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Gedichtsammlung |
Der schwarze Ritter |
Pfingsten war, das Fest der Freude, |
Das da feiern Wald und Heide. |
Hub der König an zu sprechen: |
„Auch aus den Hallen |
Der alten Hofburg allen |
Soll ein reicher Frühling brechen.” |
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Trommeln und Trommeten schallen, |
Rothe Fahnen festlich wallen, |
Sah der König vom Balkone; |
In Lanzenspielen |
Die Ritter alle fielen |
Vor des Königs starkem Sohne. |
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Aber vor des Königs Gitter |
Ritt zuletzt ein schwarzer Ritter. |
„Herr, wie ist eur Nam' und Zeichen?” |
„Würd' ich es sagen |
Ihr möchtet zittern und zagen; |
Bin ein Fürst von großen Reichen.” |
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Als er in die Bahn gezogen, |
Dunkel ward des Himmels Bogen |
Und das Schloß begann zu beben. |
Beim ersten Stoße |
Der Jüngling sank vom Rosse, |
Konnte kaum sich wieder heben. |
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Pfeif' und Geige ruft zu Tänzen, |
Fackeln durch die Säle glänzen; |
Wankt ein großer Schatten drinnen. |
Er thät mit Sitten |
Des Königs Tochter bitten, |
Thät den Tanz mit ihr beginnen, |
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Tanzt im schwarzen Kleid von Eisen, |
Tanzet schauerliche Weisen, |
Schlingt sich kalt um ihre Glieder. |
Von Brust und Haaren |
Entfallen ihr die klaren |
Blümlein welk zur Erde nieder. |
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Und zur reichen Tafel kamen |
Alle Ritter, alle Damen. |
Zwischen Sohn und Tochter innen |
Mit bangem Muthe |
Der alte König ruhte, |
Sah sie an mit stillem Sinnen. |
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Bleich die Kinder beide schienen; |
Bot der Gast den Becher ihnen: |
„Goldner Wein macht euch genesen.” |
Die Kinder tranken, |
Sie thäten höflich danken: |
„Kühl ist dieser Trunk gewesen.” |
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An des Vaters Brust sich schlangen |
Sohn und Tochter; ihre Wangen |
Thäten sich entfärben. |
Wohin der graue |
Erschrockne Vater schaue, |
Sieht er eins der Kinder sterben. |
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„Weh! die holden Kinder beide |
Nahmst du hin in Jugendfreude; |
Nimm auch mich den freudelosen!” |
Da sprach der Grimme |
Mit hohler dumpfer Stimme: |
„Greis, im Frühling brech' ich Rosen.” |
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Ludwig Uhland |
aus «Balladen
und Romanzen»; S.33ff |
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revid.201811 |
https://wfgw.diemorgengab.at/zit/WfGWged00036.htm |