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Nachdenken:
Zukunftsfähige Konfliktkultur
Angesichts des großen menschlichen Leids und der ungeheuren Kosten, die durch kriegerische oder gewalttätige Auseinandersetzungen entstehen, wird in der Politik vermehrt nach Möglichkeiten der zivilen Vorbeugung gesucht. Dabei wird die Frage akut, wie von außen - von nicht-involvierten „Dritten” - zu einer konstruktiven Bewältigung von Konflikten beigetragen werden kann.[a] Wenn es z.B. gelingt, allen Streitparteien in einem kompetenten Weltforum das „Gehör der Welt”, und dabei insbesondere das von weltweit angesehenen Dritten, zu verschaffen, ist ein ganz wichtiger Anfang für eine gewaltfreie Streitbeilegung getan. Denn: Gewalt [b] ist oftmals - und insbesondere in den Anfangsphasen eines Konfliktes - „ein Aufschrei nach Gehör” für den Diskurs um Gerechtigkeit,[c] die natürlich von den Parteien jeweils aus ihrem Blickwinkel gesehen wird.
Gewaltfreiheit [b] ist primäre Verhaltensmaxime: Grundsätzlich ist Gewalt als Mittel der Konfliktlösung überholt, nicht nur aus ethischen Gründen und grundsätzlich, sondern weil heute
· Krieg historisch „unsiegbar” geworden ist (es gibt keine Garantie gegen eine Eskalation ins Nukleare, die keine Sieger mehr kennt); weil
· tatsächliche Gewalt im Nahkontakt der lokalen und regionalen Krisen- und Konfliktherde nur fortdauernde Eskalation hervorruft, bei der kein „Endsieg” möglich ist;[d] und weil
· es keine Garantie und keinen Sicherheitswinkel mehr gibt gegen immer wiederkehrenden Terror, Verzweiflungstaten und deren Eskalation,[e] vor allem dort wo Hoffnungslosigkeit herrscht.
Es ist unabdingbare Aufgabe der Starken der Welt allen berechtigte Hoffnung zu geben; - dann lassen sich alle intelligenten und positiven Kräfte sammeln, und konstruktive Kanäle können gemeinsam beschritten werden.
[...]
Neben der Bearbeitung von Akutfällen der Gewalt ist aber ebenso wichtig, eine allgemeine und wirksame Präventionslinie zu errichten. Nachhaltigkeits- und Friedenspolitik sind untrennbar miteinander verbunden. Denn immer häufiger führen die aus der Wirtschafts- und Gesellschaftsdynamik heraus entstandenen Zerstörungen von Natur- und Kulturressourcen zu gewaltsamen Konflikten.[f]
H.Rauch/A.Strigl
aus «Die Wende der Titanic»
Kleiner Exkurs über das Böse
Welches Bild ist Ausdruck des Bösen, ist konkret und dennoch seelisch nicht zwingend? Der Stacheldraht. Er verkörpert wie kaum etwas anderes Antipathie, das Nicht-Wollen und scheint im technischen Zeitalter die Entsprechung zur Dornenkrone zu sein. [...]
Kaum etwas ist so Bedingung für das Menschsein und zugleich dessen Gefährdung, ist Triebfeder und Bremse. Kaum etwas gibt uns so persönliche Farbe und nimmt uns im gleichen Zug unser Innerstes. Kaum etwas ist so im Menschen und nur im Menschen zu Hause und ist doch von kosmischer Größe, dem Menschen fremd. Kaum etwas ist uns dann am nächsten, wenn wir es fliehen, triumphiert, wenn wir die Hand gegen es erheben. Kaum etwas verliert so von seiner Kraft, wenn wir es anerkennen, wird schwach, wenn wir ihm entgegengehen. Das Böse besitzt nur dann einen Wert, wenn es erkannt wird.
Wolfgang Held
in »Anthroposophie weltweit« 9/2005; S.12
Unsere Anmerkungen
a] vgl. dazu die Arbeiten von Friedrich Glasl
b] Ein weitverbreitetes Vorurteil besagt, jede/r verstünde unter „Gewalt” dasselbe. Dagegen gilt's die Gewaltformen zu unterscheiden (diskriminieren): aggressive (angreifende) und regressive (verteidigende), offene und versteckte, physische und seelische, grobe und subtile usw. Damit erweist sich auch die sogenannte Gewaltfreiheit als schillernder Begriff, der einer genauen Prüfung im jeweiligen Kontext bedarf, wenn er nicht billiger Propaganda dienen soll.
c] Was die Alten als hohe Gottheit verehrten, wird heute als Planet Jupiter mit seinen Monden wahrgenommen. Ebenso wurde, was einst als göttliche Gerechtigkeit erlebt worden war, zersplittert: jedes Individuum empfindet die Durchsetzung seiner Eigenimpulse als gerecht. Genau diese Entwicklung relativiert die Schuldfrage, nicht etwa eine immer wieder behauptete Vorherbestimmtheit. Der Diskurs um Gerechtigkeit wird sich somit zum Gespräch über Ausgleich und Wandel verändern müssen.
d] siehe die jüngsten Ereignisse in den „banlieues” (Frankreichs Vorstädte, wörtl. ~ Bannmeilen)
e] meist von Drittmächten unterstützt
f] Jede Art von Konflikt ist ihrem Kern nach nur dann durchschaubar, wenn das durch sie wirkende Böse erkannt wird.
https://wfgw.diemorgengab.at/tzn200511.htm