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Gedichtsammlung
Chor der Tröster
Gärtner sind wir, blumenlos gewordene
Kein Heilkraut läßt sich pflanzen
Von Gestern nach Morgen.
Der Salbei hat abgeblüht in den Wiegen -
Rosmarin seinen Duft im Angesicht der neuen Toten verloren -
Selbst der Wermut war bitter nur für gestern.
Die Blüten des Trostes sind zu kurz entsprossen
Reichen nicht für die Qual einer Kinderträne.
Neuer Same wird vielleicht
Im Herzen eines nächtlichen Sängers gezogen.
Wer von uns darf trösten?
In der Tiefe des Hohlwegs
Zwischen Gestern und Morgen
Steht der Cherub
Mahlt mit seinen Flügeln die Blitze der Trauer
Seine Hände aber halten die Felsen auseinander
Von Gestern und Morgen
Wie die Ränder einer Wunde
Die offenbleiben soll
Die noch nicht heilen darf.
Nicht einschlafen lassen die Blitze der Trauer
Das Feld des Vergessens.
Wer von uns darf trösten?
Gärtner sind wir, blumenlos gewordene
Und stehn auf einem Stern, der strahlt
Und weinen.
Nelly Sachs
in „Chöre nach der Mitternacht”
aus «Das Leiden Israels»; S.104f
https://wfgw.diemorgengab.at/zit/WfGWged00091.htm