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Zitatensammlung
Teil 1
Zitate von Rudolf STEINER zur
BAUKUNST
1 Es wird vom reinen Naturalismus, vom rein Naturalistisch-Philiströsen eine künstlerische Baukunst, wenn ich mich des Pleonasmus bedienen darf - Baukunst führt heute oft sehr weit von der Kunst ab, wenn sie auch Kunst genannt wird -, überhaupt kaum geschaffen werden können, denn wenn die Menschen nicht das Bedürfnis haben, sich an Stätten zu vereinigen, wo Geistiges getrieben wird, und diesen Stätten Häuser bauen wollen, werden sie keine Häuser für geistige Impulse bauen. Sie werden also reine Nützlichkeitsbauten aufführen. Und was werden sie denn über die Nützlichkeitsbauten sagen? Nun, sie werden sagen: Man baut, um sich zu schützen, um den Menschen zu schützen, damit man nicht im Freien kampieren muß, der Familie oder den einzelnen Menschen eine Umhüllung. - Man wird immer mehr den Schutzgedanken für das Körperlich-Natürliche in den Vordergrund stellen, wenn man von der Baukunst vom naturalistischen Standpunkt aus spricht. Wenn das im allgemeinen vielleicht nicht immer zugegeben wird, weil sich die Leute genieren, es zuzugeben, in den Einzelheiten wird es schon zugegeben. Es gibt heute unzählige Menschen, die nehmen es einem übel, wenn ein Haus, das zum Bewohnen da sein soll, nur irgend etwas, was man für zweckmäßig hält, einem Prinzip des Schönen, des Künstlerischen aufopfert. Man hört heute sogar oftmals die Redensart, künstlerisch bauen, das kommt zu teuer. So wurde nicht immer gedacht, so konnte vor allen Dingen in denjenigen Zeiten nicht gedacht werden, in denen die Menschen in ihrer Seele eine Beziehung zur geistigen Welt empfanden. Denn in diesen Zeiten empfand man über den Menschen und sein Verhältnis zur Welt etwa so: Ich stehe hier in der Welt, aber wie ich da stehe mit dieser menschlichen Gestalt, die von Seele und Geist bewohnt wird, trage ich etwas in mir, was in der rein natürlichen Umgebung nicht vorhanden ist.
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2 Das waren religiös-kulturelle Sorgen in alten Zeiten der Menschheitsentwickelung. Da haben die Menschen nachgesonnen, was sie für die Seelen, insbesondere für diejenigen Seelen, die ihnen wert waren, zu tun haben, damit diese die Linien, die Flächen, die Formen finden, durch die sie in die geistige Welt kommen können. Die Grabgewölbe, die Grabdenkmäler, die Grabbaukünste wurden entwickelt, die im Wesentlichen zunächst in ihren Formen darstellen sollten, was für die Seele da sein muß damit sie, wenn sie des physischen Leibes entblößt ist, nicht sich an Tieren, Pflanzen, Mineralien stößt, sondern längs der architektonischen Linien den Weg zurück in die geistige Welt findet. Deshalb sehen wir, wie in älteren Kulturen sich das unmittelbar aus dem Totenkult charakteristisch heraus entwickelt. Wenn wir verstehen wollen, wie die älteren Architekturformen gebildet worden sind, müssen wir überall Rücksicht darauf nehmen zu verstehen, wie die Seele, wenn sie körperentblößt ist, ihren Weg in die geistige Welt zurückfindet. Durch die Mineralien, durch die Pflanzen, durch die Tiere kann sie ihn nicht finden. Durch die Formen, die sich über ihr architektonisch wölbten, glaubte man, da die Seele in einer gewissen Beziehung zum verlassenen Leib stünde, könne sie diesen Weg hinaus in die geistige Welt finden. In dieser Empfindung liegt einer der Grundimpulse für die Entstehung alter architektonischer Formen. Sie sind aus Totenbauten heraus entstanden, insofern die architektonischen Formen künstlerische waren, nicht bloße Nützlichkeitsformen. Das Künstlerische der Baukunst hängt innig mit dem Totenkultus zusammen oder auch damit, daß man wie in Griechenland der Athene, dem Apollo den Tempel baute. Denn gerade so, wie man der menschlichen Seele zuschrieb, daß sie nicht sich entfalten könne, wenn sie sich entfalten soll gegenüber der äußeren umgebenden Natur in Mineralien, Pflanzen, Tieren, so schrieb man auch dem Göttlich-Geistigen des Apollo, des Zeus, der Athene zu, daß sie sich nicht entfalten können, wenn sie umgeben sind von der bloßen Natur, wenn man ihnen nicht aus dem Geistigen des Menschen heraus die Formen schafft, durch welche sich das Seelische in den geistigen Kosmos hinaus entfalten kann. Wie die Seele zum Kosmos steht, das muß man studieren, dann wird man die Maße in den komplizierten Bauformen des alten Orients verstehen. Zugleich sind diese Bauformen des alten Orients ein lebendiger Beweis dafür, daß die Menschen, deren Phantasie diese Bauformen entsprungen sind, sich gesagt haben: Der Mensch ist in seinem Inneren nicht von der Welt, die ihn auf Erden umgibt. Er ist von einer anderen Welt. Daher braucht er Formen, die zu ihm gehören, insofern er aus einer anderen Welt ist.
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3 Oh, man kann schon fühlen innerhalb der Menschheitsentwickelung, wie diese Empfindung fortwirkte. In der Zeit der Abstraktionen gewinnt alles einen anderen Anstrich. Wir wollen aber nicht alte Zeiten wieder zurückwünschen, sondern sie verstehen. Wir wollen doch verstehen, wenn wir heute noch in Orte hinauskommen, in denen mancher gar nicht so alte Gebrauch sich noch erhalten hat, warum wir zum Beispiel da an die Kirche herantreten und ringsherum die Gräber sehen. Nicht jeder einzelne konnte ein Grabhaus haben, aber die Kirche war das gemeinsame Grabhaus für alle. Und die Kirche ist die Antwort auf die Frage, welche die Seele sich stellte: Wie möchte ich mich zunächst entfalten, um dem Körper, der mich allein mit der physischen Welt, der Erde verbindet, in der richtigen Weise entkommen zu können? - In der Kirchenform ist gewissermaßen die Begierde der Seele nach ihrer Form, wenn sie den Körper verlassen hat, ausgedrückt.
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Dornach, 1.Jun.1923 ♀ (aus «GA 276»)
https://wfgw.diemorgengab.at/zit/WfGWzit127600029.htm