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Zitatensammlung
Teil 1
Zitat von Rudolf STEINER zu
OTTO HAUSNER und GALLUS
1 So war mir immer in der Zeit, als ich noch in Österreich lebte, trotzdem ich in Österreich innerhalb des Deutschtums stand, eine Persönlichkeit besonders interessant, die ein polnischer Reichsratabgeordneter war. Ich glaube, viele von Ihnen werden sich erinnern, daß ich des öfteren von dem österreichisch-polnischen Reichsratsabgeordneten Otto Hausner, der in den siebziger Jahren ganz besonders wirkte, gesprochen habe. Diejenigen, die länger schon hier sind, werden sich erinnern. Und mir steht wirklich, seitdem ich im österreichischen Reichsrat Ende der siebziger Jahre, Anfang der achtziger Jahre immer wieder und wiederum Otto Hausner gehört und gesehen habe, mir steht dieser merkwürdige Mann immer vor Augen: Er hat in dem einen Auge ein Monokel; mit dem anderen Auge blickte er grundgescheit, aber so, daß er die Schwächen der Gegner mit dem anderen Auge, das durchs Monokel guckte, erlauerte. Während er redete, prüfte er dann, ob der Pfeil gesessen hat.
Skizze der Wandtafelzeichnung © 1977 R.Steiner-Verlag
2 Dabei konnte er, der einen ganz merkwürdigen Schnurrbart hatte - ich habe das in meiner Lebensbeschreibung nicht bis in diese Einzelheiten ausführen wollen -, mit diesem Schnurrbart in merkwürdiger Art das, was er sagte, begleiten, so daß dieser Schnurrbart eine ganz merkwürdig bewegliche Eurythmie dessen war, was er dem gegnerischen Abgeordneten auf die beschriebene Weise ins Gesicht schleuderte.
3 Es war nun ein interessantes Bild. Stellen Sie sich vor: äußerste Linke, Linke, Mittelpartei, Tschechischer Klub, dann äußerste Rechte, Polenklub; hier stand Hausner, und hier waren alle seine Gegner auf der äußersten Linken.
Skizze der Wandtafelzeichnung © 1977 R.Steiner-Verlag
4 Da waren sie alle; und das Kurioseste war, daß, als Hausner gelegentlich der Frage der bosnischen Okkupation für Österreich war, er einen stürmischen Beifall von diesen Leuten da auf der Linken hatte. Als er später über den Bau der Arlbergbahn sprach, da hatte er einen absoluten Widerspruch bei denselben Leuten auf der äußersten Linken. Und dieser Widerspruch blieb dann bei alldem, was er später zum Ausdruck brachte.
5 Aber gar manches von dem, was gerade Otto Hausner in den siebziger und achtziger Jahren als Warner, als Prophet gesagt hat, das hat sich bis in unsere Tage herein wörtlich erfüllt. Gerade heute hat man Veranlassung, oftmals zurückzudenken an das, was Otto Hausner damals geredet hat.
6 Nun, eines trat bei Otto Hausner fast bei jeder Rede hervor, und das wurde für mich, neben einigen anderen, wiederum nicht sehr bedeutenden Dingen des Hausner-Lebens, der Impuls, den karmischen Gang bei dieser Persönlichkeit zu verfolgen.
7 Otto Hausner konnte kaum eine Rede halten, ohne daß er so in Parenthesen eine Art Panegyrikus auf die Schweiz hielt. Immer stellte er die Schweiz Österreich als Muster hin. Weil in der Schweiz drei Nationalitäten sich gut vertragen, in Beziehung auf das Vertragen mustergültig sind, wollte er auch, daß sich die dreizehn österreichischen Nationalitäten die Schweiz zum Muster nehmen und diese dreizehn sich in ähnlicher Weise, föderalistischer Weise vertragen würden wie diese drei Nationalitäten in der Schweiz. Er kam immer wieder darauf zurück, es war merkwürdig. Die Hausnerschen Reden hatten Ironie, hatten Humor, auch innere Logik; nicht immer, aber oftmals wieder kam der Panegyrikus auf die Schweiz. Da konnte man immer sehen: das Entwickeln einer reinen Sympathie; es sticht ihn, er will das sagen. Dann wußte er seine Reden so auszurichten, daß eigentlich weiter niemand außer einer Gruppe von links, von liberalen Abgeordneten - aber diese schrecklich! - sich ärgerte. Es war sehr interessant zu sehen, wenn so irgendein linksliberaler Abgeordneter geredet hatte, wie dann Otto Hausner sich zur Gegenrede erhob und mit seinem bemonokelten Auge keinen Blick von ihm abwandte, aber die unglaublichsten Schnödigkeiten hinüberrollen ließ nach der Linken. Es waren bedeutende Männer da, aber vor keinem machte er halt. Und seine Gesichtspunkte waren im Grunde genommen immer große; er war einer der gebildetsten Männer des österreichischen Reichsrats.
8 Das Karma eines solchen Menschen kann einen schon interessieren. Ich ging nun davon aus, daß er so diese Nebenleidenschaft hatte, immer wiederum auf eine Lobrede auf die Schweiz zurückzukommen, und dann, daß er einmal in einer Rede über «Deutschtum und Deutsches Reich», die auch als Broschüre erschienen ist, mit einer großen Nichtsnutzigkeit, aber mit Genialität alles zusammengestellt hatte, was sich für das Deutschtum und gegen das Deutsche Reich von dazumal sagen ließ. Es ist wirklich auch da etwas grandios Prophetisches darinnen in dieser Rede, die im Beginn der achtziger Jahre gehalten worden ist, in der sozusagen das Deutsche Reich in den Grund gebohrt wird, ihm alles Schlechte nachgesagt wird, in der es der Ruinierer des deutschen Wesens genannt wird. Und bewiesen wurden diese Sätze. Das war das zweite, sein eigentümlicher, ich möchte sagen, liebender Haß und seine hassende Liebe für Deutschtum und Deutsches Reich.
9 Und das dritte war, wie Otto Hausner wirklich mit einer ungeheuren Lebendigkeit damals sprach, als der Arlbergtunnel, die Arlbergbahn gebaut werden sollte, die Bahn, die von Österreich herüber nach der Schweiz geht und die also Mitteleuropa mit dem Westen verbinden sollte. Natürlich brachte er auch damals sein Loblied auf die Schweiz, denn die Bahn sollte ja in die Schweiz hineinführen. Aber man hatte, als er diese Rede hielt, die ja gesalzen und gepfeffert war, aber in einer wirklich delikaten Weise, man hatte da wirklich das Gefühl: der Mann, der weiß von Dingen auszugehen, die auf eine merkwürdige Weise in einem früheren Erdenleben in ihm veranlagt sein müssen.
10 Es war ja dazumal gerade überall die Rede von dem grandiosen Vorteil, den die europäische Zivilisation von dem deutsch-österreichischen Bündnis haben werde. Otto Hausner entwickelte damals im österreichischen Parlamente - worüber natürlich die anderen alle ihn furchtbar niederschmetterten - die Idee, die Arlbergbahn müsse gebaut werden, weil ein Staat, wie er sich Österreich vorstellte, nach dem Muster der Schweiz, dreizehn Nationen vereinigend, die Wahl haben müsse, sich seine Bundesgenossen zu suchen; und wenn es ihm paßt, hat er Deutschland zum Bundesgenossen, und wenn es ihm paßt, muß er einen strategischen Weg von Mitteleuropa nach dem Westen haben, um Frankreich zum Bundesgenossen haben zu können. Natürlich, als in dem damaligen Österreich das ausgesprochen wurde, da wurde er, wie man in Österreich sagte, schön niedergebügelt. Aber es war wirklich eine in herrlichster Weise mit allen Gewürzen durchsetzte Rede. Diese Rede, die gab die Direktion nach dem Westen hinüber.
11 Und indem ich diese Dinge zusammenhielt, fand ich dann, wie herüberwanderte von Westen nach Osten durch die Nordschweiz, in der Zeit, als Gallus, Columban auch herübergezogen sind, die Individualität des Otto Hausner. Das Christentum sollte er bringen. Er zog mit denjenigen Menschen, die von irischen [hybernischen] Einweihungen angeregt worden waren, herüber. Er sollte mit ihnen das Christentum herüberverpflanzen. Auf dem Wege, ungefähr in der Gegend des heutigen Elsaß, wurde er ungeheuer angezogen von den Altertümern des germanischen Heidenwesens, angezogen von alledem, was im Elsaß, was in alemannischen Gegenden, was in der Schweiz hier an alten Göttererinnerungen, Götterverehrungen, Götterbildnissen, Götterstatuen vorhanden war. Das nahm er in tiefbedeutsamer Weise auf.
12 Und da entwickelte sich in ihm etwas, was man auf der einen Seite Hinneigung zum germanischen Wesen nennen kann, auf der anderen Seite aber wiederum entwickelte sich die Gegenkraft dazu: die Empfindung, daß er damals zu weit gegangen wäre. Und das, was er in einer gewaltigen inneren Umwandlung, in einer gewaltigen inneren Metamorphose erlebt hat, das erschien dann in diesen umfassenden Gesichtspunkten. Er konnte über Deutschtum und Deutsches Reich reden wie einer, der einmal bei all diesen Dingen intim dabeigewesen ist, der aber doch sie eigentlich aufgenommen hat, ohne daß er es sollte. Er hätte ja das Christentum verbreiten sollen. Er war sozusagen, ohne daß er es sollte, hineingekommen in die Gegenden - das hörte man selbst seinen Redewendungen an -, und er wollte wieder zurück, um diese Dinge gutzumachen. Daher seine Leidenschaft für die Schweiz, daher seine Leidenschaft für den Bau der Arlbergbahn. Man kann schon sagen, selbst in der äußeren Gestalt, wenn Sie sich dieses anschauen, drückte sich das aus - er sah eigentlich nicht polnisch aus. Und Hausner sagte auch bei jeder Gelegenheit, daß er ja nicht einmal der physischen Abstammung nach ein Pole sei, sondern nur der Zivilisation und Erziehung nach, daß «rätisch-alemannische» Blutkügelchen, wie er sich ausdrückte, in seinen Adern rollten. Er hatte aber aus einer früheren Inkarnation sich das hinübergenommen, daß er immer nach der Gegend schaute, wo er einmal gewesen war, in die er mit dem Columban und dem heiligen Gallus gezogen war, wo er das Christentum verbreiten wollte, aber eigentlich vom Germanentum festgehalten worden war. So machte er sozusagen den Versuch, in einer möglichst wenig polnischen Familie wiederum geboren zu werden, und fernzustehen, aber doch zu gleicher Zeit mit Sehnsucht gegenüberzustehen demjenigen, in dem er früher ganz drinnengestanden hatte.
Dornach, 6.Apr.1924 ☉ (aus «GA 236»; S.23ff)
https://wfgw.diemorgengab.at/zit/WfGWzit123600023.htm