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Zitatensammlung
Teil 1
Zitate von Rudolf STEINER zu
FRIEDE und IDEEN
1 Wenn wir von dieser Gesinnung ausgehen, so finden wir namentlich einen Satz, den ich Sie bitte, sich recht zu Herzen zu nehmen, denn dieser eine Satz kann unter anderem Richtkraft für soziales Denken in der Zukunft geben. Dieser eine Satz ist der: Man reicht aus, ohne daß man Ideen hat, in Zeiten von Revolutionen und Kriegen, man kann aber nicht ausreichen ohne Ideen in Zeiten des Friedens; denn werden die Ideen in Zeiten des Friedens rar, dann müssen Zeiten von Revolutionen und von Kriegen kommen. - Zum Kriegführen und zu Revolutionen braucht man keine Ideen. Um den Frieden zu halten, braucht man Ideen, sonst kommen Kriege und Revolutionen. Und das ist ein innerer spiritueller Zusammenhang. Und alle Deklamationen über den Frieden nützen nichts, wenn nicht diejenigen, die die Geschicke der Völker zu leiten haben, sich bemühen, gerade in Friedenszeiten Ideen zu haben. Und sollen es soziale Ideen sein, so müssen sie sogar von jenseits der Schwelle herrühren. Wird eine Zeit ideenarm, so schwindet aus dieser Zeit der Friede.
Dornach, 24.Nov.1918 ☉ (aus «GA 185a»; S.212)
2 Muß es uns doch ins Herz schneiden, daß wir selber in einer Zeit leben, wo die Friedenssehnsucht des Menschen angebrüllt wird. Fast unwahr ist es in diesen Tagen des Anbrüllens der Friedenssehnsucht der Menschen, Weihnachten zu feiern. Wollen wir heute, da das Äußerste noch nicht vor uns steht, hoffen, daß in den Seelen Umkehr eintreten kann, und daß an die Stelle des Anbrüllens der Friedenssehnsucht christliches Empfinden, Friedenswille trete. Sonst werden vielleicht nicht diejenigen, die heute in Europa streben, sondern diejenigen, die von Asien herüber das Anbrüllen der Friedenssehnsucht einmal rächen werden, auf den Trümmern des europäischen Geisteslebens das Christentum und das Mysterium von Golgatha der Menschheit zu verkündigen haben. Und unauslöschlich wird es dann bleiben: Zu Weihnachten im neunzehnhundertsechzehnten Jahre nach der Verkündigung, daß Friede auf Erden unter den Menschenseelen, die eines guten Willens sind, sein möge, im neunzehnhundertsechzehnten Jahre nach der Weihnachtsverkündigung konnte die Menschheit einmal dazu kommen, die Friedenssehnsucht zu verbrüllen!
Basel, 21.Dez.1918 ♃ (aus «GA 173»; S.212)
3a Nehmen wir irgendeine der vielen abstrakten Ideen, die heute herrschen, heraus. Eine solche abstrakte Idee ist zum Beispiel die Idee des ewigen Friedens. So, wie man das heute behandelt, ist es ein ganz abstrakter Begriff, der nicht dem lebendigen Ergreifen der Wirklichkeit entspringt, jedoch denjenigen Menschen, die nicht weitere Horizonte wollen, wie eine Selbstverständlichkeit einleuchtet. Es wird gesagt: Die verschiedenen Staaten - man denkt dabei nicht nach, ob dieses Wort «die verschiedenen Staaten» überhaupt eine Realität hat - sollen eine zwischenstaatliche Organisation bilden, etwas, das über die ganze Welt reicht und nach dem Muster des einzelnen Staates aufgebaut ist, und es soll ein, wie man sagt, «zwischenstaatliches Recht» organisiert werden. - Die Idee ist schön, daher leuchtet sie jedem ein. Die verschiedenen Staaten sollen sich verpflichten, Frieden zu halten, sollen ihre gegenseitigen Interessen auf gewisse Rechtsnormen begründen. Alles sehr schön! Aber zweifellos wäre es auch schön, wenn wir, um ein warmes Zimmer zu haben, nicht einzuheizen brauchten, sondern nur den abstrakten Begriff der Wärme zu entwickeln brauchten. Es handelt sich bei einer Idee nicht darum, ob sie schön ist, nicht darum, ob sie einleuchtend ist; denn was könnte einleuchtender sein als der Gedanke, daß es doch eigentlich eine furchtbare Despotie der Natur bedeutet, daß man Öfen oder Ähnliches benötigt!
3b Nicht darauf kommt es an, daß eine Idee dem Gefühle entspricht, welches die Leute mit Worten bezeichnen wie: Es ist eine schöne, eine humane Idee -, oder wie man dann schon sagt, sondern darauf, ob eine Idee aus der Wirklichkeit herauswächst. Würde man auf Ideen ausgehen, die aus der Wirklichkeit herauswachsen, dann würde man allerdings erst die Wirklichkeit studieren müssen. Schöne Programme aufstellen, wie es die Staaten in der Zukunft machen sollen, damit Frieden herrscht, kann jeder beschränkte Kopf - verzeihen Sie den Ausdruck -; ein solcher kann aber nicht zu Ideen kommen, die der lebendigen Wirklichkeit entsprechen, die aus der Wirklichkeit herausgeboren sind. Man hat der geistigen Welt gegenüber nicht einmal das Gefühl, daß da eine Wirklichkeit mit ihren Gesetzen vorliegt, wie man es der materiellen Welt gegenüber selbstverständlich hat; sondern man glaubt, mit ein paar Sätzen die ganze Welt regeln zu können, ohne ein Gefühl dafür, daß die Welt eine Realität ist, in der lauter reale Impulse sich gegenseitig kontrastieren. Dadurch aber, daß man sich berauscht an Programmen, die in abstrakten Ideen bestehen, hält man die Welt davon ab, auf die Wirklichkeiten einzugehen.
Dornach, 6.Jän.1917 ♄ (aus «GA 174»; S.42f)
https://wfgw.diemorgengab.at/zit/WfGWzit118510212.htm