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Zitatensammlung
Teil 2
Zitat von Hannah ARENDT zur
AHABATH ISRAEL
Nun zur Sache selbst: Um an das letztere gleich anzuschließen, will ich mit der »Ahabath Israel«² beginnen. (Ich wäre Ihnen übrigens sehr dankbar, wenn Sie mir sagen würden, seit wann dieser Begriff in der hebräischen Sprache und im Schrifttum eine Rolle spielt, wann er zum erstenmal aufgetreten ist usw.) Sie haben vollkommen recht, daß ich eine solche »Liebe« nicht habe, und dies aus zwei Gründen: Erstens habe ich nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv »geliebt«, weder das deutsche noch das französische, noch das amerikanische, noch etwa die Arbeiterklasse oder was es sonst so noch gibt. Ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig. Zweitens aber wäre mir diese Liebe zu den Juden, da ich selbst jüdisch bin, suspekt. Ich liebe nicht mich selbst und nicht dasjenige, wovon ich weiß, daß es irgendwie zu meiner Substanz gehört. Um Ihnen klarzumachen, was ich meine, möchte ich Ihnen von einer Unterhaltung berichten, die ich in Israel mit einer führenden politischen Persönlichkeit³ hatte, die die meines Erachtens verhängnisvolle Nichttrennung von Religion und Staat in Israel verteidigte und dabei sinngemäß sagte - ich besinne mich auf den genauen Wortlaut nicht mehr: »Sie werden ja verstehen, daß ich als Sozialist nicht an Gott glaube, ich glaube an das jüdische Volk.« Ich bin der Meinung, daß dies ein furchtbarer Satz ist, und ich habe nicht geantwortet, weil ich zu erschrocken war, aber ich hätte antworten können: Das Großartige dieses Volkes ist es einmal gewesen, an Gott zu glauben, und zwar in einer Weise, in der Gottvertrauen und Liebe zu Gott die Gottesfurcht bei weitem überwog. Und jetzt glaubt dieses Volk nur noch an sich? Was soll daraus werden?
an Gerhard Scholem, New York, den 20.Jul.1963
2 Scholem hatte geschrieben: »Es gibt in der jüdischen Sprache etwas durchaus nicht zu Definierendes und völlig Konkretes, was die Juden ›Ahabath Israel‹ [אהבת ישראל] nennen, Liebe zu den Juden [eigentl. Freundschaft mit Israel, was ja mehr umfasst als nur das Judentum]. Davon ist bei Ihnen, liebe Hannah, wie bei so manchen Intellektuellen, die aus der deutschen Linken hervorgegangen sind [was H.Arendt energisch bestritt], nichts zu merken.«
3 Die »führende politische Persönlichkeit« war, wie aus der Kopie von Hannah Arendts Originalbrief in der Library of Congress ersichtlich ist, Golda Meir, zur Zeit des Eichmannprozesses israelische Außenministerin.
aus «Ich will verstehen»; S.30f
Ergänzung
[...] Das Judentum ist mehr als ein Staat Israel, mit ihm nicht identisch. Wäre Israel verloren, so wäre das Judentum noch lange nicht verloren. Israel ist nicht berechtigt, im Namen des ganzen Judentums zu sprechen.
Karl Jaspers am 14.XII.1960 an H.Arendt
aus «Briefwechsel»; S.447
https://wfgw.diemorgengab.at/zit/WfGWzit011860030.htm