
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Das heitre Märchen und die sinn'ge Sage |
In Rosenwäldern zwischen Blumen sprießt, |
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Dort gibt manch rauher Hirte dir die Kunde: |
Es walle Jesus Christus, ungesehn, |
Zu Ostern jährlich um die Morgenstunde |
Im Auferstehungskleid auf Ölbergs Höhn |
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Und seh' hinab nach seines Wandelns Tale, |
Das ihm ein Kreuz und Leichentuch einst wies; |
Wo Zion stolz geprangt im goldnen Strahle, |
Granitnes Bollwerk, das sein Fluch zerblies! |
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Und Ostern war es einst; der Herr sah nieder |
Zur kahlen Flur, verödet und ergraut, |
Rings Trümmer, Asch' und Staub, und Trümmer
wieder, |
Und Schutt auf Schutt, soweit das Auge schaut! |
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Er weiß, es sind dies nur die wirren Schollen |
Durchwühlten, neugepflügten Ackerlands, |
Wo einst die Saatenwogen fluten sollen, |
Und winden sich der goldne Garbenkranz! |
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Er sieht daraus den Baum der neuen Lehre |
Mit tiefer Wurzel, ries'gem Säulenschaft, |
Sich steigend wölben über Land und Meere |
Und weithin streuen Schatten, Früchte, Kraft! |
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Des Tods Triumphzug ging durch diese Gründe, |
Rings keine Spur von eines Menschen Pfad, |
Kein Vogel singt, es rauscht kein Blatt im Winde, |
Es weht kein Halm, es grünet keine Saat. |
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Daß doppelt groß der Sieg des Todes rage, |
Lebt spärlich hier noch eines Lebens Schein: |
Es seufzt, wie eines Dichters Leichenklage, |
Des Kedrons Quelle zischend durchs Gestein: |
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«Einst streckt' ich wohlbehaglich meine Glieder |
Im Blütenpfühl, auf weichem Silberkies, |
Bis von Morias alter Feste nieder |
In meinen Schoß der Sturm die Trümmer stieß! |
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Nun ich den Leib von Stein an Steine trage, |
Muß ich wohl ächzen laut vor Schmerz und
Zorn; |
Nun die Gelenk' an Trümmern wund ich schlage, |
Ist, gleich als blut' er, jetzt so rot mein Born! |
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Mein Born, so klar einst, weisend noch als Spiegel |
Der Kön'ge Burg, den Tempel gottverklärt, |
Palastbesäte, wallumkränzte Hügel |
Und auch ein Volk, einst solcher Fülle wert! |
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O daß sich am Gestein zu Scherben schlüge |
Der Spiegel, dem einst solches ward zu schaun, |
Auf daß dies Bild des Tods er nimmer trüge, |
Dies Bild verdorrter Fluren voll von Grau'n! |
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Die Gräber nur, die sie in Fels einst hieben, |
Sie halten jetzt noch, wie seit Jahren schon; |
Sie sind rings um dies große Grab geblieben, |
Termitenhügel um den Libanon! |
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Und als der alte Bau zusammenkrachte, |
Flog weit des Staubes Wolke, riesengroß, |
Daß grau die Flur jetzt, die so grün einst
lachte, |
Und grauen Schleier trägt das ärmste Moos! |
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Da floh des Volkes Rest, lebend'ge Leichen, |
Tod ohne Tempel, Satzung, Vaterland! |
Da sah ich Baum und Strauch weithin erbleichen, |
Und morsch aufs Antlitz sinken in den Sand! |
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Fort flogen da der Büsche Nachtigallen, |
Die Vögel all, weit übers ferne Meer; |
Nicht ziemt es ihrem freud'gen Lied, zu schallen, |
Wo alles schweigt und trauert ringsumher. |
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Fort zogen da die Rosen auch nach ihnen, |
Bis an das blaue Meer, das Halt! gebot; |
Da blühn sie gaukelnd nun die reichen, grünen |
Gestad' entlang, ein Blumenmorgenrot! |
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Fort alle Farben, fort auch alle Töne, |
Und alles, alles Leben fortgedrängt! |
Ich blieb allein zurück als eine Träne, |
Die an dem Auge der Vernichtung hängt.» |
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2. |
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Und wieder Ostern war es einst, und wieder |
Sah Jesus von des Ölbergs Höhn zu Tal; |
Auf alle Fluren sank der Lenz schon nieder, |
Nur hier blieb alles wüst und grau und kahl. |
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Gleich wie die Schwalbe wohl die Brandesstelle |
Des einst so schönen Hauses bang umschwebt |
Und doch, ob mitverbrannt auch ihre Zelle, |
Das neue Nestchen an die Trümmer klebt; |
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So wagte mählich an die Trümmerreste |
Der Mensch sich wieder hier, und ins Gestein |
Baut' er sich Hütten, Häuser und Paläste, |
Bis er es wachsend sah zur Stadt gedeihn. |
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Wenn diese Stadt ihr Auge wollte lenken |
Auf Schutt und Trümmer rings, draus ihr Entstehn, |
Sie müßte auch wie jeder Wandrer denken: |
Du wardst aus Trümmern, wirst in Trümmer
gehn! |
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Sie denkt es nicht! Denn horch! von ihren Zinnen |
Schallt freudighell der Glocken voller Klang. |
Wer fröhlich singt, mag nicht des Sterbens sinnen, |
Und Glocken sind der Städte Lied und Sang. |
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Dort um den Dom aus grauem Felsgesteine, |
Drinn in den Hallen, draußen im Gefild |
Schart sich in Helm und Panzer die Gemeine |
Kampfrüst'ger, ehr'ner Männer, rauh und wild. |
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Wie all' die Speer' aufs Marmorpflaster klirren! |
Wie mutig draußen wiehert Pferd an Pferd! |
Und Panzer glänzen, farb'ge Banner schwirren, |
An jeder Lende hängt ein rasselnd Schwert. |
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Weh, liegen sie im Krieg mit ihrem Gotte, |
Daß sie in Erz umlagern rings sein Haus? |
Weh, will den Himmel stürmen gar die Rotte |
Daß sie zum Tempel zieht gewaffnet aus? |
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Doch nein! Wie sie in Demut plötzlich nieder |
Beim Orgelklang auf ihre Kniee saust! |
Es beugt das Haupt sich und die stolzen Glieder, |
Und reuig schlägt ans Herz die Eisenfaust. |
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Das Christuskreuz, das heilge seh ich ragen |
Hoch von des Domes Kuppeln, licht und frei, |
Die Männer auch es all am Busen tragen: |
O daß auch er ein Dom des Gottes sei! |
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Sie hefteten in Farben aller Arten |
Das Kreuz auf ihre Kriegesmäntel sich, |
Wie wandelnde, lebend'ge Kreuzstandarten, |
Zur Huldigung gesenkt jetzt feierlich. |
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Wie am Altar, wo tausend Ampeln flimmern, |
Der Priester jetzt das Brot des Opfers bricht, |
Seh' rot von Blut ich seine Hände schimmern, |
Und traun, mich dünkt's, von Christi Blut ist's
nicht! |
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Zunächst am Altar, andachtsvoll geneiget, |
Im samtnen Betstuhl kniet ein Mann allein, |
Vor allen schön, selbst schön aufs Knie gebeuget, |
Fürwahr, noch schöner müßt' er
aufrecht sein |
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Des Mann's Gebet gleicht seinen heim'schen Eichen, |
Die, stolz sonst fühlend ihres Marks Gewalt, |
In Demut doch die Wipfel niederstreichen, |
Wenn Sturm, die Orgel Gottes, drüber hallt: |
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«Vollbracht ist's! - ach, wie alles Menschenstreben! |
Kein Stein, drum nicht schon kämpfte Menschenwut, |
Kein Strauch, an dem nicht Menschentränen kleben, |
Kein Stäubchen Land, an dem nicht Menschenblut! |
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Das Kreuz, in dieses Tal einst starrend nieder, |
Der Schande, Schmach und Untat blut'ger Pfahl, |
Auf Golgatha erhöhten jetzt wir's wieder, |
Glanzvoll und hoch, des Sieges herrlich Mal! |
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Von aller Kön'ge Kronen, allen Fahnen, |
In alles Land, von allen Bergen dar, |
Auf allen Masten, allen Ozeanen |
Strahlt glorreich jetzt, was einst ein Galgen war! |
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Sie kränzten mich mit blankem Kronenbande! |
Ob dreifach auch durchglüht sein goldnes Laub |
In jener Städt' und Hütten rotem Brande, |
Doch fällt, wie dieser Schutt, sie einst zu Staub. |
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Nur eine Krone wird hier ewig glänzen |
Und ewig leuchten überm Tale hier: |
Sie ward geflochten einst aus Dornenkränzen! |
Weh, daß die Kron' ich trage neben ihr! |
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Ha, seh' ich die Gemeinde, die zum Feste |
Statt grüner Palmen blut'ge Schwerter trug, |
Da ahn' ich hier auch Kajins Opferreste, |
Der seinen Bruder argen Grimms erschlug. |
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Da ahn' ich's: rings von allen Stirnen grelle |
Muß auch des Brudermörders Blutmal schrein! |
Ach, wär' ich jener Pilger an der Schwelle |
Und trüg' ein Herz, wie er, so still und rein! |
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O läg' mein Haupt, wie seins, am Schwellensteine, |
In lichte Träume sterbend eingewiegt! |
Die bleiche Lilie sinkt im Erdenhaine, |
Der Glaube zu den Himmelssternen fliegt.» |
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3. |
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Und wieder Ostern war's, vom Ölberg wieder |
Sah Jesus in das Tal zur Stadt hinab: |
Das Kreuz, gestürzt ist's von den Zinnen nieder, |
Nur eins steht schüchtern noch ob seinem Grab. |
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Hoch von Moscheenkuppeln, Minaretten |
Prangt goldnen Strahls der Halbmond übers Land; |
Der Ruf des Muezzins gebeut zu beten, |
Wo stolz einst Salomonis Tempel stand. |
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Dem Stein gilt's gleich, welch Zeichen man ihm wählte, |
Ob er als Tempel, Dom, Moschee euch dien'; |
Vom Menschen lernt er's ab, daß gleich ihm's
gelte, |
Tritt Mönch, Levite oder Derwisch ihn. |
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Der Moslem riß herab aus Himmelsfernen |
Den Mond, zu schmücken seinen Erdenraum; |
Der Christ hob von der Erde zu den Sternen |
Sein Kreuz, gezimmert nur aus ird'schem Baum. - |
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Zerstäubt, vermodert längst des Kreuzes Fechter! |
Kein Psalm, kein Glockenklang in weiter Luft! |
Nur Mönche blieben, hütend noch als Wächter, |
Wie treue Doggen, ihres Herren Gruft. |
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Dies leere Grab, sie kauften es mit Golde, |
Krambuden schlug der Heide drinnen auf; |
Dem müden Pilger beut um schnöde Solde |
Er Platz für seine beiden Knie' zu Kauf. |
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Der Ostern Fest ist's heut! Auf allen Bahnen |
Ziehn fromme Christenpilger wohl heran? |
Durch alle Lande reiche Karawanen |
Und rüst'ge Schiff' auf aller Meere Plan? |
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Nein! Öd' und leer sind noch des Domes Hallen, |
Darin zerstreut nur einzle Beter knien! |
Vielleicht daß draußen noch vor'm Tor sie
wallen? |
Blick' um dich, Auge, wo die Wandrer ziehn? |
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Kein Pilger hier! Nur Beduinen jagen |
Auf flinken Rossen durch das Heideland; |
Kein Pilger dort! Die Christenschiffe tragen |
Des Kaufherrn Gold und Ballen nur zum Strand. |
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Sieh dort, bemoost vier Trümmerwände ragen, |
Längst eingebrochen ist Gewölb' und Dach; |
Ein Kirchlein Gottes war's in alten Tagen, |
Jetzt stürzt es mählich seinen Bauherrn nach. |
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Es sprießen grüne Terebinthen drinnen, |
Sie stehn die letzten, treuen Beter hier; |
Es wölbt ihr Laub zu Kuppeln sich und Zinnen, |
Es ragen ihre Stamm' als Säulenzier. |
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In ihrem Schatten ruht ein müder Waller, |
Olivenfarbe trägt sein Angesicht, |
Wahrzeichen trägt auch er der Pilger aller: |
Den Stab und Staub, - doch Christi Zeichen nicht! |
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Er ist ein Körnlein jener Handvoll Samen, |
Die einst der Sturm von diesem Boden hob |
Und in die Länder säte aller Namen |
Und weit hinaus in alle Winde stob! |
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Und wie ums Haupt beim Laubeswehn ihm schwanken |
Bald Sonnenlichter, bald die Schatten dicht, |
So gaukeln drinn die Bilder und Gedanken, |
Bald mitternächtig schwarz, bald sonnenlicht: |
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«Mir blüht kein Vaterland! Die Brüder
ringen |
Durchs Leben sich, zerstreut, im Wandrerkleid! |
Und doch sind wir ein Volk! In eins verschlingen |
Gemeinsam Elend uns, gemeinsam Leid! |
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Vom Manne, der nicht sterben kann, die Sage |
Lallt manch ein Christenkind, vom Ahasver. |
Es wallt vorbei der Völker Sarkophage |
Mein Volk, unsterblich, zäh und hart, wie er! |
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Die Christen sahn's, da mocht' es ihnen dünken, |
Es sei wohl eisenfest auch unser Leib, |
Daß unser Blut ihr Schwert sie ließen trinken, |
Uns niederdolchten Greis und Kind und Weib! |
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Die Christen sahn's, und unsres Leibes Glieder |
Hielt da wohl auch für feuerfest ihr Wahn, |
Daß sie uns Haus und Hütten brannten nieder |
Und unter uns den Holzstoß schürten an! |
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Was zürnen sie? Weil einst, was noch sie üben, |
Gerichtet einen Sünder wir nach Fug! |
Wenn das er lehrte, was sie tun und trieben, |
Traun, war's kein Unrecht, was ans Kreuz ihn schlug! |
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Und gönnst du, Christ, uns einst auch deine Fluren, |
Gibst du uns Freiheit, Recht, Gesetz zurück, |
Ein Krieg, den die Jahrtausende sich schwuren, |
Den endigt nicht ein Friedensaugenblick! |
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Hier ist mir wohl! Hier sind wir gleich, wir beiden, |
Verschmäht, getreten gleich, in diesem Land! |
Doch unterm Tritte selbst der schnöden Heiden |
Reich ich dir nicht zum Frieden meine Hand! - |
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Genug der Rast! Wie labt des Schlummers Bronnen! |
Laßt sehn, wie die Geschäft' am Grab dort
stehn. - |
Kauft Goldmonstranzen, Rosenkranz, Madonnen! |
Kauft Kreuze, schmucke Kreuze, blank und schön!» |
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4. |
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Und wieder sah der Herr vom Ölberg nieder, |
Ein Ostermorgen glänzt aufs Talgefild! |
Ihn grüßen keine Glocken, keine Lieder. |
In Lüften nur wehn Festesschauer mild. |
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Noch strahlt der Halbmond von den Zinnen allen, |
Fest wie ein Ätherbild, siegreich und klar; |
Doch auch das Kreuz am Grab ist nicht zerfallen, |
Und nicht gewichen seiner Mönche Schar. |
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Zersplittert in des Wahnes Sekten, fachten |
Statt Friedenslampen Hassesglut sie an; |
Kaum fochten Kreuz und Mond so blut'ge Schlachten, |
Als hier der braun' und graue Kuttenmann! |
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Altar und Kanzel werden Schanz' und Festen, |
Feldlager ist der Dom, drinn kampferglüht |
Roms Mönch im Norden steht, der Kopt' im Westen, |
Der Griech' im Ost, Armenier im Süd. |
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Des Pascha drohend Antlitz muß es wahren, |
Daß nicht ihr Blut besudle den Altar: |
Gebietend hält der Stock des Janitscharen |
In Eintracht hier der Friedenslehrer Schar. |
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Im Kloster liegt ein Mönch auf seinen Knien, |
Mit weißem Bart, vom Morgenwind umweht, |
Und zwischen Rosen, die vor Andacht glühen, |
Wetteifernd sprießt gen Himmel sein Gebet: |
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«Wie freudig soll mein morsch Gebein versinken |
Einst in dein graues Leichentuch, o Tal, |
Säh' nur mein brechend Auge wieder blinken |
Von allen Zinnen hoch des Kreuzes Strahl! |
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Und ließest du auf allen Bergen wieder, |
Herr, deine Oriflamme siegreich stehn, |
Der Glocken Klang, der Christenpilger Lieder |
Anstatt der Blumen übers Grab mir wehn! |
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Zwar als du jüngst in deiner Gottheit Schöne |
Im Traum mir nah, rief donnergleich dein Zorn: |
Hinweg, Unwürd'ge, ihr der Zwietracht Söhne, |
Nicht fürder schändet hier des Friedens Born! |
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Ihr, die in meinem Dom um eine Stufe, |
Um eine Pfort' ihr wild in Hader schwellt, |
Wißt, daß der Erdball rings zu mir die
Stufe, |
Und meine Pforte rings die weite Welt! |
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Ihr, die ihr um ein Altarlämpchen streitet, |
Ihr Blinden ahnt in eurer Nacht es kaum, |
Daß, meines Lichtes voll, sich glänzend
breitet |
Rings um und über euch der Erde Raum! |
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Ich pflanzte, reichen Schirms sich zu erheben, |
Einst meinen Fruchtbaum in den Erdenhain |
Mein Wort, es quillt lebend'ges, volles Leben, |
Und nicht gefesselt ist's an toten Stein! |
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So sprachst du, Herr. Doch was mein Aug' in Tränen |
Längst von dir flehte, hast du jetzt gesandt! |
Es baute kühn ein Heer von Gottfrieds Söhnen |
Sich Zelte in der Pharaonen Land! |
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In ihrem Blick die alte Schlachtenweihe, |
Ums Haupt des alten Ruhmes Widerschein, |
In Arm und Brust die alte Kraft und Treue! |
Da wird wohl auch der alte Glaube sein! |
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Dort steht der Feldherr! Um sein Haupt zu kühlen, |
Gebricht's an frischen Siegespalmen nie. |
Des Nilstroms Katarakte stäubend spülen |
Des neuen Ruhmes Taufe über sie. |
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Ich weiß es, seines Degens Feuerrute |
Schwang über Murad Bei allein er nicht, |
Und mit des Mamelucken Übermute |
Geht nicht allein sein Zürnen ins Gericht. |
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Ich weiß, als Straße nur zu Zions Tale |
Liegt ihm die Wüste vor den Augen da; |
Ich weiß, der Pyramiden Riesenmale |
Sind ihm die Staffeln nur zu Golgatha! |
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Da wird einst stehn, den Halbmond zu den Füßen, |
Das goldne Kreuz hoch in der Hand, der Held, |
Die graue Flur den grauen Mantel grüßen: |
Er deckt, wie sie, die Größe einer Welt! |
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Auf Golgatha läßt ruhn er seine Aare |
Ums Kreuz, des Sieg den schönsten Kranz ihm gab. |
Die andern Kränze nimmt er aus dem Haare |
Und legt sie nieder aufs befreite Grab!» - |
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So sprach der Mönch. Und horch, die fernen Hügel |
Erdröhnen dumpf, wie eh'ner Heere Gang; |
Und horch, in Lüften rauscht's wie Adlerflügel, |
Wie ferner Waffenhall und Schlachtgesang. |
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Ja, seine Heere sind's! - Doch raschen Zuges, |
Im Siegesglanz, ziehn sie vorbei, vorbei! |
Ja, seine Adler sind's! - Doch stolzen Fluges |
Rauscht ihres Fittichs Schlag vorbei, vorbei! |
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5. |
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Und Ostern wird es einst, der Herr sieht nieder |
Vom Ölberg in das Tal, das klingt und blüht; |
Rings Glanz und Füll' und Wonn' und Wonne wieder, |
So weit sein Aug' - ein Gottesauge - sieht! |
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Ein Ostern, wie's der Dichtergeist sieht blühen, |
Dem's schon zu schaun, zu pflücken jetzt erlaubt |
Die Blütenkränze, die als Kron' einst glühen |
Um der noch ungebornen Tage Haupt! |
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Ein Ostern, wie's das Dichteraug' sieht tagen, |
Das überm Nebel, der das Jetzt umzieht, |
Die morgenroten Gletscherhäupter ragen |
Der werdenden Jahrtausende schon sieht! |
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Ein Ostern, Auferstehungsfest, das wieder |
Des Frühlings Hauch auf Blumengräber sät; |
Ein Ostern der Verjüngung, das hernieder |
Ins Menschenherz der Gottheit Atem weht! |
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Sieh, welche Wandlung blüht auf Zions Bahnen! |
Längst hält ja Lenz sein Siegeslager hier; |
Auf Bergen wehn der Palmen grüne Fahnen, |
Im Tale prangt sein Zelt in Blütenzier! |
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Längst wogt ja über all' den alten Trümmern |
Ein weites Saatenmeer in goldner Flut, |
Wie fern im Nord, wo weiße Wellen schimmern, |
Versunken tief im Meer Vineta ruht. |
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Längst über alten Schutt ist unermessen |
Geworfen frischer Triften grünes Kleid, |
Gleichwie ein stilles, freundliches Vergessen |
Sich senkt auf dunkler Tag' uraltes Leid. |
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Längst stehn die Höhn umfahn von Rebgewinden, |
Längst blüht ein Rosenhag auf Golgatha. |
Will jetzt ein Mund den Preis der Rose künden, |
Nennt er gepaart Schiras und Golgatha. |
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Längst alles Land weitum ein sonn'ger Garten; |
Es ragt kein Halbmond mehr, kein Kreuz mehr da! |
Was sollten auch des blut'gen Kampfs Standarten? |
Längst ist es Frieden, ew'ger Frieden ja! |
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Der Kedron blieb! Er quillt vor meinen Blicken, |
Ins Bett von gelben Ähren eingeengt, |
Wohl noch als Träne, - doch die dem Entzücken |
Sich durch die blonden, goldnen Wimpern drängt! |
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Das ist ein Blühen rings, ein Duften, Klingen, |
Das um die Wette sprießt und rauscht und keimt, |
Als gält' es jetzt, geschäftig einzubringen, |
Was starr im Schlaf Jahrtausende versäumt. |
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Das ist ein Glänzen rings, ein Funkeln, Schimmern |
Der Städt' im Tal, der Häuser auf den Höhn; |
Kein Ahnen, daß ihr Fundament auf Trümmern, |
Kein leiser Traum des Grabs, auf dem sie stehn! |
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Die Flur durchjauchzt, des Segens freud'ger Deuter, |
Ein Volk, vom Glück geküßt, an Tugend
reich, |
Gleich den Gestirnen ernst zugleich und heiter, |
Wie Rosen schön, wie Zedern stark zugleich. |
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Begraben längst in des Vergessens Meere, |
Seeungetümen gleich in tiefer Flut, |
Die alten Greu'l, die blut'ge Schergenehre, |
Der Krieg und Knechtsinn und des Luges Brut. |
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Einst, da begab sich's, daß im Feld die Kinder |
Ausgruben gar ein formlos, eisern Ding; |
Als Sichel däucht's zu grad und schwer die Finder, |
Als Pflugschar fast zu schlank und zu gering. |
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Sie schleppen's mühsam heim gleich seltnem Funde, |
Die Eltern sehn es, - doch sie kennen's nicht. |
Sie rufen rings die Nachbarn in der Runde, |
Die Nachbarn sehn es, - doch sie kennen's nicht |
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Da ist ein Greis, der in der Jetztwelt Tage |
Mit weißem Bart und fahlem Angesicht |
Hereinragt, selbst wie eine alte Sage; |
Sie zeigen's ihm, - er aber kennt es nicht. |
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Wohl ihnen allen, daß sie's nimmer kennen! |
Der Ahnen Torheit, längst vom Grab verzehrt, |
Müßt' ihnen noch im Aug' als Träne
brennen. |
Denn was sie nimmer kannten, - war ein Schwert! |
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Als Pflugschar soll's fortan durch Schollen ringen, |
Dem Saatkorn nur noch weist's den Weg zur Gruft; |
Des Schwertes neue Heldentaten singen |
Der Lerchen Epopee'n in sonn'ger Luft! - |
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Einst wieder sich's begab, daß, als er pflügte, |
Der Ackersmann wie an ein Felsstück stieß, |
Und, als sein Spaten rings die Hüll' entfügte, |
Ein wundersam Gebild aus Stein sich wies. |
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Er ruft herbei die Nachbarn in der Runde, |
Sie sehn sich's an, - jedoch sie kennen's nicht! |
Uralter, weiser Greis, du gibst wohl Kunde? |
Der Greis besieht's, - jedoch er kennt es nicht. |
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Ob sie's auch kennen nicht, doch steht's voll Segen |
Aufrecht in ihrer Brust, in ew'gem Reiz, |
Es blüht sein Same rings auf allen Wegen; |
Denn was sie nimmer kannten, - war ein Kreuz! |
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Sie sahn den Kampf nicht und sein blutig Zeichen, |
Sie sehn den Sieg allein und seinen Kranz. |
Sie sahn den Sturm nicht mit den Wetterstreichen, |
Sie sehn nur seines Regenbogens Glanz! |
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Das Kreuz von Stein, sie stellen's auf im Garten, |
Ein rätselhaft, ehrwürdig Altertum, |
Dran Rosen rings und Blumen aller Arten |
Empor sich ranken, kletternd um und um. |
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So steht das Kreuz inmitten Glanz und Fülle |
Auf Golgatha, glorreich, bedeutungsschwer: |
Verdeckt ist's ganz von seiner Rosen Hülle, |
Längst sieht vor Rosen man das Kreuz nicht mehr. |
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Anastasius Grün |
aus «GA
130»; S.291ff |
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