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Merkblatt-
Beilage S:
Braucht Geistesleben Bindungen?
Immer mehr Menschen erleben stark ihre Individualität. Sie meinen, unabhängig leben zu können, ja zu sollen. Bindungen beschränken sie auf das Nötigste. Diese Tendenz scheint in der Menschheitsentwicklung zu liegen; jedenfalls nimmt sie zu. Das Feststellen von konkreten Verbindlichkeiten gegenüber anderen, von Rechten und Pflichten, hinterlässt somit oft einen abschreckenden Eindruck.
Demgegenüber lehrt die Erfahrung, dass die Menschen darauf angewiesen sind, sich auf verschiedensten Ebenen zusammenzuschliessen, um überleben und damit sich entwickeln zu können. Selbst Einsiedlerin oder Eremit müssen erst einmal in eine Gemeinschaft geboren werden und in ihr aufwachsen.
Sommer und Herbst 1987 bemühten sich die Gründungsmitglieder des Bregenzer Zweiges, in drei Teilen zu beschreiben, welche Form der von ihnen angestrebte geistige, aber auch seelische Arbeitszusammenhang annehmen werde. Sie waren überzeugt, dass frei schöpferisches Geistesleben Vertrauen und Verbindung voraussetzt, wenn es sich nicht im Privaten erschöpfen soll. Bis heute weist dieser Zweig einen deutlichen sozialen Rahmen auf, der von seinen Mitgliedern beständig weitergestaltet wird.
Mustersatzung
eines geisteswissenschaftlichen Arbeitszweiges
TEIL I: ÜBER FORM UND INHALT
§ 1 Name, Sitz und Tätigkeitsbereich
(1) Der Verein, im folgenden „Zweig” genannt, führt den Namen:
(Name)-Zweig (Zusatz zB. „der Anthroposophischen Gesellschaft”).
(2) Der Zweig sitzt in (Ort).
(3) Der Zweig erstreckt seine Tätigkeit auf (Gebiet).
§ 2 Aufgabe
(1) Der Zweig sieht seine Aufgabe
..a) im Pflegen wissenschaftlicher, künstlerischer und erzieherischer Bestrebungen auf der Grundlage der (Zusatz zB. von Rudolf Steiner gegebenen) Geisteswissenschaft,
..b) im einander Unterstützen seiner Mitglieder [1] und
..c) als Begegnungsort sowie im Beistehen allen Menschen nach Maßgabe seiner Auffassung und Möglichkeiten.[1]
..d) (Zusatz zB. sowie im Erhalten und Fördern des Goetheanum als Freie Hochschule für Geisteswissenschaft.[2])
(2) Die Zweigtätigkeit ist gemeinnützig und nicht auf Gewinn gerichtet.
(3) Jedes sektiererische Bestreben lehnt der Zweig ab - eine Zweigmeinung als Meinung aller Mitglieder gibt es nicht;[3]
die Politik liegt nicht in seinem Aufgabenbereich.
Mittel zur Erreichung der Aufgabe
(4) Die in Abs.1 beschriebene Aufgabe wird durch die in den Absätzen 5 und 6 aufgezählten ideellen und materiellen Mittel erreicht.
(5) Als ideelle Mittel dienen das
..a) Teilnehmen an und Veranstalten von wissenschaftlichen und künstlerischen Tätigkeiten wie Vorträge und Ausstellungen, Tagungen und Aufführungen, Gesprächsrunden, Kurse und ähnliches,
..b) Herausgeben von Mitteilungen in unregelmäßigen Abständen und
..c) Einrichten eines Zweigraumes mit Bibliothek.
(6) Die benötigten materiellen Mittel werden durch Mitgliedsbeiträge, Spenden, Einnahmen aus Veranstaltungen und sonstige Zuwendungen aufgebracht.
§ 3 Auflösung
(1) Zählt der Zweig weniger als drei tätige Zweigmitglieder, so gilt er als ruhend, wobei er sich nach siebenjähriger Ruhezeit selbsttätig auflöst und sein Vermögen der Landesgesellschaft ... für die gemeinnützige anthroposophische Arbeit in ... zugute kommt.
(2) Die freiwillige Auflösung des Zweiges kann in einer dazu einberufenen Zweigversammlung mit höchstens zwei Gegenstimmen beschlossen werden.
(3) Die den Zweig auflösende Zweigversammlung wird die Liquidation des Zweigvermögens beschließen, indem sie
..a) mit einer Mehrheit nach §8(6)b einen Liquidator beruft und
..b) mit einer Mehrheit nach §8(6)c festlegt, welcher anthroposophischen Einrichtung oder Gemeinschaft das Restvermögen übertragen wird;
in jedem Fall wird das Zweigvermögen einem gemeinnützigen Zweck im Sinne der Bundes-abgabenordnung -insbesondere deren § 35- zugeführt.
TEIL II: ÜBER DIE MITGLIEDSCHAFT
§ 4 Arten der Mitgliedschaft
(1) Der Zweig kennt Zweigmitglieder und Probemitglieder;
Zweigmitglieder können tätig oder fördernd sein.[4]
(2) Tätige Zweigmitglieder tragen das Zweigleben durch das Tun,[5] wobei die Zweigversammlung feststellt, woran der Zweig ein solches erkennt;[6]
fördernde Zweigmitglieder unterstützen das Zweigleben ideell und/oder materiell und nehmen so an ihm teil.
(3) Probemitglieder beteiligen sich nach Interesse am Zweigleben; die Probemitgliedschaft kann bis zu zwei Jahre währen.
Erwerb der Mitgliedschaft
(4) Mitglied des Zweiges kann jede physische Individualität werden, die das einundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat, ohne Unterschied der Nation, des Standes, der Religion, der wissenschaftlichen oder künstlerischen Überzeugung.
(5) Die Mitgliedschaft im Zweig begründet in der Regel die Mitgliedschaft in der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft.
(6) Erworben wird die Mitgliedschaft im Zweig auf handschriftlichen Antrag [7] beim Sekretariat hin durch Aufnahme seitens des Kerns, wobei diese von der nächstfolgenden Zweigversamm-lung im Rahmen des Berichts -§8(3)a- mit einer Mehrheit nach §8(6)b bestätigt oder verworfen wird;
die Aufnahme kann ohne Angabe von Gründen abgelehnt werden.
§ 5 Rechte und Pflichten der Mitglieder
(1) Alle Mitglieder sind berechtigt, an allen Veranstaltungen des Zweiges nach Möglichkeit teilzunehmen und seine Einrichtungen unter Beachtung der Einrichtungsordnungen [8] zu nutzen.
(2) Tätige Zweigmitglieder stimmen in der Zweigversammlung und genießen aktives und passives Wahlrecht mit den in §8(3)a und §10(3) genannten Ausnahmen, während fördernde am Gespräch in der Zweigversammlung teilnehmen;
tätige und fördernde Zweigmitglieder können Anträge zur Zweigversammlung einbringen, Probemitglieder können ihr zuhören.
(3) Alle Mitglieder beachten die Satzung des Zweiges und Beschlüsse der Zweigversammlung, sie unterlassen alles, wodurch Ansehen und Aufgabe des Zweiges Abbruch erleiden können;
als materiellen Ausdruck ihres Willens zum Zweig zahlen sie ihren Mitgliedsbeitrag.[9]
§ 6 Beendigung der Mitgliedschaft
(1) Außer durch den Tod kann die Mitgliedschaft durch Fristablauf (Probemitgliedschaft), durch freiwilligen Austritt oder durch Selbstausschluß [10] erlöschen;
mit der Mitgliedschaft erlischt auch jedweder Anspruch an den Zweig;
ist sie einmal erloschen, kann sie nach einer angemessenen Zeitspanne wieder erworben werden.
(2) Der Austritt kann jederzeit erfolgen, indem er dem Sekretariat handschriftlich mitgeteilt und von diesem bestätigt wird.
(3) Ein Mitglied, das sich durch sein Verhalten außer die Zweiggemeinschaft stellt -§5(3) und §12(4)-, schließt sich selbst vom Zweig aus;
der Selbstausschluß kann von einer Mehrheit nach §8(6)b von der Zweigversammlung festgestellt und als vollzogen anerkannt werden.
TEIL III: ÜBER ORGANE UND WILLENSBILDUNG
§ 7 Zweigorgane
Organe des Zweiges sind die Zweigversammlung [11] (§8), der Kern [12] (§9), das Sekretariat [13] (§10), die Rechnungsprüfung (§11) und das Zweiggericht [14] (§12).
§ 8 Die Zweigversammlung
(1) Alljährlich hält der Zweig eine ordentliche Zweigversammlung ab;
eine außerordentliche Zweigversammlung wird auf Bitten von mindestens einem Zehntel der Zweigmitglieder oder vom Kern oder von der Rechnungsprüfung abgehalten.
(2) Jedwede Zweigversammlung wird vom Kern unter Bekanntgabe aller Tagesordnungspunkte mindestens fünf Wochen vorher über das Sekretariat einberufen;
Anträge zur Zweigversammlung liegen dem Kern spätestens zwei Wochen vorher schriftlich vor.
(3) Der Zweigversammlung obliegt das Beschließen über die jeweiligen Tagesordnungspunkte, insbesondere obliegen ihr das
..a) Entgegennehmen des Kern-Berichtes und Bestätigen oder Verwerfen seiner Beschlüsse sowie Erteilen der Entlastung, wobei Mitglieder des Kerns hier nicht mitstimmen,
..b) Berufen in den Kern auf die Dauer von ... Jahren und Abberufen aus dem Kern mit einer Mehrheit nach §8(6)b,[15]
..c) Wählen der Rechnungsprüfung mit einer Mehrheit nach §8(6)b,
..d) Feststellen des Selbstausschlusses von Mitgliedern nach §6(3) und
..e) Beschließen über Änderung der Satzung und freiwillige Auflösung.
Beschlußfassung der Zweigversammlung [16]
(4) Die Zweigversammlung ist dann beschlußfähig, wenn mindestens vier Fünftel der tätigen Zweigmitglieder anwesend sind oder sich durch ein anwesendes tätiges Zweigmitglied sowohl entschuldigen, als auch vertreten lassen und das Sekretariat vertreten ist;
Stimmen und Wählen erfolgen in der Regel offen.
(5) Zu Beginn einer Zweigversammlung wählen die anwesenden Zweigmitglieder für die Dauer derselben eine Gesprächsleitung mit einer Mehrheit nach §8(6)b;
diese stellt zunächst fest, ob die Zweigversammlung beschlußfähig ist.
(6) Beschlüsse, die in erster Linie [17]
..a) das Geistesleben belangen, werden einmütig gefaßt,
..b) das Rechtsleben belangen, mit einfacher Mehrheit, und
..c) das Wirtschaftsleben belangen, mit Zweidrittel-Mehrheit.
(7) Über die in einer Zweigversammlung gefaßten Beschlüsse und Feststellungen legt das Sekretariat ein Beschlußpapier an, welches vom Kern gezeichnet wird und dann zur Einsichtnahme aufliegt;
Abschriften von Beschlußpapieren können unter zu bestimmenden Bedingungen gemacht werden.
§ 9 Der Kern
(1) Der Kern ist das geschäftsführende Organ des Zweiges;
er besteht aus mindestens drei tätigen Zweigmitgliedern, die als Zeichnungsberechtigte/r, Stellvertreter/in und Ratgeber/in wirken;
er kann besondere Aufgaben delegieren.
(2) Dem Kern obliegen das
..a) Vollziehen der Beschlüsse der Zweigversammlung und
..b) Entscheiden über alle Zweigangelegenheiten, die nicht ausdrücklich der Zweigversammlung vorbehalten sind.
(3) Dem/r Zeichnungsberechtigten obliegen das
..a) Einberufen des Kerns sowie dessen Gesprächsleitung und
..b) Vertreten des Zweiges direkt oder über das Sekretariat nach außen, wofür er/sie ja zeichnungsberechtigt ist.
(4) Außer durch Tod oder Abberufung kann das Amt eines Kernmitglieds durch Rücktritt erlöschen, welcher über das Sekretariat schriftlich mitgeteilt und erst wirksam wird, nachdem eine nächstmögliche Zweigversammlung ein anderes tätiges Zweigmitglied in den Kern berufen hat.
Beschlußfassung des Kerns
(5) Für das Beschlußfassen des Kerns gelten die Beschreibungen von §8 (4), (6) und (7) sinngemäß;
dem Sekretariat kommt keine Stimme im Kern zu.
§ 10 Das Sekretariat
(1) Zur Abwicklung der laufenden Geschäfte, Schriftführung und Unterstützung der Kerntätigkeit führt der Zweig ein Sekretariat.
(2) Das Sekretariat ist an die Weisungen des Kerns und seiner/s Zeichnungsberechtigten gebunden;
dem Sekretariat kann eine beschränkte und/oder befristete Zeichnungsberechtigung eingeräumt werden.
(3) Das Sekretariat leitet ein/e vom Zweig ehrenamtlich oder entgeltlich angestellte/r Sekretär/in, der/die Zweigmitglied ist;
das Amt der Sekretariatsführung schließt das passive Wahlrecht in den Kern und zum Rechnungsprüfer aus.
§ 11 Die Rechnungsprüfung
(1) Auf die Dauer von einem Jahr werden von der Zweigversammlung zwei Rechnungsprüfer/innen gewählt, wobei eine/r von ihnen Zweigmitglied ist;
eine Wiederwahl ist möglich;
die Beschreibung von §9(4) gilt für die Rechnungsprüfung sinngemäß.
(2) Der Rechnungsprüfung obliegt das
..a) laufende Überwachen der Geschäfte,
..b) Überprüfen des jährlichen Rechnungsabschlusses und
..c) Berichten über Tätigkeit und Ergebnisse im Rahmen des Kern-Berichtes nach §8(3)a.
§ 12 Das Zweiggericht
(1) In allen aus dem Zweigverhältnis entstehenden Streitfällen, die trotz Bemühens nicht einvernehmlich gelöst werden können, entscheidet ein aus drei tätigen Zweigmitgliedern bestehendes Zweiggericht.
(2) Ein Zweiggericht bildet sich, indem jeder Streitteil dem Kern über das Sekretariat ein tätiges Zweigmitglied als Zweigrichter benennt, welche zwei dann im Einvernehmen mit dem Kern ein drittes bitten, den Vorsitz zu führen.
(3) Ohne an bestimmte Regeln gebunden zu sein, doch im Einklang mit der Satzung des Zweiges und Beschlüssen der Zweigversammlung entscheidet das Zweiggericht nach bestem Wissen und Gewissen einmütig endgültig;
nach Bekanntgabe seiner Entscheidung durch seinen Vorsitz löst sich das Zweiggericht selbsttätig auf.
(4) Mitglieder des Zweiges, die den Spruch des Zweiggerichtes gegebenenfalls nicht anerkennen, können von der Zweigversammlung als selbstausgeschlossen nach §6(3) betrachtet werden.
Unsere Anmerkungen
1] vgl. 1Thess.5,15
2] Hier ist keineswegs der bekannt-berüchtigte Betonbau in Dornach gemeint, vielmehr das geistes-wissenschaftliche Studien- und Forschungszentrum. Wie alle Zusätze kommt Abs.d freilich nur dann zur Geltung, wenn eine Verbindung mit jener Geistesrichtung angestrebt wird.
3] vgl. STEINER, R.: «GA 260a»; S.77
4] vgl. STEINER, R.: «GA 260a»; S.48f u.57
5] Mit seinem Tun, seiner Willensäusserung im Zweigzusammenhang nimmt ein Mitglied Verantwortung auf sich und repräsentiert damit das Zweigleben, wodurch es die Kompetenz zu stimmen, zu wählen und gewählt zu werden erlangt. Das wird von §5(2) klargestellt.
6] Das wird in Zusatzbeschlüssen (der Zweigversammlung) geregelt.
7] Was als „handschriftlich” gilt, kann in Zusatzbeschlüssen geregelt werden.
8] Diese werden in Zusatzbeschlüssen aufgestellt.
9] Das begründet das Wirtschaftsleben des Zweiges.
10] vgl. »Was in der Anthroposophischen Gesellschaft vorgeht« Nr.7/1989; S.32 und PLATO, B.v.:«Zur Entwicklung der Anthroposophischen Gesellschaft»; S.86f
11] soviel wie Generalversammlung
12] Der Kern entspricht dem Leitungsorgan, nur dass er der Zweigversammlung viel enger verbunden ist als ein üblicher Vereinsvorstand. Eigentlich tritt der Kern lediglich dann in Erscheinung, wenn sich der Wille der Zweigmitglieder zu Entscheidungen verdichtet. Das Amt „Zeichnungsberechtigte/r” entspricht dem üblichen „Obfrau/mann”, welches vom österreichischen Vereinsgesetz (öVerG) 2002 vorgeschrieben wird.
13] Das ausführende Organ einer Gruppe eigens hervorzuheben und zu beschreiben ist unüblich, da es für selbstverständlich genommen wird. Gerade hier aber können sich antisoziale Kräfte (vgl. Mbl.3) einschleichen, getarnt als beste Absicht, die zur Spaltung, ja Auflösung der Gemeinschaft führen.
14] Das öVerG verlangt ein Schiedsgericht.
15] Dies entspricht einer Wahl, drückt jedoch die Kernbildung deutlicher aus.
16] Die Beschlussfassung gibt die Gesetze eines Vereins; ein Statut dessen Verfassung (Konstitution). Die Satzung eines Zweiges ist nun weniger als Festsetzung (constitutio) angelegt, vielmehr als Beschreibung (descriptio). Allerdings werden gewisse Bestimmungen eben vom öVerG vorgegeben. Die Zweigversammlungsbeschlüsse sind das Instrument, mit dem die tätigen Zweigmitglieder das Rechtsleben des Zweiges bewusst gestalten. - Als Hilfsinstrument für Belange, die unterm Zweigjahr geregelt werden müssen, dienen die Kern-Beschlüsse, welche die Kernmitglieder so lange selbst verantworten, bis die Zweigversammlung sie bestätigt.
17] Was bedeuten schon Mehrheiten (siehe J.W.v.GOETHE: BW165)? Die hier aufgezählten Abstimmungsmodi werden kaum praktische Bedeutung erhalten. Sie können jedoch bei Entscheidungsprozessen immer wieder an die Dreigliederung des sozialen Lebens erinnern (vgl. Mbl.4).
https://wfgw.diemorgengab.at/satzung.htm