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Zitatensammlung Teil 2 |
Zitate von Bodo v.Plato zu |
WAHRHEIT, SCHÖNHEIT und GÜTE |
1 Wenn wir die große metaphysische Trias Wahrheit, Schönheit und Güte anschauen, scheint das Verhältnis von Wahrheit und Schönheit wegen ihrer scheinbar unterschiedlichen Beziehung zum Objektiven und zum Subjektiven besonders interessant. Wir haben bei der Wahrheit wohl am meisten das Gefühl, dass sie an sich und für alle gilt, dass sie unabhängig davon ist, was Einzelne meinen. Heute wird gern ihre Vielfalt betont, jede und jeder möchte ihre oder seine eigene Wahrheit haben. Man will ihrem Absolutheitsanspruch aus dem Weg gehen und mehr noch denen, die ihn für sich in Anspruch nehmen. Bei der Schönheit geht man eher davon aus, dass sie mit Empfindung und Gefühl zu tun hat, wobei jede und jeder etwas anderes schön finden darf. Ob allerdings das Schöne vom persönlichen Gefühl bestimmbar ist, nur weil es im Empfinden auftaucht, ob es subjektiver oder objektiver Natur ist, gehört zu den grundlegenden Fragen der Ästhetik. Auf jeden Fall ist die Disposition zur Toleranz, zum Geltenlassen persönlicher Verhältnisse auf diesem Gebiet erheblich größer als auf dem der Wahrheit. Darin liegt eine Chance. |
2 Und doch verschwindet damit nicht die Herausforderung, zu entscheiden, ob ich allein in meinen Vorstellungen leben, sie ausbauen oder beibehalten will, oder ob ich bereit bin, in ein Wechselverhältnis mit der Welt zu treten, mit allem, was mir von außen oder innen begegnet. |
3 Schönheit und Kunst haben immer diese Doppelnatur: Sie lassen mich einerseits ganz individuell nach meinen Vorprägungen, nach meiner Sehnsucht und meinem Geschmack empfinden und urteilen, und zugleich erscheint in ihnen immer etwas, was über mich hinausführt. Ob und wie ich diesen Ebenen-Wechsel erfahre, qualifiziert meinen künstlerischen oder ästhetischen Sinn. |
4 Mit der Wahrheit geht es auch ganz gut, solange wir wirklich wissenschaftlich vorgehen, wirklich ergebnisoffen die Dinge befragen und untersuchen. Wenn der Prozess des Erkennens im Vordergrund steht und nicht das Ergebnis, hat die Wahrheitsfrage fast genau dieselbe Chance, zwischen Subjekt und Objekt ein persönlich-sachlich angemessenes Gleichgewicht zu finden, wie die Schönheit. Allerding liegt es bei der Wahrheit näher, dass wir uns mit ihrem finalen Dasein identifizieren und nicht mit ihrem prozesshaften, bei der Schönheit scheint es mir eher umgekehrt. |
5 Im Hinblick auf die Güte treffen wir auf andere Schwierigkeiten, weil wir durch Taten und ihre Folgen so verhältnismäßig viel stärker und konkreter betroffen sind. Auch in der Bewertung einer Handlung ist die Fixierung näherliegend - wenn ich gut handle und meine Handlung von anderen für gut gehalten wird, ist der Eindruck so mächtig, dass ich eigentlich kaum noch die Möglichkeiten habe, das Urteil über die Handlung in der Schwebe zu halten. So kann sich eine normative Moral oder Ethik leicht kristallisieren. Sie lässt im Hinblick auf das Gute oder die Güte wenig Freiheit - ja sie kann, sobald sie prinzipielle Züge annimmt, sogar schneller totalitär werden als die Wahrheit dogmatisch. |
6 Wo Totalitarismus die Güte, wo Dogmatik die Wahrheit gefährdet, zieht sich die Schönheit still zurück. Und wo man sie nicht oder zu wenig achtet, erscheinen Kitsch und Karikatur an ihrer Stelle. |
in »Das Goetheanum« 33-34·2025; S.10f |
a] vgl. „Du willst” |
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revid.202508 |
https://wfgw.diemorgengab.at/zit/WfGWzit660000029.htm |