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Zitatensammlung
Teil 2a: Apokryphen
NIKODEMUS 20-22
20,1
Da nun alle in solcher Freude waren, kam Satan, der Erbe der Finsternis, und sprach zu Hades: Unersättlicher, Allesverschlinger, höre meine Worte! Da gibt es einen aus dem Judenvolk, der Jesus heißt und sich Gottes Sohn nennt. Er ist aber nur ein Mensch, und auf mein Betreiben hin haben ihn die Juden gekreuzigt. Und da er jetzt tot ist, so sei in Bereitschaft, damit wir ihn hier einsperren. Denn ich weiß, daß er nur ein Mensch ist, und ich habe ihn klagen hören: Meine Seele ist betrübt bis an den Tod (Matth. 26,38). Er hat mir viel Böses in der Welt droben angetan, als er mit den Sterblichen zusammenlebte. Denn wo er immer meine Diener fand, trieb er sie aus, und alle die Menschen, welche ich bucklig, blind, lahm, aussätzig und dergleichen mehr gemacht hatte, die heilte er durch bloßes Wort, und viele, die ich reif gemacht hatte, begraben zu werden, auch die machte er durch bloßes Wort wieder lebendig.
20,2
Da sprach Hades: Also so mächtig ist er, daß er durch bloßes Wort derartiges bewirkt? Kannst du ihm, der solches vermag, denn widerstehen? Mich dünkt, einem solchen wird keiner widerstehen können. Wenn du aber gehört zu haben behauptest, wie er den Tod fürchtete: solches sprach er, indem er sein Spiel und seinen Spott mit dir trieb, entschlossen, dich mit gewaltiger Hand zu packen. Und dann wehe, wehe dir für alle Ewigkeit! Satan erwiderte: Allesverschlingender, unersättlicher Hades, bist du in solche Angst geraten, da du von unserem gemeinsamen Feind hörtest? Ich hatte keine Angst vor ihm, sondern wirkte auf die Juden ein, und diese kreuzigten ihn und tränkten ihn mit Galle und Essig. Mache dich also bereit, ihn, wenn er kommt, fest in deine Gewalt zu kriegen.
20,3
Hades antwortete: Erbe der Finsternis, Sohn des Verderbens, Teufel, soeben hast du mir gesagt, er habe viele, die du zum Begrabenwerden reif machtest, durch bloßes Wort wieder ins Leben zurückgerufen. Wenn er also andere vom Grabe befreite, wie und mit welcher Macht wird er da von uns überwältigt werden können? Ich verschlang vor kurzem einen Toten mit Namen Lazarus, und bald danach riß mir einer der Lebenden durch bloßes Wort, mich vergewaltigend, diesen aus meinen Eingeweiden. Ich nehme an, es ist der gleiche, von dem du sprichst. Wenn wir nun jenen hier aufnehmen, dann setzen wir, fürchte ich, auch die übrigen aufs Spiel. Denn schau, ich sehe, wie alle, die ich von Weltbeginn an verschlang, in Unruhe geraten. Ich habe Bauchgrimmen. Der mir vorweg entrissene Lazarus dünkt mich kein gutes Vorzeichen. Denn nicht wie ein Toter, wie ein Adler flog er von mir weg. So schnell warf ihn die Erde hinaus. Deshalb beschwöre ich dich bei allem, was dir und mir wert ist, bring ihn nicht her! Denn ich glaube, er kommt mit der Absicht hierher, alle Toten aufzuwecken. Und das sage ich dir: Wahrlich, bei dem Dunkel, das uns umgibt, bringst du ihn her, wird mir keiner der Toten übrigbleiben.
21,1
Während Satan und Hades so miteinander sprachen, ertönte wie Donner eine gewaltige Stimme: Öffnet, ihr Herrscher, eure Tore, gehet auf, ewige Pforten! Einziehen wird der König der Herrlichkeit (Ps. 23,7 nach der Septuaginta). Als Hades das hörte, sprach er zu Satan: Geh hinaus, wenn du kannst, und tritt ihm entgegen! Satan ging nun hinaus. Dann befahl Hades seinen Dienern: Verrammelt gut und kräftig die ehernen Tore, schiebt die eisernen Querbalken vor, behaltet meine Verschlüsse in der Gewalt, steht gerade und schaut nach allem! Denn kommt er herein, wird Wehe über uns kommen.
21,2
Als die Vorväter das hörten, begannen alle, ihn zu verspotten. Sie sagten: Du Allesverschlinger, du Unersättlicher, öffne, damit der König der Herrlichkeit einziehe! Der Prophet David sprach: Weißt du nicht, du Blinder, daß ich, als ich noch in der Welt lebte, einen solchen Ruf: Öffnet eure Tore, ihr Herrscher! vorausgesagt habe? Jesaja sprach: Ich habe, erleuchtet vom Heilgen Geist, vorausgesehen und geschrieben: Die Toten werden auferstehen, und die in den Gräbern werden auferweckt werden, freuen werden sich die unter der Erde (Jes. 26,19). Wo ist dein Stachel, Tod? Wo ist, Hades, dein Sieg? (1.Kor. 15,55, soll auf Jes. 25,8 zurückgehen).
21,3
Da erscholl wieder die Stimme: Öffnet die Tore! Als Hades die Stimme zum zweiten Mal hörte, verhielt er sich wie ein Ahnungsloser und fragte: Wer ist dieser König der Herrlichkeit? Die Engel des Herrn erwiderten: Ein mächtiger und gewaltiger Herr, ein Herr, machtvoll im Kriege! (Ps. 23,8). Und zugleich mit diesem Bescheid wurden die ehernen Tore zerschlagen und die eisernen Querbalken zerbrochen und die gefesselten Toten alle von ihren Banden gelöst und wir mit ihnen⁹. Und es zog ein der König der Herrlichkeit wie ein Mensch, und alle dunklen Winkel des Hades wurden licht.
22,1
Sofort schrie Hades: Wir wurden besiegt, wehe uns! Aber wer bist du, der du solche Macht und Gewalt hast? Und wer bist du, der du ohne Sünde hierhin gekommen bist? Der du klein erscheinst und Großes vermagst, der du niedrig bist und hoch, Knecht und Herr, Krieger und König, Gewalthaber über Tote und Lebendige? Ans Kreuz wurdest du genagelt und ins Grab gelegt, und eben erst frei geworden, hast du unsere ganze Macht zerbrochen. Bist du Jesus, von dem der Obersatrap Satan uns erzählte, du solltest durch Kreuz und Tod die ganze Welt erben?
22,2
Da packte der König der Herrlichkeit den Obersatrapen Satan am Kopfe und übergab ihn den Engeln mit den Worten: Mit Eisenketten fesselt ihm Hände und Füße, Hals und Mund! Dann übergab er ihn dem Hades und sprach: Nimm ihn und halte ihn fest bis zu meiner zweiten Ankunft!
V.Jhdt.
9 Diese Szene oder Vorstellung ist vor allem in der byzantinischen Kunst vielfach dargestellt.
aus «Apokryphen»; S.531ff
https://wfgw.diemorgengab.at/zit/WfGWzit004500531.htm