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Zitatensammlung
Teil 2
Zitat von Gotthold Ephraim LESSING zum
GESPENSTERGLAUBEN

[...] Wir glauben keine Gespenster mehr? Wer sagt das? Oder vielmehr, was heißt das? Heißt es so viel: wir sind endlich in unsern Einsichten so weit gekommen, daß wir die Unmöglichkeit davon erweisen können; gewisse unumstößliche Wahrheiten, die mit dem Glauben an Gespenster im Widerspruche stehen, sind so allgemein bekannt worden, sind auch dem gemeinsten Manne immer und beständig so gegenwärtig, daß ihm alles, was damit streitet, notwendig lächerlich und abgeschmackt vorkommen muß? Das kann es nicht heißen. Wir glauben itzt keine Gespenster, kann also nur so viel heißen: in dieser Sache, über die sich fast ebensoviel dafür als darwider sagen läßt, die nicht entschieden ist und nicht entschieden werden kann, hat die gegenwärtig herrschende Art zu denken den Gründen darwider das Übergewicht gegeben; einige wenige haben diese Art zu denken, und viele wollen sie zu haben scheinen; diese machen das Geschrei und geben den Ton; der größere Haufe schweigt und verhält sich gleichgültig und denkt bald so, bald anders, hört beim hellen Tage mit Vergnügen über Gespenster spotten und bei dunkler Nacht mit Grausen davon erzählen.

5.VI.1767
in „Hamburgische Dramaturgie” aus «Schriften 1»; S.166f
https://wfgw.diemorgengab.at/zit/WfGWzit009520166.htm