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SCRIPTVM ⁜ XXIII | |||
)Jussuf BEN-JOAH( | |||
Johannes Maria Klein | |||
G L I E D E R U N G | |||
EIN WEHER GESANG | 3 | ||
DREITON | 6 | ||
SELBSTGESPRÄCH | 8 | ||
JUSSUFS KLAGE | 14 | ||
JEHANES LIED | 18 | ||
DER WEG INS FEUER | 32 | ||
)JBJ( | |||
EIN WEHER GESANG | |||
Ach, schlimmer noch, viel schlimmer ist das Kommen als das Gehn, aus jenen weiten Räumen in solch namenlose Enge gepresst zu werden, dem Weltenrad von Stund' zu Stunde mehr entzogen. |
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Wie rauscht' vorbei ich noch am Monde durchs Tor des hintergründig ruhigen Rückwärtsschreiters voll Freude, zielbegierig eilend, aufsaugend mir die Lebenskraft von ringsumher und mit ihr all das Gute, Böse längst vergessener Zeiten! |
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Doch dann der Punkt, der ungenannte, ungekannte, der rot zu blau verkehrt und blau zu rot, mittendarin im schieren Mangel jeder Ordnung: mich selbst verlor ich dort, mir selbst entschwand ich dunkel. |
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3 | |||
Da steh' ich jetzt und hier des Staunens nimmer müde, und mühe mich um jeden Schritt beharrlich, dass Antwort ich erhalte auf mein Fragen; wo nicht, erlahm' ich und verzweifle, bis mich der warme Regen wieder rührt, dem jener liebevolle Farbenbogen folgt. |
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Um mich so viele von der gleichen Art, doch anders auch und fremd mir, fern, dass mir's den Atem oft benimmt, bis ich sie schätzen lerne all die Menschen, die sich da winden, wandern, streben, just wie ich es muss erleben, muss erlauschen, muss erlernen ich den Weg. |
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Mein ist mein Tun, so kann ich finden, mein die Bewegung, die mir frommt, aus mir hervor ström' ich zum Du; und leichter wird's, die Welt zu lieben, die kugelrund die kleinste ist von allen, hast du, hab' ich mich erst in ihr gefunden und willig auch zu ihr bekannt. |
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4 | |||
Um wieviel leichter aber scheint das Gehen mir dazu, ist nur der schwarze erste Schritt getan - ist's heimwärts doch, am Ziegenfisch vorbei den Himmeln zu geflogen! |
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Manch Grauen wohl mag jene Reise bergen, manch schwere Last, manch lastende Beschwerde, Ausbrennen und Vertilgen all der Gewichte. |
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Und dennoch will die Sonne ich erreichen, von ihr mit neuer Kraft befeuert in weitere Gefilde noch mich heben, der Liebe Aufblühn in der Weisheit wieder singen! |
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5 | |||
sursum | |||
)JBJ( | |||
DREITON | |||
Horch! | |||
Ein Traum der Seraphim zum Lobe Ihm, dem Dreifach Einen hin... |
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Der Tierkreis wölbt sich um und
um in feierlicher Dauer, gewaltig steht die Mauer als Grenze hin zum Zwischenraum; aus Sternenweiten dringt sein Leuchten in jeden Leib hinein, er west in jedem Sein, bejaht und fördert, liebt es; die Wesenskraft der Cherubim erhält ihm Rad und Laibung: er war vor der Vertreibung, wird nach der Rückkehr weiter sein. |
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In solchem Raume zieht die Bahnen der Planeten Zeiten-Reigen, und ihr Dröhnen, Singen, Raunen klingt zu weitem Klang zusammen, von hohen Thronen durch Engelwohnen in den Brennpunkt all des Schwingens. |
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Dort taumelt streng in ihrem Rahmen der blaue Lebenshort, die Erde; drauf ruht der Stein und wächst die Pflanze, darüberhin enteilt das Tier, und du stehst da, du Mensch, und staunst. |
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6 | |||
sursum | |||
)JBJ( | |||
SELBSTGESPRÄCH | |||
Du meine Seele, was zagst du, mein Leben, in düsteres Hauchen geborgen? Blenden wird kaum dich das Licht unsrer Sonne, der Feigenbaum spendet ja Schatten. Willst du den Strahlen die Ehre nicht geben, die dir erleuchten dein Sein? |
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Lange schon ruhn wir am Stamm hier und
warten, und heute soll wieder nur Schlaf sein? Träumen gibt Wunder aus, süsse und bittre, doch Wachen füllt Leben mit Werten. Wollest du nur deine Augen erheben, blicken ins alte Geäst! |
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Horch auf die Weise der Lerche, Geliebte, das Zittern der Gräser verspüre! Nachtregen hat uns berauscht und begossen, jetzt leuchtet ein Bogen dem Licht zu. Säumst du noch länger hin, dich zu bewegen, dörrt dir die Frische der Frucht. |
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Sieh, wie die Flöte im Gras liegt
verworfen, verstimmt und verblasst, ohne Klang mehr; dich, meine Seele, zu trösten, zu stärken, zu lange wohl hatt' ich gespielt sie. Lippenspiel also erwarte nicht weiter, sondern ergreif' dich, erwach! |
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8 | |||
Wohl will ich dir lauschen, o Licht meines Lebens, will klagen nicht, wenn zu mir spricht, der die Ruhe mir hütet, das Sein mir erhält. Oh, wie erbärmlich wirkt gelehrtes Reden, das da gelehrsam Worte wälzt und nicht der Weisheit Form verleiht - wie ganz anders deine Rede in deiner Worte weitem Fliessen, Vielgetreuer du, wie Balsam kühlt sie meine Wunde, die mir ein Gott im Fallen schlug. Und doch kann deine Nähe brennen, versagt mein kaum erworbner Schild; ich spür' deiner Bewegung Richtung, obgleich ich blind dein Antlitz ich nicht schaue. So ruf' ich: halt! Verlier' mich nicht, indem du mich umfängst, Geliebter, denn nimmst du, nimmst du ganz, was ich so gern dir geb', Geliebter, lässt nichts zum Leben du zurück der Armen, die in deinem Arm vergeht. |
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9 | |||
Du meine Seele, was sagst du, mein Leben, aus schweren Gedanken geboren? Töten kann nicht meine Nähe die Zarte, die klagend verzagt statt zu jubeln. Willst du so fürchten der Ohnmacht Gewalt, dass Drohung dir raubt jede Kraft? |
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Lange schon ruhn wir im Schatten und
warten, soll wieder nur Rast unser Tun sein? Schau doch das Wegkreuz im Glanze des Morgens, die Wege sind offen und deutlich. Wollest du nur mit der Blumen Bewegung schauen die Vielfalt im Wind! |
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Horch auf das Flüstern der Quellen,
Geliebte, die vierfach die Fluren benetzen! Wasser ist überall reichlich vorhanden, verdurstend vergehn wirst du nirgends, wenn erst vom Denken entwirret dein Wollen frei du wirst nutzen mit Sinn. |
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Schön bist du, leuchtest in perlenden
Farben, bist mächtig, der Welt zu begegnen; dir, meiner Seele, zur Seite zu wachen war stets meiner Aufgabe Freude. Bange nicht also, verwahr' dich nicht weiter, sondern erheb' dich zur Tat! |
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10 | |||
Wohl will ich dir trauen, o Licht meines Lebens, will fragen mit ernstem Gewicht und mich stellen der Antwort, wie immer sie sei. So mag mir deine Nähe Offenbarung erschliessen und nicht Finsternis, obschon ich spüre schwarzen Griff - mag die Nähe Wärme bringen, die mir der Kälte Klammer lockert, Vielgetreuer du, dass meine Liebe weit ihr Wogen in all die Räume strömen lässt. Und doch kann ich nicht vollends öffnen des Herzens innerstes Gemach, kann nicht gleich jeder Blum' Bewegung erfassen hier - zu eilgen Schrittes Folge ist Fallen. Stehn und schaun will ich; erblick' ich dann den Glanz, Geliebter, und nehm' ich, nehm' ich auf, was du so gern mir gibst, Geliebter, fliess' reiche Kraft von dir zurück zur Armen, die in deinem Arm besteht. |
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11 | |||
Du meine Seele, vertraust du, mein Leben, der festen, doch offenen Führung? Fallen wird keiner mehr, wenn wir bescheiden, bewusst aber setzen die Schritte. Wollt' man uns hindern, den Raum zu betreten, da nun gekommen die Zeit? |
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Lange schon warten wir beide geduldig
- sag' war unser Leiden vergebens? Wären nicht Werden und Sterben Geschwister, dann fänden wir nie ein Erwachen: lieb' ich das umfassend farbige Leben, lieb' ich nicht minder den Tod. |
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Punkt bin ich nur in der Fülle
des Lichtes, ein Funken aus göttlichem Wirken, Mahnung vergangener Einheit und Reinheit, die wieder und wieder getrübt wird; dass aus dem Umkreis ich kam, dich zu wecken, war mir von jeher bestellt. War mir von jeher bestellt, dich in den Umkreis zurück zu geleiten, und wieder und wieder zu klären; Keim bin ich hin auch zu künftigem Ganzen, ein Funken ins göttliche Wirken, Licht bin ich dir in die waltende Fülle. |
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12 | |||
sursum | |||
)JBJ( | |||
JUSSUFS KLAGE | |||
Aus weiten Fernen fand ich zu Suleika und gleichen Flugs zu Schulamith, geborgen nun in Armen, die stark mich fingen auf, an eine Brust genommen, die reich mir Nahrung bot. |
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Aus weiten Fernen fand ich zu Suleika und gleichen Flugs zu Schulamith. Aus Stätten war ich hergewiesen, wo tief geheimnisvoll im Schatten des Sonnenlichtes Lob gesungen worden war in Chören, wo Einzeltat noch nicht geübt ward, und wo man Bilder wob. |
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Aus weiten Fernen fand ich zu Suleika und gleichen Flugs zu Schulamith. Mir wurde neues Atmen und neue Lebensglut, auch wurde mir aufs neue ein Nam' gewählt, der mir verblieb. |
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So band ich, liebevoll empfangen, mein Herz an beider Ströme Fluss, fand ich aus weiten Fernen zu Suleika und gleichen Flugs zu Schulamith. |
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14 | |||
Ich kann Suleikas Tränen nicht
vergessen und nicht die Tränen Schulamiths, denn diese fallen Vater vom strengen Aug' herab, und jene quillen Mutter in ihrem milden Blick. |
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Ich kann Suleikas Tränen nicht
vergessen und nicht die Tränen Schulamiths. Mein Vater richtete sein Volk gerecht, weise auch in Wohl und Wehe aus hellem Angesicht, und meiner Mutter dunkles Antlitz geduldig neigte sich dem ihren, verurteilt's wahrlich nicht. |
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Ich kann Suleikas Tränen nicht
vergessen und nicht die Tränen Schulamiths. Er rief mir: Sohn des Joah, vergiss den Namen nie! Sie hiess mich zärtlich Jussuf, mein Kleinod, Augenstern und Spross. |
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So füllt mein Herz von beiden
Seiten ein doppelt ungehemmter Strom, nicht kann Suleikas Tränen ich vergessen und nicht die Tränen Schulamiths. |
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15 | |||
Ich darf Suleikas Zelte nicht betreten und nicht die Hütten Schulamiths, denn diese hasst in Mutter die dunkle, fremde Last, und jene jagt in Vater den ungeliebten Herrrn. |
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Ich darf Suleikas Zelte nicht betreten und nicht die Hütten Schulamiths. Der Mutter schwor Verderb die eine, Not, Feindschaft durch der Zeiten Wandel in furchtbar grellem Fluch, und meinem Vater droht' die andre der Rache flutende Gewalten, zertreten wurd' sein Buch. |
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Ich darf Suleikas Zelte nicht betreten und nicht die Hütten Schulamiths. Mir rief die eine: Joah, an meine Seite tritt! Mich hiess die andre Jussuf, mein Bruder, Helfer du und Arm. |
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Wie wollte Mutter ich bekämpfen und Vater mit dem Schwert bedroh'n? Nicht darf Suleikas Zelte ich betreten und nicht die Hütten Schulamiths. |
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16 | |||
So musste von Suleika ich mich trennen und trennen auch von Schulamith; zum einen folg' ich Vater in grau schimmernder Wehr, zum andern aber Mutter in weisser Manteltracht. |
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So musste von Suleika ich mich trennen und trennen auch von Schulamith. Im Land der Burgen werd' mir neues Heim, bin der Sonne nachgezogen von Meer und Berg gebannt, und einen Bettler will ich suchen, der mir des Tempels Hüter weise, bald ich den Freund erkannt. |
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So musste von Suleika ich mich trennen und trennen auch von Schulamith. Fortan sei ich ein Kämpfer, gehorsam, mutig, treu! Dem Volk vertraut sei Joseph, des Glaubens und der Bauern Schutz. |
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Weitab von Mutter und von Vater bekämpfen will ich Schlangenbrut, denn von Suleika musste ich mich trennen und trennen auch von Schulamith. |
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17 | |||
sursum | |||
)JBJ( | |||
JEHANES LIED | |||
Als ich ein Knappe war und auf die Weihe
bangte, stand mir zur Seite Curd, wie ich ein Knabe, doch deutschen Mannes Sohn mit grauem Aug' und blond. Und von dem hehren Dienst gelegentlich entlassen, verliessen wir die hohe Burg zuweilen, um in die Stadt zum alten Juden hin zu laufen, der lesen konnte, schreiben und berechnen, der wunderliche Rollen in dem Zimmer barg, das wir so scheu betraten wie die Weiheräume; er mochte, da wir still bescheiden, leiden, dass wir im Raum verharrten, um zu schauen, hören, auf dass manch Wissen, manche Weisheit er uns gab. |
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Ganz andrem diente unser Streben freilich
wieder, wenn wir Grindel, der unser Lehrherr, dienten, ihm gut den Harnisch pflegten und das edle Ross. Da machte ich wohl meine ausgelassnen Spässe, dass Curd mir leisen Tadel sprach mit Lächeln, mich an den Gleichmut mahnte, an der Stete Tugend, an der's dem Ritter nimmer dürfe fehlen; dass er wohl hin und wieder seine Zweifel wog, ob sein getreuer Freund Jehane je zum Ernsten, zum Streiter für den Glauben würde taugen, wenn dessen Poltern fröhlich durch die Gänge tobte und dessen lautes Lachen durch die Halle klang. |
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18 | |||
An einem herbstlich lauen Abend nach
der Vesper begaben Curd und ich uns zu dem Juden, da unsre Hände viel, der Kopf noch nichts getan. Gewohnt, die Gasse hurtig federnd zu durchschreiten, an deren Ende sich des Alten Steinhaus ohn' Anspruch in das graue Stadtgemäuer fügte, durcheilten wir die Zeile voll Verlangen - und blieben bald darauf wie angewurzelt stehn. Denn in der Türe ragte gross der alte Jude, als wollt' ihm unser freies Kommen frommen, er winkte uns sogar, als wir nicht weitergingen, was er bis dahin wahrhaft hatte nie getan. |
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Kaum standen wir vor ihm im letzten
Licht der Sonne, begann er gleich mit Bass und Sang zu sprechen: «Ihr beiden Männer, denen fehlt der Ritterschlag! Zum letzten Mal kommt ihr, mich in der Stadt zu suchen, den Wahrer alter Schriften zu befragen, wie Aufbruch so auch Wandel bringt euch diese Stunde - Grindel die hohe Königsrunde bittet um Abschied von der Burg für sich und seinen Tross. Weil ihr gepanzert noch nicht seid, ihr jungen Männer, schenkt Nathan euch ein Fünfgespann zum Scheiden. Es sei: ein Mem, ein Jod, ein Chaph und Aleph-Lamed. Gebraucht es gut, mit Gott! Vergesst den Juden nicht.» |
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19 | |||
Dem Worte unsres alten Schriftgelehrten
folgend, als ob er Herr des Schicksals selber wäre, verliessen bald darauf zu dritt wir Burg und Stadt. Voran im fahlen Licht umwölkter Sonne trabte das edle Ross und trug froh unsern Lehrherrn im Glanz gerüsteter Gestalt mit Schild und Wappen, das Eisenschwert in feingewirkter Scheide, fürwahr, ein stolzer Ritter war uns Herr Grindel. Mein Curd war's wert, die Lanze frei ihm nachzutragen, voll Ernst und Anmut ritt er hoch im Sattel, und mir kam's zu, die Packen sorgsam zu bewahren, die Decken, Beutel, Futtertaschen und den Wein. |
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Auf solch geraumer Fahrt erhofften Curd
und ich uns Bewährung und Verdienst, des Lernens Früchte, sodass des Ritterschlags für würdig wir erkannt. Das Reisen wollte mir zunächst gar prächtig schmecken und mich gepfiffnes Lied nicht übel dünken, schon blickte Curd mit eignem Lächeln zu Jehane, da hielten wir am Meer, uns einzuschiffen; im Wogenkampf verging das Lächeln wie der Pfiff. Der Herr indes, als ob er stets das Meer befahre, er unterhielt sich mit dem Schiffer fröhlich und lachte immer wieder herzlich über Scherze, die dieser über unsern Zustand ausgespuckt. |
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20 | |||
Im Herbst gerät die Überfahrt
zum Abenteuer, wenn kalter Wind den Meeresspiegel aufwirft zu wilder Wogen toll entfesseltem Gebrauch. So schwang das Boot im Sturme wahllos auf und nieder, und in ihm schwankten Mensch und Tier gar kläglich; verbissen suchte Curd zu wahren Pferd und Lanze, da ich mich mühte, das Gepäck zu halten, nur Herr Grindel war es zufrieden und hielt Rast. Erleichtert wohl gewahrten wir nach schweren Stunden den hellen Uferstreif dem Meer entsteigen, und wie um uns für unsre Mühsal zu entgelten, entwarf die Sonne einen Bogen übers Land. |
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Hart stieß der Bug des Bootes
in den Sand der Küste und brachte uns ein letztes Durcheinander, aus dem wir unsre Rösser bargen und die Last. Dem Schiffer dankend saßen auf wir, fortzureiten in die uns unbekannten weiten Felder, an manch erhabner Burg vorbei, durch dichte Wälder, die ausgedehnt die reiche Erde deckten, durch Furten träger Flüsse auch und tief ins Land. Die Städte mied im Reiten sorgsam unser Führer, er hieß das Lager stets im Freien richten; wir fragten nicht danach und litten es geduldig, wie's ziemte altgedienter Knappen stillem Tun. |
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21 | |||
So war an einem feuchten, kühlen
Abend wieder das Lager ausgebreitet, eingerichtet, und wir verzehrten schweigend unser karges Brot. Dann sahen Curd und ich noch einmal zu den Pferden, die sanft im Grase schnaubten, als wir kamen, und streckten uns auf unsre Decken, auszuruhen von einem langen Tag im zäh gewordnen Sattel, gleich nach dem Spruch fiel bleiern uns das Auge zu. Mitt' in der Nacht erwachten beide wir urplötzlich und sahn verloren in die dunkle Runde: da ragte Herrn Grindels Gestalt in Sternenweiten von mildem Licht umspielt, das glomm vom Horizont. |
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Jäh, ohne Laut erhoben wir uns
von den Decken und schlichen stumm uns zum geliebten Lehrherrn; der nahm uns beide links und rechts an seine Hand. „Ihr meine Knaben, treue Helfer eures Ritters! Nun schaut mit mir die Himmelsschrift genauer: Hier funkelt dräuend Mars an seinem höchsten Punkte, dort seht des Mondes Schale ihr im Osten, sie kündet euch der Sonne strahlend Aufgang an, und ganz im Westen sinkt Saturn in düstre Reiche, der Jungfrau gegenüber, doch ein Greis nur - Johannes, Conrad, beiden dort der Schale Fülle, Grindel indes wird der Versuchung widerstehn.” |
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22 | |||
Am frühen Morgen dann bestiegen
wir die Pferde, um weiter einem Ziel zu forsch zu reiten, das Herrn Grindel allein bekannt und deutlich war. Der Feldweg führte uns zu einem breiten Wald hin, der dunkelgrün und finster sich erstreckte wie eine feste Grenze, daß das Auge staunte; je näher wir ihm trabten, desto düstrer wurd' er, fast scheuten unsre Tiere vor solch Wand zurück. Allein, der Ritter packte seine Zügel fester, drückt' seinem Roß die Sporen in die Weichen, mit klarem Zuruf unterstützt' er sein Bemühen, den Waldpfad es zu lenken; und wir folgten ihm. |
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Wir wissen nicht, wie lange wir im Tann
geritten, da kaum noch Sonnenlicht den Grund berührte und wir den schmalen Reitweg auch verfolgten nachts. Doch war's im Morgengraun, daß an den Fluß wir kamen, den nimmer Curd und ich vergessen werden, auch nicht sein Uferfeld, das da ein Tjostfeld wurde und Weiheraum danach und für uns heilig, ach, drückend nimmt Erinnrung in der Seele Platz. Hier hielt gestrenge unser Herr uns an die Reise, gebot uns abzusitzen und zu lagern; mit Freude führten wir zur Tränke unsre Zelter, er selbst blieb aufrecht voller Stärke hoch zu Roß. |
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23 | |||
Schon hatten wir die Tiere munter abgesattelt, schon spielten sie am Ufer und im Wasser, als angeprescht ein Reiter kam ganz schwarzgezäumt. Er forderte nicht lang zum Kampfe unsern Ritter, entbot dem Gruß ihm kaum und senkt' den Stachel; weil unsres Herren Lanze noch im Grase steckte, sprang Curd herzu, sie ihm geschwind zu reichen, fast wär's um ihn geschehn - der Streit entbrannte wild. Curd floh zur Seite, krachend splitterten die Schäfte; jetzt hob ein mächtig Ringen an im Grase, und greller Schwerterklang mengt' sich dem dumpfen Dröhnen der Schildabwehr, die beide übten meisterlich. |
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Weit über Mittag hielt das schwere
Kräftemessen, zu Gunsten unsres Herrn wollt's oft sich wenden, wir trauten seiner Kunst und Stärke alles zu. Auf einmal sprang der Schild ihm, als er wehren wollte wohl einem tückisch ausgeführten Schwerthieb; wie er ergriff mit beiden Händen wild das Eisen, voll Kampfeswut sich stürzte auf den Schwarzen, da traf ihn just der arge, todgewollte Streich. Zu Boden sank vor unserm Auge unser Lehrherr, wir schrieen auf und rannten, ihn zu bergen - Der unbekannte schwarze Ritter lachte grausam, besah uns kurz, und trabte höhnend in den Wald. |
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24 | |||
In seinem Blut lag wach und elend unser
Ritter; wir boten Lindrung ihm, so gut wir konnten, doch fühlte er sein Lebensende drängend nahn. Leis' rief er uns zu sich und sprach in kurzen Stößen: „Johannes, Conrad, meine teuren Kinder! Nicht länger mögt ihr Knappen bleiben, Eisenlose - kniet hin, dies Feld sei eure Kirche heute, kniet hin, empfangt von mir hier euren Ritterschlag.” Wir reichten ihm das Schwert und fielen wortlos nieder; mit Stöhnen hob er's auf im Krampf der Schmerzen, berührte unsre Schulter spürbar mit der Spitze, und segnete in tiefer Liebe Curd und mich. |
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Die Sonne neigte sich bereits dem Walde
zu, und glänzend spiegelte der Fluß ihr Strahlen, als beide wir vom Toten uns erhoben stumm. Gen Westen blickte ich, und Curd zu meiner Rechten erlebt' mit mir der Sonne leuchtend Schwinden, ihr Widerspiel auch in den sanftgetragnen Wellen, die mit dem Fluß südostwärts weiterzogen; von Innen aus beschworn wir schweigend unsren Bund. Zwei Fackeln wurden in der Dämmerung entzündet, die eine stellte Curd zum Haupt des Toten, die andre ich zu seinen Füßen klammen Herzens; dann hielten wir drei Tage Ehr- und Totenwacht. |
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25 | |||
Nachdem das Grab wir zu- und aufgeschüttet
hatten, in das des Herren Hülle wir gebettet, berieten wir uns kurz und brachen müde auf. Wohl waren Curd und ich jetzt freigeschlagne Ritter, doch scheuten beide wir uns, das vom Lehrherrn geschätzte und geliebte Streitroß zu besteigen, das ihn im letzten Kampf getreu getragen, und darum hatten wir es mit Gepäck bepackt. Beschlossen worden war, den Fluß entlang zu reiten und seinem Wasser folgend Halt zu suchen in jenem Land; gesenkt verließen wir die Walstatt, verlassen, ohne Rückhalt auf uns selbst gestellt. |
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Mit sorgenschwerer Brust und losgelassnem
Zügel, den Gram gemildert von den Herbstesfarben, so wurden wir getragen von der Pferde Schritt. Ja, sieben Tage waren tatenlos verstrichen, kaum daß ein Sterbenswort gewechselt wurde, als wir im Abendlicht des weichen achten Tages am Ufer eine Mönchsgestalt gewahrten; im Näherreiten sahn wir einen Bettelgreis. Er hielt uns an, doch nicht um klagend uns zu bitten, wollt' vielmehr dies und das von uns erfahren, woher wir kämen und wohin wir vorwärts zögen, warum vor allem unser Blick verhangen sei. |
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26 | |||
Curd neigte still sein Haupt in höflichem
Bescheiden und lauschte sinnend der beredten Antwort, die ich dem Bettler vollen Herzens ehrlich gab. Indes ich redete von unserm Tun und Leiden, bemerkt' ich wohl, wie uns des Greises Blicke hauchfeinem Tasten gleich von überall berührten, als wollt' er sich gottweißwovon versichern; wohlan, entschieden sprang ich ab von meinem Pferd. „Kein Bettler seid ihr, ehrwürdiger alter Vater, mög' euer einfaches Gewand auch täuschen, nicht irreführen kann uns eures Antlitz' Weisheit! Ich bitte für uns junge Fahrende um Rat!” |
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Auflachte da der Greis in seltsam froher
Weise, was man mehr fühlen konnte, als es hören, war dieses Lachen doch ein Lachen ohne Laut. Was mit dem Rat des Weisen wir zu tun gedächten, begehrte endlich er von uns zu wissen, ob wir denn solchen Rat schon öfter eingeholet, wohl nicht umsonst hätt' unser Herr zum Ritter auf etwas eigne Art geschlagen Curd und mich. Da ich verstummte, fuhr er fort mit ernster Rede, gebot, des Herren Streitroß zu entlasten, und hieß uns all die Packen lagern, was wir taten, dann bat er, ihm zu folgen mit dem freien Tier. |
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27 | |||
Gar rüstig ging der Greis voran
mit festen Schritten, genau schien er zu wissen welchen Weges, am Zügel führten wir die Pferde hinterher. Die Nacht war sternenklar und kalt hereingebrochen, bald nahmen Nebelschwaden uns die Landschaft, bald gaben sie sie frei in arg zerrissnen Schatten, erstickten uns des Flusses trautes Murmeln, wie einem Schemen folgten wir dem alten Herrn. Schon glaubten wir, der Weg sei endlos langgewunden, da leuchtete ein Licht vor uns im Dunkel, aus einem hohen Steintor trotzte es den Dämpfen, darauf betraten dumpf wir einer Hausburg Hof. |
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Drei Knappen traten an und grüßten
ehrerbietig, ein jeder nahm uns ab ein Tier behende, dann führte uns ein vierter in ein Ruhgemach. Allein gelassen fanden wir ein kleines Mahl vor, für beide Brot und Käse, einen Becher und einen Krug für zwei gefüllt mit Wein und Wasser; beim kleinen Holztisch stand ein einzger Stuhl nur, auch eine einzge Bettstatt zierte nur den Raum. Zum ersten Male lächelten wir wieder heiter, erinnerten, daß uns der alte Jude zuweilen von dem Ritterbund gesprochen hatte, wo alles stets geteilt wird streng, sogar das Roß. |
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28 | |||
Am nächsten Morgen weckte uns der
vierte Knappe, indem er uns den Weizenbrei hereintrug in einer Schale - uns ergriff der neunte Tag. Noch war der Sonnenball nicht aufgegangen, als wir, vom Knaben abgeholt, dem Saal zu schritten, in dessen Rund die Ritter Curds und meiner harrten, in dessen Mitt' ein Doppelstuhl gestellt war genüber von des Hauses schlichtem Sandsteinthron. Bei unsrem Eintritt standen alle Ritter stille, nur einer saß in reinem weißem Kleide im plötzlich einbrechenden Sonnenlicht erstrahlend: der Thronherr; und kein andrer war es als der Greis. |
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Zum Doppelstuhl geleitet weilten wir
dort aufrecht, bis ohne Knarr geschlossen wurd' die Pforte, ein Klopfton klang, und alle nahmen würdig Platz. „So finden wir in unsrer Mitte hier und heute zwei frische Streiter aus dem Außenkreise, des einen Blut ist deutsch und namenlos des andren, Grindels getreue Schüler, vor zwölf Nächten erhielten sie vom Sterbenden den Weiheschlag.” Mit klarer Stimme sprach's der altersweise Meister; dann rief er in den hohen Raum die Frage: „Wollt ihr, o Tempelhüter, sie als Brüder achten?” - Aus allen Kehlen dröhnte uns vereint das Ja. |
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29 | |||
Hierauf hielt inne er und lächelte
versonnen, und blickt' uns lange prüfend in die Augen, bis er zuletzt an uns sich wandte liebevoll: „Ihr, Conrad und Johannes, meines Schülers Schüler, er, der euch liebte und erzog zur Würde, in euren Armen nahm er Abschied von uns allen; er brachte mit Bedacht euch auf die weite Reise und hinterließ euch beiden sein bewährtes Roß. Durch schwere Prüfung habt ihr nun zu uns gefunden - so sagt uns jetzt, ob ihr mit uns wollt suchen.” Aus unser beider Herzen drang das Ja voll Feuer, denn beide wußten sich im Ziel, das Anfang war. |
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„So seid von Stund an uns als
neues Paar willkommen, ihr, die einander Treue habt geschworen, mögt sie nun halten bis zum allerletzten Kampf! Doch sagt”, fuhr fort er: „Habt ihr beide eine Gabe von jener fernen Inselstadt erhalten?” Und regungsloses Schweigen folgte dieser Frage, in das wir beide wie Fanfaren riefen: „Ja: Mem, Jod, Chaph und Aleph-Lamed bringen wir!” Da brach ein Jubel aus, und alle Ritter hoben den linken Arm begeistert, bis der Thronherr den seinen hob und sprach: „Uns wohlbekannte Laute! Sie bilden uns den Namen unsres Schutzes traun.” |
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30 | |||
Von da an waren Curd und ich zwei Tempelritter; wir teilten unsre Habe wie von je her, gehorsam waren wir dem Meister zugetan. Vom Weg, der hin uns führte, wollte ich hier singen - vom Weg der weiter wies, mag ich nicht sagen; nur dies am Ende kann ich reuelos berichten, daß Curd und ich gemeinsam viele Kämpfe auf einem Roß gefochten haben und gesiegt. Die Glaubenspilger und die Landbebauer alle, sie lernten kennen uns, die ungleich Gleichen, und hießen Curd fortan den Pair und mich nur Joseph. Warum solch Namen sie uns liehen, wem wär's kund? |
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Spruch, den Conrad für Johannes vom Meister aufgetragen erhalten |
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O RIPA MARIS DEXTERAE AVREA CLAVSA | |||
Spruch, den Johannes für Conrad vom Meister aufgetragen erhalten |
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BILDE DIE ERDE AM ATEM NICHT TOD WERDE SONDERN ERLÖSUNG |
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31 | |||
sursum | |||
)JBJ( | |||
DER WEG INS FEUER | |||
Feuer, dessen Urausdruck beschwingte Wärme lichtgeborgenem, klangumflossenem Lebensinhalt ist, Feuer, aus dem Leben, aus dem Tönen, aus dem Leuchten gibst du reine Wärme! Feuer, das aus urvergessnen Tagen, da es um den Erdball lohte, nun zurückgezogen ist ins Innre, Feuer, das in jeder Flamme noch erinnert an der Lohe Hauch, Feuer, dem der Stein erkaltete, die Pflanze sich entwand, und das flinke Tier entfloh, Feuer, dem der Mensch mit Macht und nach und nach gebot, Feuer, Feuer, bist ein Pfleger dem Lebend'gen, wenn dir rechtes Maß geboten in der Ströme Ordnungsfluß, Feuer, Feuer, bist Verderber, wenn Lebendiges du frißt! O Feuer, du. |
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32 | |||
Was ist mit Joseph uns geschehen, daß er in das Feuer soll? |
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Dem Zaubrerorden war geweiht er, das ist Frevel doch genug! |
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Wie der gute Helfer aller wäre Ketzer nur und toll? |
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Diesen Pair, ließ man den laufen, der dem Joseph zugesellt? |
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In der Feste Kellermauern liegen beide und mit Fug. |
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Doch getrennt wird man sie haben, jedem eignes Loch bestellt. |
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Absprach' würden sie sonst pflegen, würden täuschen das Gericht. |
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Weh, ich klage um die Ritter, waren hohe Herren ach! |
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Sicher wollten sie so scheinen, doch entdeckt ist der Betrug. |
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Wohl wird quälen sie der Scherge, grausam greift des Königs Groll. |
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Und die Mönche werden fragen aus der Bücher Bleigewicht. |
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Wird denn niemand ihnen beistehn, niemand lindern ihre Schmach? |
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33 | |||
Du, wollt' dich düstre Zelle preisen und der Ketten Schwergewichte, wollte auch die ekle Kost genießen, wüßte ich, wohin solch Weg mich führt. Fort ist der, mit dem ich bisher ritt und stritt und litt, der mir das Leben so oft barg wie ich ihm auch in vielgestalter, bittrer Lage. Vom Roß gerissen hat man ihn und mich, geschlagen und gebunden, unter Hieben in die Stadt getrieben - verboten von der Ordensregel war uns jeder Widerstand. Nun ist's vorbei. In enger Klause lieg' ich in endlos langer Nacht gefangen, weiß kaum, ob ich lebendig oder tot. Nicht tot bin ich - heller wär' die Welt mir, wär ich tot und Gastfreund auf der Burg des Höchsten in der Sonne Innenlicht, dem der König, der mich wütend hält, den Schild nicht weisen mag, weil dessen Platte nicht mehr spiegelt des höchsten Königs Glanz. Lange atme ich nicht fürderhin; die Flamme meiner Seele, hüllenfrei schon bald, sie flackert nur. |
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Hu, wie dringt aus diesen Löchern Schlagen, Schreien und Gestank! |
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Ja, ich glaube gar zu hören, wie um Gnad' gebettelt wird. |
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Oh, die Gnade möcht' ich kennen, die sich dort am Betteln kehrt! |
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He, was wird hier leis gemunkelt? Packt euch fort, ihr Lumpenbrut! |
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Sieh, des Königs Waffenknechte lassen wohl nicht unversehrt. |
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Fürchtet nicht des Königs
Wache, euer Beutel birgt kein Gold. |
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Längst ist alles Gold gefordert aus der Tasche, aus dem Schrank. |
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Uns kann man nur Münzen nehmen, Königsgeld und ohne Wert. |
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Doch die weiten Rittermäntel bargen Berge Goldes blank! |
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Drum vernichtet sie der König von dem Zauber unbeirrt. |
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Heimlich da den König nennen! Lästert ihr des Königs Blut? |
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Nein, wir ehren seinen Namen, sind ihm untertänig, hold. |
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Nur der Taumel niegelittner Schmerzen mit dem Nebel dumpfer Qualen konnt' bewirken, daß ich schwatzte, was ich nimmer durfte tun! Hätte meine ärgsten Widersacher nicht mit solcher Wut gepeinigt, ja, wir waren keinem Feinde mehr als Gegner nur im Kampf. Nicht allein gestreckt auf Eichenbänke brannt' man uns mit Kohlengluten, schlug man uns mit Eisenstangen, ließ uns üble Dämpfe atmen, zwang uns unsren Kot zu trinken, nein, das größte Übel waren Fragen, die ein Mönch mit hohlen Wangen fieberhaften Auges lesend immer wieder hergebetet hat; statt zu schweigen, wie ich fest entschlossen, brach es wild aus mir heraus: Ob wir nackt den Kuß empfangen? Ja, ich hätte ihn empfangen. Ob die Tiere wir umschlungen? Ja, ich hätte sie umschlungen. Ob dem Gottfeind wir gerufen? Ja, ich hätte ihm gerufen. Ob die Hostie wir verspottet? Ja, ich hätte sie verspottet. Ob das Kreuz wir angespuckt? Ja, ich hätt' es angespuckt. Habe also ich mich schwer verschworen in der Schmerzen rotem Wogen, o mein Gott! |
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Während man zum Brandmord rüstet, hört man, wie der König schweigt. |
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Wohl, er freut sich seines Sieges, seiner großen Macht Triumph. |
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Hat die Träger weißer Mäntel schwarzer Laster angezeigt. |
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Viele reden was von Sünden, von Verbrechen jener Schar. |
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Keiner da entging der Folter, hat gestanden jeder Tropf. |
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Recht tat unser kluger König, auszutrocknen diesen Sumpf. |
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Einer habe nicht gesprochen, ihm riß man die Zunge gar. |
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Sei verblutet dran, der Kluge, ward nicht weiter malträtiert. |
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Glaubt ihr wirklich, was sie sagen, traut ihr ganz des Königs Recht? |
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Niemand ahnt, wie ganz verborgen Zwiespalt solcher Bauch gebiert. |
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Zweimal hundert Jahr' lang Retter - jetzt auf einmal Schandgeschlecht? |
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Schweig du still, du Gottverlassner, kommst noch in den selben Topf! |
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O mein Gott! Gott aller, so auch meiner, Gott der Fänger und Gefangenen! Zum letzten Mal seh' ich das Strahlen Deiner Sonne über weißen Schnee hin freundlich spielen; kalte Luft sticht meine Lunge. Nach langem Warten steh' ich bald vor Deinem Thron - Wirst meine Lügen gnädig Du verzeihen? Wird der Freund verstehen wollen dort? Weiß er wohl, was ich verbrach? Mir träumt', daß mich sein Blick berührte, daß er mit blutig leergerissnem Mund mir Tadel lächelte wie immer. Doch keine Träne birgt mein Auge mehr, und leer ist meine Brust von Seufzern, nur Bilder, Bilder kreisen um mich her in ungeahnter, bunter Fülle: Was will die Fremde, die mich streng zu sich beruft? Und jene andre, die mir zärtlich klagend winkt? Der Priesterreigen, niegeschautes ernstes Kultgeschehn? Allein bin ich inmitten Chorgesängen, nicht viel größer als ein Punkt ... Noch geh'ich nicht, noch brenn'ich nicht, noch lieb'ich nicht genug, Gott! Schone Deinen Diener! |
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Dort steht groß und bleich ihr
Meister, will uns etwas sagen noch. |
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Schon erwarten ihn die Knechte, Fackeln brennen in der Hand. |
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Spricht von seinen falschen Worten, die man ihm hat abgepreßt. |
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Schwört, daß immer er geehrt
hat Leib und Blut von Jesu Christ. |
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Seht, nun wirft er ab den Mantel mit dem roten Kreuz darauf. |
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Geht im langen Hemd zum Richtplatz, elf der Seinen folgen fest. |
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Seh' den Pair nicht unter diesen, Joseph nur verließ das Loch. |
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Kalt ist dieses Märzenwetter, Eiskristalle ziern die Wand. |
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Sorg' dich nicht zu sehr, Gevatter, allen wird noch warm genug. |
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Jetzt besteigen sie den Holzstoß, beten auch zu letzter Frist. |
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Unten prasselt schon das Feuer, Flammen schlagen hell hinauf. |
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Rauch quillt hoch, verdeckt die Männer, weit zieht hin der Funkenflug! |
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Schone Deinen Diener, Herr - Kaum bitt' ich drum, wird's mir gewährt. Warm und wärmer wird mein Herz, wird beißend auch das Atmen schwer; allein was tut's? Ich fühle leicht mich, im Schwindel nehme ich mich kaum noch wahr. So horch' ich tiefer in die Blindnis: Klingt wie Schellen von Kamelen, und rufen hör' ich einen Namen, wie u-u tönt es, we und i-o-a - Ruft lauter Treiber, möcht' es fassen! Ach, wie dring' ich durch das Krachen? Glaub' ich's doch, sie rufen mich! Welt, jetzt bin ich bereit zu gehn, brenn', im Chor zu singen nun ... |
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All meine Liebe, Zu Dir kehrt sie zurück, Von Dem sie kam Aus dem Umkreis In mein Herz - Ich bin Gefäß. |
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Hilf und löse, Daß glätten sich die Wände Der Kammern meines Herzens, Deine Liebe rein Und reiner abzuspiegeln Aus innrem tiefem Grund Der Welt entgegen - Ich Bin Gefäß. |
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Aus Dir kam Ich; In Dir kehr' Ich; Durch Dich leb' Ich fort. ICh Bin Gefäß. |
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porro | |||
sursum vel ad indicem | |||
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