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Zitatensammlung Teil 2 |
Zitat von Herbert HAHN zum |
FUNKTIONÄRSWAHN |
Von den Deutschen [und Österreichern] selber werden in ihrem Zusammenleben zwei andere Komplexe als unangenehm, ja gelegentlich empörend empfunden: der Funktionärswahn und das spitze Betonen der Kleinigkeiten. Es ist dabei gar nicht so, daß dieser Funktionärswahn, mit anderen Worten die verkehrte Perspektive, in der die eigene Tätigkeit gesehen wird, etwa mit dem besoldeten Beamtentum verbunden wäre. Er scheint irgendwie latent zu sein und tritt in den unwahrscheinlichsten Situationen plötzlich zutage. Man kann zum Beispiel erleben, daß - in übrigens kameradschaftlichen Zusammenhängen - einem kleinen bescheidenen Jemand für einen Tag die Betreuung einer Abfallgrube zugesprochen wird. Und siehe da: schon hat sich dieser Jemand verwandelt. Im Handumdrehen ist er von seiner Pflicht förmlich besessen und betrachtet sie merkwürdigerweise als etwas, das ihm zugleich eine gewisse Würde verliehen hat: eben die Funktionärswürde. Von seiner Bescheidenheit ist nichts mehr zu spüren; er ist hitzig und aufsässig und fühlt sich voll autorisiert, die eigenen Kameraden anzuschnauzen. Dies ist kein erdachtes, sondern ein ganz und gar aus der Erfahrung gegriffenes Beispiel. Was liegt hier vor? Eben der Funktionärswahn, das heißt ein vorübergehendes oder auch chronisch wirkendes Seelenfieber, das dem von ihm Ergriffenen vorspiegelt, er sei gar nicht selbst der Dienende, sondern die anderen, für die er eingesetzt wurde, seien zu seinem Dienst befohlen. Und es könnte geschehen, daß manche Arbeit so lange aus dieser verkehrten Perspektive getan wird, daß letztere endlich als legal gilt. Man könnte sich hier an ein Wort von Thomas Paine erinnert fühlen [...]: «Wenn man sich lange daran gewöhnt, ein Ding verzerrt und falsch zu sehen, so gibt man diesem Ding einen oberflächlichen Anschein des Rechtes.» |
aus «Vom Genius Europas 4»; S.264f |
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revid.202411 |
https://wfgw.diemorgengab.at/zit/WfGWzit006320264.htm |