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| Gedichtsammlung |
| Pfingstsonntag |
| Still war der Tag, die Sonne stand |
| So klar an unbefleckten Domeshallen; |
| Die Luft, wie Orientes Brand |
| Wie ausgedörrt, ließ matt die Flügel fallen. |
| Ein Häuflein sieh, so Mann als Greis, |
| Auch Frauen knieend; keine Worte hallen, |
| Sie beten leis! |
| Wo bleibt der Tröster, treuer Hort, |
| Den scheidend doch verheißen du den Deinen? |
| Nicht zagen sie, fest steht dein Wort, |
| Doch bang und trübe muß die Zeit uns scheinen. |
| Die Stunde schleicht; schon vierzig Tag |
| Und Nächte harrten wir in stillem Weinen |
| Und sahn dir nach. |
| Wo bleibt er nur, wo? Stund' an Stund', |
| Minute will sich reihen an Minuten. |
| Wo bleibt er denn? Und schweigt der Mund, |
| Die Seele spricht es unter leisem Bluten. |
| Der Wirbel stäubt, der Tiger ächzt |
| Und wälzt sich keuchend durch die sand'gen Fluten, |
| Die Schlange lechzt. |
| Da, horch, ein Säuseln hebt sich leicht! |
| Es schwillt und schwillt und steigt zu Sturmes Rauschen. |
| Die Gräser stehen ungebeugt; |
| Die Palme starr und staunend scheint zu lauschen. |
| Was zittert durch die fromme Schar, |
| Was läßt sie bang' und glühe Blicke tauschen? |
| Schaut auf! Nehmt wahr! |
| Er ist's, er ist's; die Flamme zuckt |
| Ob jedem Haupt; welch wunderbares Kreisen, |
| Was durch die Adern quillt und ruckt! |
| Die Zukunft bricht; es öffnen sich die Schleusen, |
| Und unaufhaltsam strömt das Wort |
| Bald Heroldsruf und bald im flehend leisen |
| Geflüster fort. |
| O Licht, o Tröster, bist du, ach, |
| Nur jener Zeit, nur jener Schar verkündet? |
| Nicht uns, nicht überall, wo wach |
| Und Trostes bar sich eine Seele findet? |
| Ich schmachte in der schwülen Nacht; |
| O leuchte, eh' das Auge ganz erblindet! |
| Es weint und wacht. |
| Annette v.Droste-Hülshoff |
| aus „Das Geistliche Jahr” |
| in «Werke I»; S.94f |
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| revid.201209 |
| https://wfgw.diemorgengab.at/zit/WfGWged00051.htm |