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Zitatensammlung
Teil 2
Zitat von Martin BUBER zum
DU SPRECHEN
1 Wer Du spricht, hat kein Etwas zum Gegenstand. Denn wo Etwas ist, ist anderes Etwas, jedes Es grenzt an andere Es. Es ist nur dadurch, daß es an andere grenzt. Wo aber Du gesprochen wird, ist kein Etwas. Du grenzt nicht.
Wer Du spricht, hat kein Etwas, hat nichts. Aber er steht in der Beziehung.
S.10f
2a Die Welt als Erfahrung gehört dem Grundwort Ich-Es zu. Das Grundwort Ich-Du stiftet die Welt der Beziehung.
*
2b Drei sind die Sphären, in denen sich die Welt der Beziehung errichtet.
Die erste: das Leben mit der Natur. Da ist die Beziehung im Dunkel schwingend und unsprachlich. Die Kreaturen regen sich uns gegenüber, aber sie vermögen nicht zu uns zu kommen, und unser Du-Sagen zu ihnen haftet an der Schwelle der Sprache.
Die zweite: das Leben mit den Menschen. Da ist die Beziehung offenbar und sprachgestaltig. Wir können das Du geben und empfangen.
Die dritte: das Leben mit den geistigen Wesenheiten. Da ist die Beziehung in Wolke gehüllt, aber sich offenbarend, sprachlos, aber sprachzeugend. Wir vernehmen kein Du und fühlen uns doch angerufen, wir antworten - bildend, denkend, handelnd: wir sprechen mit unserm Wesen das Grundwort, ohne mit unserm Munde Du sagen zu können.
Wie dürfen wir aber das Außersprachliche in die Welt des Grundwortes einbeziehn?
In jeder Sphäre, durch jedes uns gegenwärtig Werdende blicken wir an den Saum des ewigen Du hin, aus jedem vernehmen wir ein Wehen von ihm, in jedem Du reden wir das ewige an, in jeder Sphäre nach ihrer Weise.
S.12f
3a - Was erfährt man also vom Du?
- Eben nichts. Denn man erfährt es nicht.
- Was weiß man also vom Du?
- Nur alles. Denn man weiß von ihm nichts Einzelnes mehr.
*
3b Das Du begegnet mir von Gnaden - durch Suchen wird es nicht gefunden. Aber daß ich zu ihm das Grundwort spreche, ist Tat meines Wesens, meine Wesenstat.
Das Du begegnet mir. Aber ich trete in die unmittelbare Beziehung zu ihm. So ist die Beziehung Erwähltwerden und Erwählen, Passion und Aktion in einem. Wie denn eine Aktion des ganzen Wesens, als die Aufhebung aller Teilhandlungen und somit aller - nur in deren Grenzhaftigkeit gegründeter - Handlungsempfindungen, der Passion ähnlich werden muß.
Das Grundwort Ich-Du kann nur mit dem ganzen Wesen gesprochen werden. Die Einsammlung und Verschmelzung zum ganzen Wesen kann nie durch mich, kann nie ohne mich geschehen. Ich werde am Du; Ich werdend spreche ich Du.
Alles wirkliche Leben ist Begegnung.
*
3c Die Beziehung zum Du ist unmittelbar. Zwischen Ich und Du steht keine Bergrifflichkeit, kein Vorwissen und keine Phantasie; und das Gedächtnis selber verwandelt sich, da es aus der Einzelung in die Ganzheit stürzt. Zwischen Ich und Du steht kein Zweck, keine Gier und keine Vorwegnahme; und die Sehnsucht selber verwandelt sich, da sie aus dem Traum in die Erscheinung stürzt. Alles Mittel ist Hindernis. Nur wo alles Mittel zerfallen ist, geschieht die Begegnung.
S.17ff
4 Der Mensch wird am Du zum Ich. Gegenüber kommt und entschwindet, Beziehungsereignisse verdichten sich und zerstieben, und im Wechsel klärt sich, von Mal zu Mal wachsend, das Bewußtsein des gleichbleibenden Partners, das Ichbewußtsein. Zwar immer noch erscheint es nur im Gewebe der Beziehung, in der Relation zum Du, als Erkennbarwerden dessen, das nach dem Du langt und es nicht ist, aber immer kräftiger hervorbrechend, bis einmal die Bindung gesprengt ist und das Ich sich selbst, dem abgelösten, einen Augenblick lang wie einem Du gegenübersteht, um alsbald von sich Besitz zu ergreifen und fortan in seiner Bewußtheit in die Beziehungen zu treten.
S.37
5 Die Eswelt hat Zusammenhang im Raum und in der Zeit.
Die Duwelt hat in Raum und Zeit keinen Zusammenhang.
Das einzelne Du muß, nach Ablauf des Beziehungsvorgangs, zu einem Es werden.
Das einzelne Es kann, durch Eintritt in den Beziehungsvorgang, zu einem Du werden.
Dies sind die zwei Grundprivilegien der Eswelt. Sie bewegen den Menschen, die Eswelt als die Welt anzusehn, in der man zu leben hat und in der sich auch leben läßt, ja die einem auch mit allerlei Anreizen und Erregungen, Betätigungen und Erkenntnissen aufwartet. Die Du-Momente erscheinen in dieser festen und zuträglichen Chronik als wunderliche lyrisch-dramatische Episoden, von einem verführenden Zauber wohl, aber gefährlich ins Äußerste reißend, den erprobten Zusammenhang lockernd, mehr Frage als Zufriedenheit hinterlassend, die Sicherheit erschütternd, eben unheimlich, und eben unentbehrlich. Da man aus ihnen doch in »die Welt« zurückkehren muß, warum nicht in ihr verbleiben? Warum das Gegenübertretende nicht zur Ordnung rufen und in die Gegenständlichkeit heimsenden? Warum, wenn man nun einmal, etwa zu Vater, Weib, Gefährten, Du zu sagen nicht umhin kann, warum nicht Du sagen und Es meinen? Den Laut Du mit den Lautwerkzeugen hervorbringen heißt ja beileibe noch nicht das unheimliche Grundwort sprechen; ja, auch ein verliebtes Du mit der Seele flüstern ist ungefährlich, solange man nur ernstlich nichts anderes meint als: erfahren und gebrauchen.
In bloßer Gegenwart läßt sich nicht leben, sie würde einen aufzehren, wenn da nicht vorgesorgt wäre, daß sie rasch und gründlich überwunden wird. Aber in bloßer Vergangenheit läßt sich leben, ja nur in ihr läßt sich ein Leben einrichten. Man braucht nur jeden Augenblick mit Erfahren und Gebrauchen zu füllen, und er brennt nicht mehr.
Und in allem Ernst der Wahrheit, du: ohne Es kann der Mensch nicht leben. Aber wer mit ihm allein lebt, ist nicht der Mensch.
S.42ff
aus «Ich und Du»
Ergänzung
6 Wir brauchen eine Sprache der ersten und zweiten Person - des Du und des Ich. Freiheit ist sinnlos ohne Ich, Liebe ist sinnlos ohne Du, Würde und Weisheit sind sinnlos ohne Ich und Du.
Georg Soldner
in »Das Goetheanum« 46·2020; S.15
https://wfgw.diemorgengab.at/zit/WfGWzit006890010.htm