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Zitatensammlung
Teil 1
Zitat von Rudolf STEINER zu
HELLSEHEN und INTELLIGENZ
1 Gehen wir noch einmal zu unserem Beispiel zurück: Stellen Sie sich einen Menschen vor, der hier auf der Erde gewisse Gedanken entwickeln will, deren Entwickelung ihm als Aufgabe gestellt ist. Er lernt gegenübertreten einer geistigen Wesenheit, in diesem Falle einem verstorbenen Menschen. Diese Wesenheit sendet ihr durch die geistige Welt verändertes Denken - man möchte sagen denkendes Wollen, fühlendes Denken - herein in das eigene Denken und Fühlen. Da, in dem auf der Erde lebenden Menschen, entstehen erst die Gedanken, die intelligenten Gedanken, die der Tote hervorbringen will aus eigener Kraft heraus. Man lernt erkennen, daß von dem, was auf der Erde ist, der Tote Fühlen und Wollen hat, daß er andere Fähigkeiten hat, seelische Fähigkeiten, die sich auf der Erde nicht entwickeln, daß er aber den Trieb als Toter hat, sein Denken und Fühlen mit menschlichen Gedanken zu verbinden. Daher verbindet er sich mit dem Erdenmenschen. Denn indem sein Denken, Fühlen und Wollen eindringen in den Menschen, werden Gedanken angeregt. Er erlebt sie mit, er konnte sie für sich allein nicht erleben. Dadurch wird die Kommunikation mit dem Erdenmenschen herbeigeführt. Allerdings ist ein solcher Verkehr mit einem geistigen Wesen und die Anregung der eigenen Gedanken nur möglich, wenn die Gedanken sich vorher in der früher geschilderten Weise emanzipiert haben von dem Nervensystem und von dem Gehirn, wenn sie außerhalb des Gehirns als Denktätigkeit sich entwickeln. Ein merkwürdiger Prozeß tritt ein: Indem man so das Denken emanzipiert von seinem Leiblichen, erlebt, fühlt man sich selbst so, wie wenn einem das eigene Denken entrissen würde, wie wenn es im Raume und in der Zeit sich ausweitete und ausbreitete. Das Denken, von dem wir sonst sagen: Es verläuft in uns -, identifiziert sich mit der umgebenden geistigen Welt, strömt in dieselbe hinein und erlangt gegenüber uns selbst eine Selbständigkeit, die wir vergleichen können mit der annähernden Selbständigkeit, die im physischen Leibe zum Beispiel das Auge hat, das als eine Art selbständiges Organ in seiner Höhle drinnensitzt. So ist das nun selbständige Denken zwar mit dem erhöhten Selbst verbunden, aber so selbständig, daß es wie das geistige Wahrnehmungsorgan für das Denken und Fühlen der anderen geistigen Wesenheiten wirkt, so wie das Auge für das Wahrnehmen der sinnlichen Farbe und des sinnlichen Lichtes wirkt. Man kommt allmählich dazu, zu sehen, daß sich das Denken, das sonst in der Intelligenz [als Intellekt] beschlossen ist, wie ein geistiges Wahrnehmungsorgan verselbständigt gegenüber unserer eigenen Wesenheit.
2 Ich kann das, was ich eben dargestellt habe, auch in anderen Worten sagen. Dasjenige, was man wirklich subjektiv erlebt, das, was die Intelligenz umschließt, das äußere Denken, sind schattenhafte Wesenheiten, eben Gedankenwesenheiten, bloß Gedanken, die abbilden äußere Wesenheiten. Indem das Denken hellsichtig wird, sich absondert von Gehirn und Nervensystem, beginnt es, innere Regsamkeit, Eigenleben zu entwickeln und strömt als eigenes Erleben in die übrige geistige Welt hinaus. Die Fühlhörner des Denkens - ich muß es etwas grob ausdrücken -, des hellsichtig gewordenen Denkens, strecken wir hinaus in die geistige Welt, und sie nehmen im Untertauchen wahr das fühlende Wollen, das wollende Fühlen der anderen Wesen, die um uns sind auf dem geistigen Felde.
3 Dasjenige, was gesagt worden ist über die notwendige Selbsterkenntnis auf dem Wege der geistigen Entwickelung - was ja begreiflich macht, daß Bescheidenheit selbstverständlich ist -, solcher Selbsterkenntnis wird gestattet sein, über dieses hellsichtig entwickelte Denken die folgenden Bemerkungen zu machen, und man wird diese Bemerkungen nicht als Unbescheidenheit hinnehmen. Indem innerhalb der hellsichtigen Entwickelung das Denken lebendig wird, Selbständigkeit gewinnt, gelangt es auch dazu, wirklich technisch sichere und präzise Handhabe werden zu können. Durch wahres Hellsehen wächst die Präzision, die Treffsicherheit, die logische Kraft des Denkens, es wächst die Möglichkeit, das Denken wirklich präziser und intimer den Sachen angepaßt anzuwenden. Dadurch kommt es, daß die Intelligenz durch das wahre Hellsehen praktischer ausgearbeitet wird, mehr durchorganisiert wird, und daß es dem Hellseher leicht ist, zu durchschauen die Tragweite der Forschungsergebnisse der gewöhnlichen Wissenschaft, während zu der gewöhnlichen Wissenschaft das plastizierte ... (Lücke im Text) der Intelligenz notwendig ist, daher es begreiflicherweise so ist, daß es der gewöhnlichen Wissenschaft unserer Tage nicht möglich ist, die Ergebnisse der hellsichtigen Forschung zu durchschauen. Wahrhaftig, die Dinge stehen so, daß derjenige, der wahres Hellsehen entwickelt hat, die ganze Bedeutung und Größe der Errungenschaften der Naturforschung durchschauen kann, und es kann in diesem Sinne nicht gesprochen werden von einer Gegnerschaft der Geisteswissenschaft gegenüber der gewöhnlichen Wissenschaft. Das Umgekehrte aber ist begreiflich. Erst die hellsichtige Entwickelung organisiert die Kraft der Intelligenz, macht sie innerlich selbständig, lebendig, durchschaubar. Daher entzieht sich der äußeren materialistischen Erkenntnis die Möglichkeit, hineinzudringen in jene Logik, welche die Gewißheit gibt: Hellsichtige Erkenntnis liefert wirklich die Anschauung der geistigen Welt. Andererseits wird gerade aus dem angeführten Beispiel hellsichtigen Erlebens mit dem charakterisierten Toten vielleicht einleuchtend sein, daß Intelligenz, daß Denken eine spezifische Eigenschaft ist der im physischen Leibe lebenden Seelen, der Erdenmenschen; denn der Tote hatte in unserem Falle selbst den Trieb, sich zu verbinden mit dem Erdenmenschen, damit das, was in ihm in ganz anderer, übersinnlicher Weise lebte, die Gestalt von intelligenten Gedanken annehmen könne. Der Tote dachte mit dem Lebenden zusammen seine Gedanken. Gleichsam im Kopfe des Lebenden steckte das Denken des Toten und das Denken des Lebenden miteinander. Das intelligente Denken ist vorzugsweise eine menschliche Eigenschaft. Dies sollte durch das Beispiel illustriert werden. Daher wird verständlich sein, daß durch die Kraft der Intelligenz, durch die Kraft des Denkens, die ja, weil sie spezifisch menschlich ist, im ureigensten Sinne im Erdenmenschen entwickelt werden muß, verstanden werden kann das Ergebnis der hellsichtigen Forschung auch von demjenigen, der selbst kein Hellseher ist. Aus meinen getanen Äußerungen geht hervor, daß das selbständig gewordene Denken gleichsam das geistige Auge wird für die Wahrnehmung der geistigen Außenwelt. Allerdings zeigt sich vor der hellsichtigen Forschung, die dieses geistige Auge zu dem, was hellsichtiges Denken ist, gebraucht, daß dieses geistige Auge ein aktives, ein tätiges ist, daß die geistigen Fühlhörner sich überall hin ausstrecken, während das physische Auge ein passives ist, das die Eindrücke passiv an sich herankommen läßt. Hat daher der Geistesforscher in seine Gedanken die Offenbarungen der geistigen Welt aufgenommen, dann leben sie in den Gedanken darinnen. Und versucht er dann dasjenige, was er sich bemüht hat, in seine lebenden Gedanken hineinzubringen, seinen Mitmenschen mitzuteilen, so ist es den Mitmenschen möglich, ihn zu verstehen, ihn zu begreifen, wenn sie sich diese Wege, ihn zu verstehen, nur nicht durch materialistische Vorurteile verlegen lassen.
4 Es gibt in der menschlichen Seele etwas wie eine innere, gewöhnlich stumm bleibende Sprache, die sofort wie ein Echo ertönen muß, wenn die Begriffe an die Seele herankommen, die der Geistesforscher gewinnt dadurch, daß er sich anregen läßt in seinem Wollen und Fühlen von der geistigen Welt und deren Wesenheiten. Und wenn die Menschen der Gegenwart sich etwas mehr befaßt haben werden - die Menschen der Zukunft namentlich - mit den Impulsen der Geisteswissenschaft, so werden immer mehr und mehr verstummen die Einwände von der Art, daß man etwa sagt: Ja, man muß glauben dasjenige, was der Geistesforscher aus der geistigen Welt heraus mitteilt, denn man kann es nicht begreifen. - Man wird erfahren, daß die menschliche Intelligenz in der Tat fähig ist, wohl zu verstehen, wohl zu begreifen das, was mitgeteilt wird aus der geistigen Welt heraus, allerdings nur, wenn es von der Art ist, daß es durch richtige geistige Erlebnisse, durch wahre geistige Erforschung aus dieser geistigen Welt herausgeholt ist. Und man wird erkennen, daß es nicht richtig ist, wenn man sagt, man sei als Mensch nicht veranlagt, mit seiner Intelligenz zu durchschauen, zu begreifen die Offenbarungen aus der geistigen Welt, man müsse sie auf Autorität annehmen. Man wird vielmehr verstehen lernen, daß diesem Begreifen und Verstehen nur hinderlich sein kann, das, was man nennt: Vorurteile haben. Und man wird immer mehr dazu kommen, ebenso zu den Mitteilungen aus der geistigen Welt zu stehen, wie man etwa zu den Ergebnissen der modernen Astronomie, Biologie, Physik und Chemie steht, auch wenn man kein Astronom, kein Biologe oder Physiker oder Chemiker ist, und dennoch hinnimmt durch dasjenige, was man natürliches Wahrheitsgefühl, natürlichen Wahrheitssinn, was man eine stumme Sprache in der menschlichen Seele nennen kann, dasjenige, was die Wissenschaften verkünden aus der physischen Welt.
Paris, 26.Mai 1914 ♂ (aus «GA 154»; S.118ff)
https://wfgw.diemorgengab.at/zit/WfGWzit115400118.htm