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Gedichtsammlung |
Anklage |
Wißt ihr denn auf wen die Teufel lauern, |
In der Wüste, zwischen Feld und Mauern? |
Und wie sie den Augenblick erpassen, |
Nach der Hölle sie entführend fassen? |
Lügner sind es und der Bösewicht. |
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Der Poete warum scheut er nicht |
Sich mit solchen Leuten einzulassen! |
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Weiß denn der mit wem er geht und wandelt, |
Er, der immer nur im Wahnsinn handelt? |
Grenzenlos, von eigensinngem Lieben |
Wird er in die Öde fortgetrieben, |
Seiner Klagen Reim', in Sand geschrieben, |
Sind vom Winde gleich verjagt; |
Er versteht nicht was er sagt, |
Was er sagt wird er nicht halten. |
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Doch sein Lied man läßt es immer walten, |
Da es doch dem Koran widerspricht. |
Lehret nun, ihr des Gesetzes Kenner, |
Weisheit-fromme, hochgelahrte Männer, |
Treuer Mosleminen feste Pflicht. |
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Hafis insbesondere schaffet Ärgernisse, |
Mirza sprengt den Geist ins Ungewisse, |
Saget, was man tun und lassen müsse? |
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Fetwa |
Hafis' Dichterzüge sie bezeichnen |
Ausgemachte Wahrheit unauslöschlich; |
Aber hie und da auch Kleinigkeiten |
Außerhalb der Grenze des Gesetzes. |
Willst du sicher gehn, so mußt du wissen |
Schlangengift und Theriak zu sondern - |
Doch der reinen Wollust edler Handlung |
Sich mit frohem Mut zu überlassen, |
Und vor solcher der nur ew'ge Pein folgt |
Mit besonnenem Sinn sich zu verwahren, |
Ist gewiß das Beste um nicht zu fehlen. |
Dieses schrieb der arme Ebusuud, |
Gott verzeih ihm seine Sünden alle. |
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Der Deutsche dankt |
Heiliger Ebusuud, hasts getroffen! |
Solche Heilge wünschet sich der Dichter; |
Denn gerade jene Kleinigkeiten |
Außerhalb der Grenze des Gesetzes |
Sind das Erbteil wo er übermütig, |
Selbst im Kummer lustig, sich beweget. |
Schlangengift und Theriak muß |
Ihm das eine wie das andre scheinen. |
Töten wird nicht jenes, dies nicht heilen: |
Denn das wahre Leben ist des Handelns |
Ewge Unschuld, die sich so erweiset |
Daß sie niemand schadet als sich selber. |
Und so kann der alte Dichter hoffen, |
Daß die Huris ihn im Paradiese |
Als verklärten Jüngling wohl empfangen. |
Heiliger Ebusuud, hasts getroffen! |
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Johann Wolfgang v.Goethe |
aus «West-östlicher Divan» in «Werke
Band 1»; S.250f |
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revid.201811 |
https://wfgw.diemorgengab.at/zit/WfGWged00016.htm |