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| Gedichtsammlung |
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| oser la rose |
| Fünf Ostern |
| 1. |
| Im Orient, wo - wie aus blühndem Hage |
| Ein spielend Kinderpaar rotwangig grüßt - |
| Das heitre Märchen und die sinn'ge Sage |
| In Rosenwäldern zwischen Blumen sprießt, |
| Dort gibt manch rauher Hirte dir die Kunde: |
| Es walle Jesus Christus, ungesehn, |
| Zu Ostern jährlich um die Morgenstunde |
| Im Auferstehungskleid auf Ölbergs Höhn |
| Und seh' hinab nach seines Wandelns Tale, |
| Das ihm ein Kreuz und Leichentuch einst wies; |
| Wo Zion stolz geprangt im goldnen Strahle, |
| Granitnes Bollwerk, das sein Fluch zerblies! |
| Und Ostern war es einst; der Herr sah nieder |
| Zur kahlen Flur, verödet und ergraut, |
| Rings Trümmer, Asch' und Staub, und Trümmer wieder, |
| Und Schutt auf Schutt, soweit das Auge schaut! |
| Er weiß, es sind dies nur die wirren Schollen |
| Durchwühlten, neugepflügten Ackerlands, |
| Wo einst die Saatenwogen fluten sollen, |
| Und winden sich der goldne Garbenkranz! |
| Er sieht daraus den Baum der neuen Lehre |
| Mit tiefer Wurzel, ries'gem Säulenschaft, |
| Sich steigend wölben über Land und Meere |
| Und weithin streuen Schatten, Früchte, Kraft! |
| Des Tods Triumphzug ging durch diese Gründe, |
| Rings keine Spur von eines Menschen Pfad, |
| Kein Vogel singt, es rauscht kein Blatt im Winde, |
| Es weht kein Halm, es grünet keine Saat. |
| Daß doppelt groß der Sieg des Todes rage, |
| Lebt spärlich hier noch eines Lebens Schein: |
| Es seufzt, wie eines Dichters Leichenklage, |
| Des Kedrons Quelle zischend durchs Gestein: |
| «Einst streckt' ich wohlbehaglich meine Glieder |
| Im Blütenpfühl, auf weichem Silberkies, |
| Bis von Morias alter Feste nieder |
| In meinen Schoß der Sturm die Trümmer stieß! |
| Nun ich den Leib von Stein an Steine trage, |
| Muß ich wohl ächzen laut vor Schmerz und Zorn; |
| Nun die Gelenk' an Trümmern wund ich schlage, |
| Ist, gleich als blut' er, jetzt so rot mein Born! |
| Mein Born, so klar einst, weisend noch als Spiegel |
| Der Kön'ge Burg, den Tempel gottverklärt, |
| Palastbesäte, wallumkränzte Hügel |
| Und auch ein Volk, einst solcher Fülle wert! |
| O daß sich am Gestein zu Scherben schlüge |
| Der Spiegel, dem einst solches ward zu schaun, |
| Auf daß dies Bild des Tods er nimmer trüge, |
| Dies Bild verdorrter Fluren voll von Grau'n! |
| Die Gräber nur, die sie in Fels einst hieben, |
| Sie halten jetzt noch, wie seit Jahren schon; |
| Sie sind rings um dies große Grab geblieben, |
| Termitenhügel um den Libanon! |
| Und als der alte Bau zusammenkrachte, |
| Flog weit des Staubes Wolke, riesengroß, |
| Daß grau die Flur jetzt, die so grün einst lachte, |
| Und grauen Schleier trägt das ärmste Moos! |
| Da floh des Volkes Rest, lebend'ge Leichen, |
| Tod ohne Tempel, Satzung, Vaterland! |
| Da sah ich Baum und Strauch weithin erbleichen, |
| Und morsch aufs Antlitz sinken in den Sand! |
| Fort flogen da der Büsche Nachtigallen, |
| Die Vögel all, weit übers ferne Meer; |
| Nicht ziemt es ihrem freud'gen Lied, zu schallen, |
| Wo alles schweigt und trauert ringsumher. |
| Fort zogen da die Rosen auch nach ihnen, |
| Bis an das blaue Meer, das Halt! gebot; |
| Da blühn sie gaukelnd nun die reichen, grünen |
| Gestad' entlang, ein Blumenmorgenrot! |
| Fort alle Farben, fort auch alle Töne, |
| Und alles, alles Leben fortgedrängt! |
| Ich blieb allein zurück als eine Träne, |
| Die an dem Auge der Vernichtung hängt.» |
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| 2. |
| Und wieder Ostern war es einst, und wieder |
| Sah Jesus von des Ölbergs Höhn zu Tal; |
| Auf alle Fluren sank der Lenz schon nieder, |
| Nur hier blieb alles wüst und grau und kahl. |
| Gleich wie die Schwalbe wohl die Brandesstelle |
| Des einst so schönen Hauses bang umschwebt |
| Und doch, ob mitverbrannt auch ihre Zelle, |
| Das neue Nestchen an die Trümmer klebt; |
| So wagte mählich an die Trümmerreste |
| Der Mensch sich wieder hier, und ins Gestein |
| Baut' er sich Hütten, Häuser und Paläste, |
| Bis er es wachsend sah zur Stadt gedeihn. |
| Wenn diese Stadt ihr Auge wollte lenken |
| Auf Schutt und Trümmer rings, draus ihr Entstehn, |
| Sie müßte auch wie jeder Wandrer denken: |
| Du wardst aus Trümmern, wirst in Trümmer gehn! |
| Sie denkt es nicht! Denn horch! von ihren Zinnen |
| Schallt freudighell der Glocken voller Klang. |
| Wer fröhlich singt, mag nicht des Sterbens sinnen, |
| Und Glocken sind der Städte Lied und Sang. |
| Dort um den Dom aus grauem Felsgesteine, |
| Drinn in den Hallen, draußen im Gefild |
| Schart sich in Helm und Panzer die Gemeine |
| Kampfrüst'ger, ehr'ner Männer, rauh und wild. |
| Wie all' die Speer' aufs Marmorpflaster klirren! |
| Wie mutig draußen wiehert Pferd an Pferd! |
| Und Panzer glänzen, farb'ge Banner schwirren, |
| An jeder Lende hängt ein rasselnd Schwert. |
| Weh, liegen sie im Krieg mit ihrem Gotte, |
| Daß sie in Erz umlagern rings sein Haus? |
| Weh, will den Himmel stürmen gar die Rotte |
| Daß sie zum Tempel zieht gewaffnet aus? |
| Doch nein! Wie sie in Demut plötzlich nieder |
| Beim Orgelklang auf ihre Kniee saust! |
| Es beugt das Haupt sich und die stolzen Glieder, |
| Und reuig schlägt ans Herz die Eisenfaust. |
| Das Christuskreuz, das heilge seh ich ragen |
| Hoch von des Domes Kuppeln, licht und frei, |
| Die Männer auch es all am Busen tragen: |
| O daß auch er ein Dom des Gottes sei! |
| Sie hefteten in Farben aller Arten |
| Das Kreuz auf ihre Kriegesmäntel sich, |
| Wie wandelnde, lebend'ge Kreuzstandarten, |
| Zur Huldigung gesenkt jetzt feierlich. |
| Wie am Altar, wo tausend Ampeln flimmern, |
| Der Priester jetzt das Brot des Opfers bricht, |
| Seh' rot von Blut ich seine Hände schimmern, |
| Und traun, mich dünkt's, von Christi Blut ist's nicht! |
| Zunächst am Altar, andachtsvoll geneiget, |
| Im samtnen Betstuhl kniet ein Mann allein, |
| Vor allen schön, selbst schön aufs Knie gebeuget, |
| Fürwahr, noch schöner müßt' er aufrecht sein |
| Des Mann's Gebet gleicht seinen heim'schen Eichen, |
| Die, stolz sonst fühlend ihres Marks Gewalt, |
| In Demut doch die Wipfel niederstreichen, |
| Wenn Sturm, die Orgel Gottes, drüber hallt: |
| «Vollbracht ist's! - ach, wie alles Menschenstreben! |
| Kein Stein, drum nicht schon kämpfte Menschenwut, |
| Kein Strauch, an dem nicht Menschentränen kleben, |
| Kein Stäubchen Land, an dem nicht Menschenblut! |
| Das Kreuz, in dieses Tal einst starrend nieder, |
| Der Schande, Schmach und Untat blut'ger Pfahl, |
| Auf Golgatha erhöhten jetzt wir's wieder, |
| Glanzvoll und hoch, des Sieges herrlich Mal! |
| Von aller Kön'ge Kronen, allen Fahnen, |
| In alles Land, von allen Bergen dar, |
| Auf allen Masten, allen Ozeanen |
| Strahlt glorreich jetzt, was einst ein Galgen war! |
| Sie kränzten mich mit blankem Kronenbande! |
| Ob dreifach auch durchglüht sein goldnes Laub |
| In jener Städt' und Hütten rotem Brande, |
| Doch fällt, wie dieser Schutt, sie einst zu Staub. |
| Nur eine Krone wird hier ewig glänzen |
| Und ewig leuchten überm Tale hier: |
| Sie ward geflochten einst aus Dornenkränzen! |
| Weh, daß die Kron' ich trage neben ihr! |
| Ha, seh' ich die Gemeinde, die zum Feste |
| Statt grüner Palmen blut'ge Schwerter trug, |
| Da ahn' ich hier auch Kajins Opferreste, |
| Der seinen Bruder argen Grimms erschlug. |
| Da ahn' ich's: rings von allen Stirnen grelle |
| Muß auch des Brudermörders Blutmal schrein! |
| Ach, wär' ich jener Pilger an der Schwelle |
| Und trüg' ein Herz, wie er, so still und rein! |
| O läg' mein Haupt, wie seins, am Schwellensteine, |
| In lichte Träume sterbend eingewiegt! |
| Die bleiche Lilie sinkt im Erdenhaine, |
| Der Glaube zu den Himmelssternen fliegt.» |
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| 3. |
| Und wieder Ostern war's, vom Ölberg wieder |
| Sah Jesus in das Tal zur Stadt hinab: |
| Das Kreuz, gestürzt ist's von den Zinnen nieder, |
| Nur eins steht schüchtern noch ob seinem Grab. |
| Hoch von Moscheenkuppeln, Minaretten |
| Prangt goldnen Strahls der Halbmond übers Land; |
| Der Ruf des Muezzins gebeut zu beten, |
| Wo stolz einst Salomonis Tempel stand. |
| Dem Stein gilt's gleich, welch Zeichen man ihm wählte, |
| Ob er als Tempel, Dom, Moschee euch dien'; |
| Vom Menschen lernt er's ab, daß gleich ihm's gelte, |
| Tritt Mönch, Levite oder Derwisch ihn. |
| Der Moslem riß herab aus Himmelsfernen |
| Den Mond, zu schmücken seinen Erdenraum; |
| Der Christ hob von der Erde zu den Sternen |
| Sein Kreuz, gezimmert nur aus ird'schem Baum. - |
| Zerstäubt, vermodert längst des Kreuzes Fechter! |
| Kein Psalm, kein Glockenklang in weiter Luft! |
| Nur Mönche blieben, hütend noch als Wächter, |
| Wie treue Doggen, ihres Herren Gruft. |
| Dies leere Grab, sie kauften es mit Golde, |
| Krambuden schlug der Heide drinnen auf; |
| Dem müden Pilger beut um schnöde Solde |
| Er Platz für seine beiden Knie' zu Kauf. |
| Der Ostern Fest ist's heut! Auf allen Bahnen |
| Ziehn fromme Christenpilger wohl heran? |
| Durch alle Lande reiche Karawanen |
| Und rüst'ge Schiff' auf aller Meere Plan? |
| Nein! Öd' und leer sind noch des Domes Hallen, |
| Darin zerstreut nur einzle Beter knien! |
| Vielleicht daß draußen noch vor'm Tor sie wallen? |
| Blick' um dich, Auge, wo die Wandrer ziehn? |
| Kein Pilger hier! Nur Beduinen jagen |
| Auf flinken Rossen durch das Heideland; |
| Kein Pilger dort! Die Christenschiffe tragen |
| Des Kaufherrn Gold und Ballen nur zum Strand. |
| Sieh dort, bemoost vier Trümmerwände ragen, |
| Längst eingebrochen ist Gewölb' und Dach; |
| Ein Kirchlein Gottes war's in alten Tagen, |
| Jetzt stürzt es mählich seinen Bauherrn nach. |
| Es sprießen grüne Terebinthen drinnen, |
| Sie stehn die letzten, treuen Beter hier; |
| Es wölbt ihr Laub zu Kuppeln sich und Zinnen, |
| Es ragen ihre Stamm' als Säulenzier. |
| In ihrem Schatten ruht ein müder Waller, |
| Olivenfarbe trägt sein Angesicht, |
| Wahrzeichen trägt auch er der Pilger aller: |
| Den Stab und Staub, - doch Christi Zeichen nicht! |
| Er ist ein Körnlein jener Handvoll Samen, |
| Die einst der Sturm von diesem Boden hob |
| Und in die Länder säte aller Namen |
| Und weit hinaus in alle Winde stob! |
| Und wie ums Haupt beim Laubeswehn ihm schwanken |
| Bald Sonnenlichter, bald die Schatten dicht, |
| So gaukeln drinn die Bilder und Gedanken, |
| Bald mitternächtig schwarz, bald sonnenlicht: |
| «Mir blüht kein Vaterland! Die Brüder ringen |
| Durchs Leben sich, zerstreut, im Wandrerkleid! |
| Und doch sind wir ein Volk! In eins verschlingen |
| Gemeinsam Elend uns, gemeinsam Leid! |
| Vom Manne, der nicht sterben kann, die Sage |
| Lallt manch ein Christenkind, vom Ahasver. |
| Es wallt vorbei der Völker Sarkophage |
| Mein Volk, unsterblich, zäh und hart, wie er! |
| Die Christen sahn's, da mocht' es ihnen dünken, |
| Es sei wohl eisenfest auch unser Leib, |
| Daß unser Blut ihr Schwert sie ließen trinken, |
| Uns niederdolchten Greis und Kind und Weib! |
| Die Christen sahn's, und unsres Leibes Glieder |
| Hielt da wohl auch für feuerfest ihr Wahn, |
| Daß sie uns Haus und Hütten brannten nieder |
| Und unter uns den Holzstoß schürten an! |
| Was zürnen sie? Weil einst, was noch sie üben, |
| Gerichtet einen Sünder wir nach Fug! |
| Wenn das er lehrte, was sie tun und trieben, |
| Traun, war's kein Unrecht, was ans Kreuz ihn schlug! |
| Und gönnst du, Christ, uns einst auch deine Fluren, |
| Gibst du uns Freiheit, Recht, Gesetz zurück, |
| Ein Krieg, den die Jahrtausende sich schwuren, |
| Den endigt nicht ein Friedensaugenblick! |
| Hier ist mir wohl! Hier sind wir gleich, wir beiden, |
| Verschmäht, getreten gleich, in diesem Land! |
| Doch unterm Tritte selbst der schnöden Heiden |
| Reich ich dir nicht zum Frieden meine Hand! - |
| Genug der Rast! Wie labt des Schlummers Bronnen! |
| Laßt sehn, wie die Geschäft' am Grab dort stehn. - |
| Kauft Goldmonstranzen, Rosenkranz, Madonnen! |
| Kauft Kreuze, schmucke Kreuze, blank und schön!» |
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| 4. |
| Und wieder sah der Herr vom Ölberg nieder, |
| Ein Ostermorgen glänzt aufs Talgefild! |
| Ihn grüßen keine Glocken, keine Lieder. |
| In Lüften nur wehn Festesschauer mild. |
| Noch strahlt der Halbmond von den Zinnen allen, |
| Fest wie ein Ätherbild, siegreich und klar; |
| Doch auch das Kreuz am Grab ist nicht zerfallen, |
| Und nicht gewichen seiner Mönche Schar. |
| Zersplittert in des Wahnes Sekten, fachten |
| Statt Friedenslampen Hassesglut sie an; |
| Kaum fochten Kreuz und Mond so blut'ge Schlachten, |
| Als hier der braun' und graue Kuttenmann! |
| Altar und Kanzel werden Schanz' und Festen, |
| Feldlager ist der Dom, drinn kampferglüht |
| Roms Mönch im Norden steht, der Kopt' im Westen, |
| Der Griech' im Ost, Armenier im Süd. |
| Des Pascha drohend Antlitz muß es wahren, |
| Daß nicht ihr Blut besudle den Altar: |
| Gebietend hält der Stock des Janitscharen |
| In Eintracht hier der Friedenslehrer Schar. |
| Im Kloster liegt ein Mönch auf seinen Knien, |
| Mit weißem Bart, vom Morgenwind umweht, |
| Und zwischen Rosen, die vor Andacht glühen, |
| Wetteifernd sprießt gen Himmel sein Gebet: |
| «Wie freudig soll mein morsch Gebein versinken |
| Einst in dein graues Leichentuch, o Tal, |
| Säh' nur mein brechend Auge wieder blinken |
| Von allen Zinnen hoch des Kreuzes Strahl! |
| Und ließest du auf allen Bergen wieder, |
| Herr, deine Oriflamme siegreich stehn, |
| Der Glocken Klang, der Christenpilger Lieder |
| Anstatt der Blumen übers Grab mir wehn! |
| Zwar als du jüngst in deiner Gottheit Schöne |
| Im Traum mir nah, rief donnergleich dein Zorn: |
| Hinweg, Unwürd'ge, ihr der Zwietracht Söhne, |
| Nicht fürder schändet hier des Friedens Born! |
| Ihr, die in meinem Dom um eine Stufe, |
| Um eine Pfort' ihr wild in Hader schwellt, |
| Wißt, daß der Erdball rings zu mir die Stufe, |
| Und meine Pforte rings die weite Welt! |
| Ihr, die ihr um ein Altarlämpchen streitet, |
| Ihr Blinden ahnt in eurer Nacht es kaum, |
| Daß, meines Lichtes voll, sich glänzend breitet |
| Rings um und über euch der Erde Raum! |
| Ich pflanzte, reichen Schirms sich zu erheben, |
| Einst meinen Fruchtbaum in den Erdenhain |
| Mein Wort, es quillt lebend'ges, volles Leben, |
| Und nicht gefesselt ist's an toten Stein! |
| So sprachst du, Herr. Doch was mein Aug' in Tränen |
| Längst von dir flehte, hast du jetzt gesandt! |
| Es baute kühn ein Heer von Gottfrieds Söhnen |
| Sich Zelte in der Pharaonen Land! |
| In ihrem Blick die alte Schlachtenweihe, |
| Ums Haupt des alten Ruhmes Widerschein, |
| In Arm und Brust die alte Kraft und Treue! |
| Da wird wohl auch der alte Glaube sein! |
| Dort steht der Feldherr! Um sein Haupt zu kühlen, |
| Gebricht's an frischen Siegespalmen nie. |
| Des Nilstroms Katarakte stäubend spülen |
| Des neuen Ruhmes Taufe über sie. |
| Ich weiß es, seines Degens Feuerrute |
| Schwang über Murad Bei allein er nicht, |
| Und mit des Mamelucken Übermute |
| Geht nicht allein sein Zürnen ins Gericht. |
| Ich weiß, als Straße nur zu Zions Tale |
| Liegt ihm die Wüste vor den Augen da; |
| Ich weiß, der Pyramiden Riesenmale |
| Sind ihm die Staffeln nur zu Golgatha! |
| Da wird einst stehn, den Halbmond zu den Füßen, |
| Das goldne Kreuz hoch in der Hand, der Held, |
| Die graue Flur den grauen Mantel grüßen: |
| Er deckt, wie sie, die Größe einer Welt! |
| Auf Golgatha läßt ruhn er seine Aare |
| Ums Kreuz, des Sieg den schönsten Kranz ihm gab. |
| Die andern Kränze nimmt er aus dem Haare |
| Und legt sie nieder aufs befreite Grab!» - |
| So sprach der Mönch. Und horch, die fernen Hügel |
| Erdröhnen dumpf, wie eh'ner Heere Gang; |
| Und horch, in Lüften rauscht's wie Adlerflügel, |
| Wie ferner Waffenhall und Schlachtgesang. |
| Ja, seine Heere sind's! - Doch raschen Zuges, |
| Im Siegesglanz, ziehn sie vorbei, vorbei! |
| Ja, seine Adler sind's! - Doch stolzen Fluges |
| Rauscht ihres Fittichs Schlag vorbei, vorbei! |
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| 5. |
| Und Ostern wird es einst, der Herr sieht nieder |
| Vom Ölberg in das Tal, das klingt und blüht; |
| Rings Glanz und Füll' und Wonn' und Wonne wieder, |
| So weit sein Aug' - ein Gottesauge - sieht! |
| Ein Ostern, wie's der Dichtergeist sieht blühen, |
| Dem's schon zu schaun, zu pflücken jetzt erlaubt |
| Die Blütenkränze, die als Kron' einst glühen |
| Um der noch ungebornen Tage Haupt! |
| Ein Ostern, wie's das Dichteraug' sieht tagen, |
| Das überm Nebel, der das Jetzt umzieht, |
| Die morgenroten Gletscherhäupter ragen |
| Der werdenden Jahrtausende schon sieht! |
| Ein Ostern, Auferstehungsfest, das wieder |
| Des Frühlings Hauch auf Blumengräber sät; |
| Ein Ostern der Verjüngung, das hernieder |
| Ins Menschenherz der Gottheit Atem weht! |
| Sieh, welche Wandlung blüht auf Zions Bahnen! |
| Längst hält ja Lenz sein Siegeslager hier; |
| Auf Bergen wehn der Palmen grüne Fahnen, |
| Im Tale prangt sein Zelt in Blütenzier! |
| Längst wogt ja über all' den alten Trümmern |
| Ein weites Saatenmeer in goldner Flut, |
| Wie fern im Nord, wo weiße Wellen schimmern, |
| Versunken tief im Meer Vineta ruht. |
| Längst über alten Schutt ist unermessen |
| Geworfen frischer Triften grünes Kleid, |
| Gleichwie ein stilles, freundliches Vergessen |
| Sich senkt auf dunkler Tag' uraltes Leid. |
| Längst stehn die Höhn umfahn von Rebgewinden, |
| Längst blüht ein Rosenhag auf Golgatha. |
| Will jetzt ein Mund den Preis der Rose künden, |
| Nennt er gepaart Schiras und Golgatha. |
| Längst alles Land weitum ein sonn'ger Garten; |
| Es ragt kein Halbmond mehr, kein Kreuz mehr da! |
| Was sollten auch des blut'gen Kampfs Standarten? |
| Längst ist es Frieden, ew'ger Frieden ja! |
| Der Kedron blieb! Er quillt vor meinen Blicken, |
| Ins Bett von gelben Ähren eingeengt, |
| Wohl noch als Träne, - doch die dem Entzücken |
| Sich durch die blonden, goldnen Wimpern drängt! |
| Das ist ein Blühen rings, ein Duften, Klingen, |
| Das um die Wette sprießt und rauscht und keimt, |
| Als gält' es jetzt, geschäftig einzubringen, |
| Was starr im Schlaf Jahrtausende versäumt. |
| Das ist ein Glänzen rings, ein Funkeln, Schimmern |
| Der Städt' im Tal, der Häuser auf den Höhn; |
| Kein Ahnen, daß ihr Fundament auf Trümmern, |
| Kein leiser Traum des Grabs, auf dem sie stehn! |
| Die Flur durchjauchzt, des Segens freud'ger Deuter, |
| Ein Volk, vom Glück geküßt, an Tugend reich, |
| Gleich den Gestirnen ernst zugleich und heiter, |
| Wie Rosen schön, wie Zedern stark zugleich. |
| Begraben längst in des Vergessens Meere, |
| Seeungetümen gleich in tiefer Flut, |
| Die alten Greu'l, die blut'ge Schergenehre, |
| Der Krieg und Knechtsinn und des Luges Brut. |
| Einst, da begab sich's, daß im Feld die Kinder |
| Ausgruben gar ein formlos, eisern Ding; |
| Als Sichel däucht's zu grad und schwer die Finder, |
| Als Pflugschar fast zu schlank und zu gering. |
| Sie schleppen's mühsam heim gleich seltnem Funde, |
| Die Eltern sehn es, - doch sie kennen's nicht. |
| Sie rufen rings die Nachbarn in der Runde, |
| Die Nachbarn sehn es, - doch sie kennen's nicht |
| Da ist ein Greis, der in der Jetztwelt Tage |
| Mit weißem Bart und fahlem Angesicht |
| Hereinragt, selbst wie eine alte Sage; |
| Sie zeigen's ihm, - er aber kennt es nicht. |
| Wohl ihnen allen, daß sie's nimmer kennen! |
| Der Ahnen Torheit, längst vom Grab verzehrt, |
| Müßt' ihnen noch im Aug' als Träne brennen. |
| Denn was sie nimmer kannten, - war ein Schwert! |
| Als Pflugschar soll's fortan durch Schollen ringen, |
| Dem Saatkorn nur noch weist's den Weg zur Gruft; |
| Des Schwertes neue Heldentaten singen |
| Der Lerchen Epopee'n in sonn'ger Luft! - |
| Einst wieder sich's begab, daß, als er pflügte, |
| Der Ackersmann wie an ein Felsstück stieß, |
| Und, als sein Spaten rings die Hüll' entfügte, |
| Ein wundersam Gebild aus Stein sich wies. |
| Er ruft herbei die Nachbarn in der Runde, |
| Sie sehn sich's an, - jedoch sie kennen's nicht! |
| Uralter, weiser Greis, du gibst wohl Kunde? |
| Der Greis besieht's, - jedoch er kennt es nicht. |
| Ob sie's auch kennen nicht, doch steht's voll Segen |
| Aufrecht in ihrer Brust, in ew'gem Reiz, |
| Es blüht sein Same rings auf allen Wegen; |
| Denn was sie nimmer kannten, - war ein Kreuz! |
| Sie sahn den Kampf nicht und sein blutig Zeichen, |
| Sie sehn den Sieg allein und seinen Kranz. |
| Sie sahn den Sturm nicht mit den Wetterstreichen, |
| Sie sehn nur seines Regenbogens Glanz! |
| Das Kreuz von Stein, sie stellen's auf im Garten, |
| Ein rätselhaft, ehrwürdig Altertum, |
| Dran Rosen rings und Blumen aller Arten |
| Empor sich ranken, kletternd um und um. |
| So steht das Kreuz inmitten Glanz und Fülle |
| Auf Golgatha, glorreich, bedeutungsschwer: |
| Verdeckt ist's ganz von seiner Rosen Hülle, |
| Längst sieht vor Rosen man das Kreuz nicht mehr. |
| Anastasius Grün |
| aus «GA 130»; S.291ff |
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